# taz.de -- CDU-Vizechefin Klöckner im Interview: „Die Hausordnung kommunizieren“
       
       > Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner über Probleme bei der
       > Integration, Frauenrechte und ihr neues Buch „Nicht verhandelbar“.
       
 (IMG) Bild: „Grundsätzlich ist jeder frei, von sich zu behaupten, Feministin zu sein“ – Julia Klöckner
       
       taz am wochenende: Frau Klöckner, sind Sie Feministin? 
       
       Julia Klöckner: Das kommt auf die Definition an. Für mich heißt Feminismus,
       sich für Frauenrechte einzusetzen. Ich bin Jahrgang 1972 und profitiere von
       den klassischen Feministinnen, die für die Frauen meiner Generation viel
       erkämpft haben.
       
       Auch nach 1972 gab und gibt es vieles, wofür FeministInnen kämpfen,
       Stichworte sexualisierte Gewalt, Gender Pay Gap. 
       
       Ich bin keine aktivistische Feministin. Aber von dem, was die Feministinnen
       erreicht haben, sollten meiner Meinung nach alle Frauen profitieren.
       Momentan werden Doppelstandards bei Frauenrechten geduldet.
       
       Was meinen Sie? 
       
       Wir setzen uns für das Recht auf gleiche Bezahlung ein, für die Frauenquote
       in DAX-Vorständen, für gendergerechte Sprache. Aber wir vergessen die
       Mauerblümchen der Integration. Das sind die Frauen, die nur davon träumen
       können, jemals in den Genuss einer Frauenquote zu kommen, weil sie noch
       nicht einmal ohne die Zustimmung ihres Mannes ihr Leben führen können.
       
       Sie schreiben in Ihrem neuen Buch gegen Vollverschleierung an. Kann eine
       Frau mit Kopftuch keine Feministin sein? 
       
       Auch das ist eine Frage der Definition. Gleichberechtigung heißt für mich,
       dass Frauen nicht weniger wert sind als Männer. Patriarchalisch geprägte
       Männer, die zu uns kommen, bringen ein Frauenbild mit, das ich hier nicht
       akzeptieren will.
       
       Und wenn eine Frau für Feminismus eintritt, aber Wert auf Religionsfreiheit
       legt und deshalb ein Kopftuch trägt? 
       
       Grundsätzlich ist jeder frei, von sich zu behaupten, Feministin zu sein.
       Aber Fragen habe ich dann schon. Wo ist die Gleichberechtigung, wenn eine
       Frau, nur weil sie Frau ist, ihren Kopf bedecken soll, Männer nicht? Was
       ist das für ein Geschlechterbild?
       
       Ist es das, was Sie mit Doppelstandards meinen? In Ihrem Buch schreiben
       Sie, der Diskurs über die Probleme mit muslimischen Männern werde
       unterdrückt. 
       
       Er wird nicht unterdrückt, er wird aber weder gelassen noch sachlich
       geführt. Auch in Deutschland gibt es noch Männer, die nicht zugewandert
       sind und dennoch kein fortschrittliches Frauenbild haben. Denen machen wir
       Druck, und das ist auch gut so. Sogar dumme Sprüche gegenüber Frauen führen
       zu Rücktritten. Deshalb frage ich mich: Wenn hier die Erregung groß ist,
       warum nicht überall?
       
       Wo fehlt sie denn? 
       
       Wenn Männer Frauen die Hand nicht geben, weil sie das falsche Geschlecht
       haben, wenn Mädchen nicht selbst darüber bestimmen dürfen, wen sie
       heiraten, welchen Beruf sie ergreifen – da dürfen wir nicht mit zwei
       Standards messen. Mir ist egal, wo jemand herkommt. Wichtig ist, wo er
       steht, wenn er hier ist. Die Rolle der Frau entscheidet über den
       Integrationserfolg in Deutschland.
       
       Wir würden Ihnen zustimmen, dass Nikab oder Burka nicht für ein
       progressives Frauenbild stehen. Allerdings gibt es kaum Burkaträgerinnen in
       Deutschland. Blasen Sie ein Thema auf, um Emotionen zu bedienen? 
       
       Warum diese Keule? Mir geht es nicht um die Burka, die es selten in
       Deutschland gibt, sondern um die Vollverschleierung, und die gibt es. Es
       ist außerdem zynisch, die Qualität eines Frauenbildes von der Quantität der
       Erscheinung abhängig zu machen. Soll man die Themen Ehrenmorde,
       Zwangsheirat oder Kinderehen auch nicht zum Thema machen, weil sie nicht so
       häufig vorkommen? Das ist nicht Toleranz, das ist Ignoranz.
       
       Haben Sie Zahlen, wie viele vollverschleierte Frauen es bundesweit gibt? 
       
       Ich wüsste nicht, dass es eine Meldestelle dafür gibt. Es gibt ja auch
       keine Meldestelle für Leute, die nackt durch die Fußgängerzone laufen. Und
       trotzdem werden Menschen, die selbstbestimmt nackt durch die Fußgängerzone
       laufen, von der Polizei aufgegriffen. Es geht mir aber auch um das Umfeld
       der Frauen.
       
       Nur macht die Union das nicht zum Thema, um Stimmung gegen Nackte zu machen
       – weil es kein relevantes Phänomen ist. Sie könnten doch auch sagen, es
       gibt jährlich 8.000 angezeigte Vergewaltigungen in Deutschland, die
       Dunkelziffer ist immens. Trotzdem thematisieren Sie das nicht. 
       
       Das ist nicht richtig. Das mache ich.
       
       In zwei Sätzen. Aber 160 Seiten lang geht es um Vollverschleierung und
       muslimische Männer. Stimmt da das Verhältnis? 
       
       Das Verhältnis in der gesellschaftlichen Debatte stimmt nicht. Wir reden
       über gendergerechte Sprache und Frauenquote, aber mit mangelnder Klarheit
       darüber, dass wir keine Machomänner hier dulden, die Frauen diskriminieren.
       Ich greife ein Thema auf, das im Alltag eine Rolle spielt. Ich nehme ernst,
       was mir muslimische Frauen sagen.
       
       Sie öffnen doch, indem Sie das Thema diskutieren, einen Resonanzraum. Und
       es ist klar, was da mitschwingt. 
       
       Was schwingt denn da mit?
       
       Sie blinken nach rechts. 
       
       Die AfD ist genau deshalb groß geworden, weil der Vorwurf sofort kommt, man
       würde Stimmung machen. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man sich, wenn man
       sich als links versteht und für Frauenrechte eintritt, plötzlich an die
       Seite von Machomännern stellen kann. Die Einzigen, die sich über so eine
       Argumentation freuen, sind Fundamentalisten.
       
       Politisch kommt oft wenig raus aus den Debatten um Vollverschleierung.
       Mittlerweile gibt es ein Gesetz, das Richterinnen und Polizistinnen
       Vollverschleierung verbietet. Auch vorher gab es nicht eine
       vollverschleierte Richterin oder Polizistin in Deutschland. 
       
       Debatten zu führen ist auch ein Selbstzweck. Sonst müssten wir kein
       Interview führen. Es muss ja nicht alles in ein Gesetz münden. Trotzdem bin
       ich der Meinung, dass Vollverschleierung komplett verboten gehört. Ich bin
       auch dafür, dass Mädchen am Schwimmunterricht teilnehmen, ohne sich
       komplett zu bedecken. Wo sind die Feministinnen, die immer für Emanzipation
       gekämpft haben?
       
       Möglicherweise würden einige sagen, sie setzten sich vor allem für die
       Selbstbestimmung der Frau ein. Sie würden wahrscheinlich auch sagen, es sei
       besser, das Mädchen nehme im Burkini am Schwimmunterricht teil als gar
       nicht. 
       
       Die Einzigen, die sich über den Burkini freuen, sind der Macho-Vater und
       der Fundamentalist. Die Einzigen, die das ertragen müssen, sind die
       Mädchen.
       
       Und wenn das Mädchen jedes Mal krank ist, wenn Schwimmen auf dem
       Stundenplan steht? 
       
       Es gilt die Schulpflicht. Wir können Kinder doch nicht mit so einem
       Geschlechterbild aufwachsen lassen! Das halte ich für fatal. Kein kleines
       Mädchen sollte in der Schule Kopftuch tragen. Das kann nicht im Sinn von
       Feministinnen sein.
       
       Sie sind Bundesministerin. Was müsste die Politik tun, um die Probleme zu
       beheben, die Sie attestieren? 
       
       Vieles ist in der Zuständigkeit der Länder. Wie können wir Lehrerinnen den
       Rücken stärken? Wie schaffen wir es, dass auch die Frauen durchweg in die
       Integrationskurse kommen und in der Wahrnehmung ihrer Rechte bestärkt
       werden? Wenn ein Asylbewerber nicht bereit ist, Frauenrechte anzuerkennen,
       haben wir mit dem Integrationsgesetz bereits Sanktionsmechanismen – wir
       müssen sie nur anwenden. Wir brauchen zudem Integrationsvereinbarungen,
       in denen wir diese Themen konkret ansprechen. Wer hierher kommt, atmet ja
       nicht gleich unsere Gesetzeskultur ein. Aber wir müssen unsere Hausordnung
       kommunizieren. Wir können keinen akzeptieren, der Frauen drangsaliert.
       
       Wer würde diese Integrationsvereinbarung abschließen? Der Asylbewerber und
       der deutsche Staat? 
       
       Es würde nicht um Bewerber gehen, sondern um diejenigen, die eine
       Bleibeperspektive haben und in die Kommunen verteilt werden. Getroffen
       würde diese Vereinbarung von den Kommunen mit einem anerkannten
       Asylbewerber. Ich finde es unfair, den Leuten einfach ein Grundgesetz in
       die Hand zu drücken – wir müssen ihnen deutlich machen, welche Werte für
       uns wichtig sind und wo wir Konflikte sehen.
       
       Ein anderes Bundesgesetz, das jetzt kommen soll, sind die sogenannten
       Ankerzentren. In denen werden viele Menschen sehr viel Zeit auf sehr engem
       Raum verbringen. In solchen Situationen sind gerade Frauen oft Übergriffen
       ausgesetzt. Sehen Sie da kein Problem? 
       
       Ich sehe erst einmal das Problem, dass es Übergriffe auf Frauen gibt. Keine
       Situation darf zur Rechtfertigung für Übergriffe akzeptiert werden! Wer
       Frauen in solchen Zentren nicht ordentlich behandelt, behandelt sie auch im
       Alltag nicht ordentlich. Alle Männer müssen akzeptieren, dass Frauen kein
       Freiwild sind, sondern Respektspersonen.
       
       2 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patricia Hecht
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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 (DIR) Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
       
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