# taz.de -- Kommentar EU und Griechenland: Masters of Desaster
       
       > Man wird es dieser Tage oft hören: Die europäische „Rettungspolitik“ sei
       > eine Erfolgsgeschichte. Ha. Haha. Hahahaha!
       
 (IMG) Bild: Schäuble als Angstmacher im Jahr 2015: „5 Jahre saugt er dein Blut – Jetzt sag NEIN zu ihm“
       
       Sie sind so gewiss und erwartbar, dass wir sie uns auch gleich selbst
       schreiben könnten – die Jubelmeldungen aus den europäischen
       Technokratenstuben, dass die Krise in Griechenland nun zu Ende sei; dass
       das Land jetzt wieder an die Finanzmärkte zurückkehre; dass die verordnete
       Kur ja nun doch Erfolg gehabt hätte, allen Kassandrarufern zum Trotz.
       
       Und gibt es nicht auch sonst genug an Erfolgsmeldungen aus Griechenland?
       Die Arbeitslosigkeit, ja, sie ist immer noch hoch – aber erstmals seit
       Jahren unter die 20-Prozent-Marke gefallen. Die Erwerbsquote steigt wieder
       langsam.
       
       Aber warten wir ab, ob sich das geschundene Land tatsächlich zu akzeptablen
       Bedingungen auf den Finanzmärkten refinanzieren kann; ob die Schuldenlast
       jetzt tatsächlich tragfähig ist. Und selbst, wenn: Eine Erfolgsgeschichte
       wird die „Rettungspolitik“, wie sie von Schäuble, Troika und Co exekutiert
       wurde, nimmermehr. Und im Grunde geben das ja sogar die Verantwortlichen
       heute zu. Sie sagen nur: Es gab damals ja kaum eine andere Möglichkeit.
       
       Fakt ist natürlich: Als die griechische Regierung 2009 eingestand, dass im
       Budget ein astronomisches Finanzloch klaffe, war das nur bedingt eine Folge
       der Finanzkrise. Anders als in Spanien oder Island war es nicht der Kollaps
       der Banken, sondern die Misswirtschaft der vorhergegangenen Regierungen,
       die für die Malaise verantwortlich war. Die Finanzkrise führte dann aber
       dazu, dass Griechenland kaum mehr Kredite bekommen hätte – und quasi
       bankrott gewesen wäre.
       
       Also musste die Eurozone hektisch Rettungsinstrumente für angeschlagene
       Pleitekandidaten basteln, denn auf so ein Szenario war man nicht
       vorbereitet. Das kostete wertvolle Zeit, in der das Land zudem immer tiefer
       in die Krise hineingeredet wurde.
       
       ## Wirtschaft abgewürgt
       
       Heute räumen sogar die Eurozonen-Dirigenten ein, dass es schon damals
       [1][einen scharfen Schuldenschnitt] gebraucht hätte – man einen solchen
       aber nicht gewagt hat, da die Finanzmärkte ohnehin lodernd in Flammen
       standen und man daher einen Dominoeffekt befürchtete.
       
       Dass ein Land mit riesigem Defizit in den laufenden Haushalten bei seinen
       Staatsausgaben den Rotstift ansetzen muss, ist natürlich kaum abzustreiten,
       noch dazu, wenn es, wie Griechenland, nicht auf die Schnelle für mehr
       Steuereinnahmen sorgen kann. Aber die Schocktherapie, mit der die
       griechische Volkswirtschaft kaputtgeschrumpft wurde, war viel zu brutal, um
       irgendwelche effizienten Folgen haben zu können.
       
       Der Sparkurs, der verordnet wurde, machte die Schulden noch drückender, wie
       jeder Kreditnehmer schnell hätte verstehen können: Wenn deine Schulden
       langsam sinken, dein Einkommen sich aber halbiert – dann hast du mehr
       Probleme mit deinen Schulden, nicht weniger.
       
       Nahezu alles, was die Troika und die Eurogruppe Griechenland an Medizin
       verabreichte, war fatal. Klar brauchte das Land Strukturreformen: Aber eine
       Modernisierung der Wirtschaft kriegst du eher schlecht hin, wenn du sie
       abwürgst – und leichter, wenn du investierst. Und die Generationen, die
       jetzt ein nahezu ganzes verlorenes Jahrzehnt hinter sich haben – die holen
       die verlorenen wirtschaftlichen Möglichkeiten nie wieder auf.
       
       Mag man sogar die [2][Privatisierung von Staatseigentum] für unumgänglich
       halten; wenn ein Land hohe Schuldenstände abbauen muss, dann ist erstens
       schon fraglich, ob das denn ökonomisch langfristig so effizient ist (dem
       Staat entgehen ja auch künftige Einnahmen), vor allem aber weiß jedes Kind,
       dass es sehr verrückt ist, inmitten einer globalen Krise fast alles auf den
       Markt zu werfen – dann verfallen nämlich die Preise, und die Erlöse aus den
       Privatisierungen bleiben weit unter den Erwartungen.
       
       ## Chance für Erneuerung
       
       Beinahe im Monatstakt wurden Griechenland aber genau solche Unfug-Rezepte
       verschrieben.
       
       Doch nicht nur in konzeptioneller Hinsicht wurde fast alles falsch gemacht
       – vor allem auch in atmosphärischer. Mit Zutun höchster Kreise wurde eine
       Sprache des „wir gegen sie“ salonfähig: Fleißiger Norden gegen faule
       Südländer. Tüchtige Deutsche versus [3][Pleitegriechen]. Da wurde
       runtergemacht und in Herrenreitermanier gebellt, man möge doch bitte in
       Athen die Hausaufgaben machen. Ein ganzes Land wurde zum Befehlsempfänger
       degradiert. Nun ist ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis immer ein
       Macht-Ohnmacht-Verhältnis, aber gerade deshalb wäre ein wenig
       Fingerspitzengefühl nicht zu viel verlangt gewesen.
       
       Und zu allem Überdruss hat man dann ab 2015 die linke Syriza-Regierung
       nicht als Chance für eine grundlegende Erneuerung des griechischen Filz-
       und Schlendrian-Systems behandelt, sondern hat vom ersten Tag ihres
       Amtsantritts klar gemacht, dass sie der Feind sei, ein Unfall und Irrtum,
       eine Regierung, die so schnell wie möglich wieder verschwinden muss.
       
       Viel mehr falsch hätte man schwer machen können.
       
       20 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
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