# taz.de -- Spielfilm über Cowboys: Verwundbarer Mann
       
       > Romantisches Außenseitertum: Der halbdokumentarische Film „The Rider“
       > erzählt von einem Rodeo-Talent, das nach einem Unfall umsatteln muss.
       
 (IMG) Bild: Einzelgänger: Brady Jandreau in „The Rider“
       
       Ein Film, der kein Western ist, aber zu dem das Genre wie die Luft zum
       Atmen gehört. Der US-Filmkritiker A. O. Scott etwa macht in Chloé Zhaos
       „The Rider“ eine unmissverständliche Verbindung zu den Traditionslinien des
       amerikanischen Kinos aus. In der Tat fällt auf, wie die Männer im Zentrum
       des Films immer wieder an ikonischen Orten auftauchen: in der Prärie, am
       Lagerfeuer, in der Bar, bei Gesprächen übers Rodeo, über vergangene und
       kommende Mutproben.
       
       Scott sieht im Film der aufstrebenden Nachwuchsregisseurin junge Reiter,
       die sich zur US-amerikanischen Gegenwart sowohl als Cowboys als auch als
       Indianer positionieren. Einer von ihnen heißt Brady Blackburn. Gespielt
       wird er von Brady Jandreau, der nicht zufällig den gleichen Vornamen trägt.
       Denn Jandreau imitiert sich selbst.
       
       Bei einem Unfall 2016 erleidet das aufstrebende Rodeo-Talent eine schwere
       Kopfverletzung, die seine Karriere abrupt beendet. Der Grund überrascht
       niemanden: Ein Pferd wirft ihn ab und trifft ihn mit dem Huf am Kopf,
       bricht ihm den Schädel. Jandreau überlebt das Koma mit einer Metallplatte
       im Schädel. Doch eine Hand versteift sich seither immer wieder
       unkontrolliert.
       
       Das Reiten auf einem wilden Pferd ist ihm durch die Verletzung und neue
       Verwundbarkeit unmöglich geworden. Denn ein weiterer Fehltritt würde ihn
       endgültig umbringen oder körperlich so schwer lähmen wie seinen alten
       Freund Lane, mit dem er nur noch in der Klinik und über Zeichensprache
       kommunizieren kann.
       
       Zhaos Film beginnt, als die Wunde noch zu sehen ist. Er endet, nachdem
       Jandreau sich einige Monate erholt hat. Ausreichend, um zu reiten und
       wieder Pferde zu trainieren. Doch auch genug, um wieder sein Leben zu
       riskieren? Im Film skizziert er seine persönliche Reise für die Kamera, als
       Selbstporträt und Neuinterpretation durch seine Zwillingsfigur Brady
       Blackburn.
       
       ## Der Kitzel ist vorbei
       
       Es ist ihm anzusehen, wie verwundbar er als Mann ist, der tough sein soll,
       obwohl sich sein einstiger Lebensinhalt als unhaltbar entpuppt hat. Der
       Kitzel ist vorbei. Die Blicke zu Freunden, die allesamt ihre jugendliche
       Verwegenheit feiern, sind sehnsüchtig, irgendwo zwischen Frustration und
       einem noch unerforschten Gleichmut. Immer wieder stacheln sie ihn an, doch
       noch einmal in die Vollen zu gehen: „Man reitet durch den Schmerz.“
       
       Für die Regisseurin ist die Wahl ihres Helden kein Zufall. Zhao kennt
       Jandreau bereits seit den Dreharbeiten zu ihrem Film „Songs My Brothers
       Told Me“ von 2015. Zu der Zeit lebt sie mit im Reservat, lernt reiten und
       recherchiert, hilft immer wieder beim Umgang mit den Tieren. An Jandreaus
       Seite spielen sein Vater Tim (in Verbeugung vor dem Western als „Wayne“
       Blackburn) und seine Schwester Lilly, beide ebenfalls Laien.
       
       Entsprechend erkundet Zhaos halbdokumentarisches Experiment nicht einfach
       einen Protagonisten in erfundener Form, sondern inszeniert gleich dessen
       Familienkonstellation. In der Tat ist die Filmemacherin hier
       offensichtlich eng verbunden mit einer Lebensrealität, sucht nach den
       Regeln des Sprechens und Sich-Verhaltens, den typischen Gesten und den
       untypischen. Nach den Vertrautheiten und Überraschungen.
       
       Und doch, das wird immer wieder klar, basiert hier alles auf einem
       Drehbuch, das klare Konflikte fordert. „The Rider“ ist ein sonderbares
       Mischwesen, fühlt sich realitätsnah an und doch arg reguliert und
       konventionell, mit einem Hang zu ausgestellten Bildern und eindrücklichen
       Stimmungen. Das Arbeiterleben soll verhandelt werden und der Hang eines
       jungen Mannes zum Träumen, seine Hoffnungen auf Wagnis und Heldentum.
       
       In den schwachen Momenten des Films wird die Spielsucht des Vaters wichtig,
       dessen bestimmender Tonfall allerdings auch prägnante Fragen zum Mannsein
       in South Dakota eröffnet. Dann ist da auch die Verbindung der Kultur der
       native Americans zu den Vereinigten Staaten der Gegenwart. Es scheint, als
       erhofften sich die Jungs im Film, auf den Rücken der Pferde über die
       Gegenwart hinweg in eine widerständige, spirituelle Utopie zu reiten. Der
       Ort könnte für eine derartige Aushandlung kaum prägnanter sein. Ihre Heimat
       ist nur zwei Stunden entfernt von den Rushmore-Felsen, in die lange
       verblichene US-amerikanische Präsidenten eingemeißelt sind.
       
       ## Die Tiere lügen nicht
       
       Zhao geht zärtlich um mit dem romantischen Außenseitertum der Männer, die
       noch halbe Buben sind und fast asexuell inszeniert werden. Und ebenso mit
       den Tieren. Gleich die ersten Momente des Films gehören einem Pferd, das im
       Dunkeln steht, sich als Traumwesen entpuppt. Es ist Brady Blackburns Traum.
       Das Tier erscheint übergroß, laut schnaufend, dabei bedrohlich und mit
       riesigen, dunklen Augen.
       
       Schon die Surrealisten liebten die Pferde für ihre gewaltvolle Gegenwart,
       die Anmut und eine störende Unberechenbarkeit miteinander verbindet. Zhao
       sucht die Tiere immer wieder auf und macht sie neben Bradys Körper zum
       sinnlichen Zentrum des Films. Jandreau legt in diesen Begegnungen eine
       seltene Sensibilität und fesselnde Bestimmtheit an den Tag. Seine warme
       Gegenwart vermag es, selbst das wildeste Temperament zu zähmen. Es gibt
       eine magische Anziehung zwischen ihm und Apollo – einem Hengst, der noch
       nie geritten wurde.
       
       Die Tiere lügen nicht. Ebenso wie Jandreaus Schwester. Sie bestätigen sein
       Charisma auf eine Art und Weise, die mit Schauspielerei erfreulich wenig zu
       tun hat und die dokumentarische Ebene des Films immer wieder unterstreicht.
       Doch von dieser Freiheit des Dokumentarischen, die ein Gegengewicht zu
       Zhaos Erzählung bildet, macht die Regisseurin in „The Rider“ zu wenig
       Gebrauch.
       
       So liegt die einzige Ambivalenz des Films im Wissen um seine
       Entstehungsgeschichte. Im Blick, der für diejenigen doppelbödig und
       analytischer wird, die um Brady Jandreaus Spiel mit der eigenen Geschichte
       wissen. Ebenso wie sich der Blick auf amerikanische Freiheitserzählungen
       des Western für diejenigen unweigerlich verändert, die die Fakten kennen.
       Schon seit dem Vietnamkrieg formulieren sich im Spätwestern vorwiegend
       kritische Positionen. Die Ursprünge sind lange vorbei.
       
       18 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dennis Vetter
       
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