# taz.de -- Leichtathletik-EM in Berlin: Stadt statt Stadion
       
       > Heute beginnt die Leichtathletik-Europameisterschaft in Berlin. Um mehr
       > Menschen zu erreichen, gibt es auch Wettkämpfe und Siegerehrungen im
       > öffentlichen Raum.
       
 (IMG) Bild: Blaue Laufbahn an der blauwabigen Kirche: Am Breitscheidplatz sollen alle mitfiebern können
       
       Er ist wieder da. Gefühlte zwei Tage ist es erst her, dass kickende Männer
       nonstop über jeden Späti-Bildschirm flackerten, noch kümmern klägliche
       Reste von Schland-Fanartikeln in den Grabbelkisten der 1-Euro-Shops vor
       sich hin, und jetzt also ist der Sport zurück. Diesmal freilich direkt vor
       unserer Haustür: Bis zum 12. August richtet Berlin die
       Leichtathletik-Europameisterschaft aus. Es ist, das kann man ohne
       Übertreibung sagen, die größte Spitzensportveranstaltung auf Jahre in der
       Stadt. „Die beste EM aller Zeiten“ haben die Veranstalter angekündigt; eine
       großspurige Formulierung, die brav von Athleten wiederholt wurde.
       
       Dass man mit reiner, staubiger Leichtathletik keine drei Cent Gewinn mehr
       macht, hat Berlin früher als andere kapiert und beim Internationalen
       Stadionfest Istaf enorm erfolgreich umgesetzt. Jetzt soll Ähnliches für die
       deutlich längere EM funktionieren: Modern, unterhaltsam, zugänglich soll es
       ab heute werden, mehr Event und Entertainment, wie das Istaf in ganz lang,
       wie die Fanmeile, nur mit Diskuswurf und so. Und wer könnte Staffellauf
       noch vermarkten, wenn nicht Berlin? Die Stadt war zuletzt der einzige
       Bewerber für die wirtschaftlich riskante Großveranstaltung.
       
       Jetzt wird als Publikum auch umgarnt, wer Laufen und Werfen zuletzt bei den
       eigenen Bundesjugendspielen gesehen hat und außer den Diskus werfenden
       Harting-Brüdern keine LeichtathletInnen kennt. Einige Elemente sind
       innovativ, manche werden zumindest als neu verkauft. „Ein Format, wie man
       es so noch nie gesehen hat“, kündigt Cheforganisator Frank Kowalski an.
       
       Vor allem soll die Leichtathletik-EM, ähnlich wie das sehr gut besuchte
       Turnfest 2017, viel stärker als früher in der Stadt verankert werden. Auf
       dem Breitscheidplatz gibt es ein großes Ding namens
       „Sport-Kultur-Entertainment-Arena“ mit Public Viewing für 3.000 Personen,
       die Wettkämpfe werden live übertragen, außerdem gibt es Interviews, Shows
       und 38 Siegerehrungen vor Ort. Das ist ein mutiges Novum. Dass mit dem
       Breitscheidplatz der Ort des Attentats von 2016 gewählt wurde, sorgte für
       Kritik. Die Veranstalter hebelten diese mit einer Art „Gerade
       deshalb“-Argumentation aus, tatsächlich war der Standort schon vor dem
       Attentat geplant.
       
       Auch vom mächtigen Fußball will man gelernt haben. In Anlehnung an die
       Fanmeile wird rund um den Breitscheidplatz eine „Europäische Meile“
       entstehen, die mit Europa allerdings nur sehr bedingt zu tun hat. Es soll
       Infostände zu Sport- und Gesundheitsthemen geben, sportliche
       Mitmachangebote, Vorträge und, na ja, eine tägliche Kochshow. Was sich eben
       so verkauft.
       
       Insgesamt 48 Entscheidungen gibt es an den sechs EM-Tagen, nicht alle davon
       im Stadion: Sechs werden in der Innenstadt ausgetragen, das betrifft wie
       schon bei der Leichtathletik-WM 2009 die Disziplinen Gehen und Marathon,
       außerdem die Kugelstoß-Qualifikation. Damals waren die Gratiswettbewerbe in
       der Innenstadt enorm populär beim Publikum, der Marathon hatte über eine
       Million Zuschauer.
       
       Nicht nach Plan dagegen lief damals der Ticket-Absatz: Mit rund 400.000
       verkauften Karten an neun Tagen wurde zwar ein neuer WM-Rekord aufgestellt,
       das Ziel von 500.000 aber deutlich verfehlt. Diesmal sollen für die sechs
       Tage über 300.000 Tickets weggehen, was bislang funktioniert. Nach Angaben
       der VeranstalterInnen wurden bis Juli bereits 250.000 Tickets für das
       Olympiastadion verkauft.
       
       Auch die Wettkämpfe dort sind folgerichtig modernisiert und gestrafft: Die
       abendlichen Finalkämpfe finden in bekömmlichen Zweieinhalb-Stunden-Sessions
       statt. Laserlinien beim Weitsprung und Dreisprung sollen erstmals
       Orientierung geben, Videoleinwände über Zeitpläne und Zwischenstände
       informieren. Ein DJ und fünf Moderatoren animieren, erklären Wettkämpfe und
       machen lustiges Anklatschen.
       
       Wer danach feststellt, dass er auf den Geschmack gekommen ist, kann sofort
       die nächsten Tickets kaufen: Vom 20. bis 26. August richtet Berlin im
       Jahnsportpark die Para-Leichtathletik-EM aus.
       
       6 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Schwermer
       
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