# taz.de -- Kommentar zum Rentenpaket: Die Angst bleibt
       
       > Das Rentenpaket der Bundesregierung erschöpft sich im Klein-Klein. Dabei
       > wäre jetzt der richtige Zeitpunkt für eine echte Vorsorgereform.
       
 (IMG) Bild: Die Angst vor Altersarmut ist nicht genommen
       
       Sehr viele Menschen haben Angst vor Altersarmut. Dabei ist die gesetzliche
       Rente eigentlich ein gutes System und der privaten Altersvorsorge weit
       überlegen. Aber etliche Bundesregierungen haben das System ausgehöhlt,
       indem sie Ansprüche gekürzt und Leistungen gesenkt haben. Die Große
       Koalition hat am Mittwoch ein neues Rentenpaket beschlossen. Doch leider
       wird das niemandem die Furcht nehmen können. Denn die Verbesserungen sind
       zu klein und ändern nichts am grundsätzlichen Problem.
       
       Nötig wäre eine neue Rentenpolitik, die für eine echte Absicherung sorgt:
       eine ausreichende Mindestrente für alle, der Ausstieg aus der staatlichen
       Förderung der privaten Altersvorsorge und genug Geld zum Leben für
       Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können. Doch
       der SPD-Sozialminister Hubertus Heil [1][verliert sich im Klein-Klein],
       statt eine echte Reform wenigstens zu erwägen und in einer anderen
       Regierungskonstellation denkbar zu machen.
       
       [2][Nach dem Beschluss der Großen Koalition] soll das Rentenniveau – also
       das Verhältnis der Durchschnittsrente nach 45 Jahren Arbeit zum
       Durchschnittslohn – bis 2025 auf dem heutigen Stand von 48 Prozent bleiben.
       Aber diese Stabilisierung reicht nicht. Schon heute ist die Rente für viele
       Menschen viel zu niedrig, immer mehr müssen zum Sozialamt.
       
       Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat sich die Zahl der
       RentnerInnen mit einem Minijob zwischen 2003 und 2017 auf mehr als eine
       Million verdoppelt. Nach den Plänen der Regierung bekommen ab 2019 immerhin
       Mütter oder Väter etwas mehr Rente, die vor 1992 geborene Kinder haben.
       
       ## Entlastungen bei Beitragszahlungen
       
       Pro Sohn oder Tochter gibt es einen weiteren halben Rentenpunkt, also
       insgesamt 2,5. Für jüngere Kinder gibt es drei. Ein Rentenpunkt ist derzeit
       im Westen 32,03 Euro wert, im Osten nur 30,69 Euro – diese Ungerechtigkeit
       zu beseitigen, haben SPD und Union wieder einmal versäumt.
       
       Immerhin: Die Große Koalition will Beschäftigte mit niedrigem Einkommen bei
       Beitragszahlungen entlasten. Die Grenze, ab der volle Rentenbeiträge
       gezahlt werden müssen, soll von jetzt 850 Euro auf 1.300 Euro steigen. Das
       bedeutet bis zu 20 Euro im Monat netto mehr für Beschäftigte mit niedrigem
       Einkommen. Das Problem bleibt aber: Die spätere Rente wird nicht zum Leben
       reichen.
       
       Wer wegen Krankheit vorzeitig in Rente geht, soll ab 2019 mehr bekommen.
       Die durchschnittliche Rente für voll Erwerbsunfähige liegt bei 736 Euro,
       also unter der Grundsicherung von 770 Euro. Im Schnitt gibt es künftig 67
       Euro mehr. Doch wer dieses Geld braucht, wird es nicht oder nur teilweise
       bekommen, weil es mit der Grundsicherung verrechnet wird. Die 1,8 Millionen
       Menschen, die heute Erwerbsminderungsrente beziehen, kriegen nicht mehr.
       
       Das Paket der Großen Koalition ist nicht mehr als eine Minikorrektur der
       rot-grünen Rentenreform von 2002. Unter Führung des sozialdemokratischen
       Arbeitsministers Walter Riester beschlossen Grüne und SPD damals, die
       Renten nach und nach zu senken und die private Altersvorsorge mit hohen
       Zuschüssen zu fördern.
       
       ## Zeit für eine Rentenwende
       
       Die Riester-Rente ist gescheitert, private Rentenversicherungen lohnen sich
       angesichts der niedrigen Zinsen für VerbraucherInnen nicht. Rentenlücken
       damit zu füllen ist für Durchschnittsverdiener nicht möglich. Von der
       staatlichen Förderung profitiert vor allem die Versicherungswirtschaft. Der
       Staat sollte die Zuschüsse einstellen und sie genau wie die
       Riester-Verträge in die gesetzliche Alterssicherung stecken.
       
       Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt für eine Rentenwende. Die Rentenkassen
       sind voll wie nie zuvor, die Reserven groß. Andere europäische Länder
       zeigen, was möglich ist: Die Altersvorsorge in der Schweiz, in Skandinavien
       oder in Österreich ist weitaus besser. In Österreich zahlen die
       ArbeitgeberInnen höhere Beiträge als die Beschäftigten – nicht nur für die
       Union, sondern auch für die SPD scheint das undenkbar.
       
       31 Aug 2018
       
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 (DIR) Anja Krüger
       
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