# taz.de -- Industriespionage auf legalem Weg: Wozu Spitzel? Einfach alles kaufen
       
       > Verfassungsschutzchef Maaßen warnt vor Wirtschaftsspionage: China erwirbt
       > in Deutschland sicherheitsrelevante Unternehmen.
       
 (IMG) Bild: Spionieren auf altmodische Art und Weise ist nicht mehr nötig
       
       BERLIN taz | Wozu überhaupt noch stehlen, wenn man doch alles kaufen kann?
       Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat
       in Berlin vor einem vermeintlich neuen Phänomen der Wirtschaftsspionage
       gewarnt – und China beschuldigt, sich durch gezielte Unternehmensankäufe in
       Deutschland industriepolitische Expertise in sicherheitsrelevanten
       Bereichen anzukaufen.
       
       Auf einer Tagung sagte Maaßen am Montag vor Verfassungsschützern,
       Industrievertretern und Journalisten, seine Behörde habe in den letzten
       Jahren nach den Gründen für vermeintlich rückläufige Spionagetätigkeiten
       Chinas in Deutschland geforscht. Einer der Gründe dafür sei offenbar, dass
       China sich inzwischen Industriegeheimnisse aus Deutschland auf formal
       legalem Wege sichere. „Man braucht keine Spione mehr innerhalb eines
       Unternehmens, wenn man das Unternehmen einfach aufkaufen kann“, sagte
       Maaßen. So würden industrie- und sicherheitspolitisch relevante
       Informationen „ausgeweidet“. „Wir beobachten das mit zunehmender Sorge“, so
       Maaßen.
       
       Als Beispiel nannte der Verfassungsschutzchef den Aufkauf des deutschen
       Robotikunternehmens Kuka, das in Augsburg komplexe Robotiksysteme
       herstellt. Das Unternehmen war bereits an der Elektrifizierung der
       Deutschen Reichsbahn und später an zahlreichen deutschen Rüstungsprojekten
       beteiligt und 2016 von dem chinesischen Haushaltsgeräteherstellers Midea zu
       einem Preis von rund 4,6 Milliarden Euro gekauft worden. Der Konzern hält
       heute 95 Prozent an dem Unternehmen. Maaßen wies darauf hin, dass
       chinesische Unternehmen nach dortigem Recht eine Kooperationspflicht mit
       staatlichen Behörden hätten und diese sich so Zugriff auf deutsche und
       europäische Technologie verschaffen könnten.
       
       Der Kauf hatte bereits damals für Aufsehen gesorgt, weil auch in Teilen der
       Bundesregierung ein industrie- und sicherheitspolitischer Wissenstransfer
       nach China befürchtet wurde. Auch andere Firmen, die etwa im Bereich der
       Industrie 4.0 tätig sind, waren in der Vergangenheit zu stolzen Summen an
       chinesische Unternehmen gegangen.
       
       Dass Maaßen das Thema erneut auf die Tagesordnung setzt, hat politische
       Gründe. Bereits im letzten Jahr hatte er vor strategischen Aufkäufen durch
       chinesische Unternehmen gewarnt – ein Umstand, der in einer in Deutschland
       zelebrierten freien Marktwirtschaft an sich noch keine Besonderheit
       darstellt. Interessant wird die Kombination erst, wo Unternehmertum auf
       nationale Interessen trifft oder sich damit vermischt.
       
       Hinter den Kulissen betreibt Deutschland daher – so wie alle anderen
       Staaten auch – eine industriepolitische Förderung mit strategischen
       Unternehmenskooperationen, um möglichst viel Kontrolle etwa über kritische
       Infrastrukturen und sicherheitsrelevante Wirtschaftsbereiche behalten zu
       können.
       
       Strategische Partner deutscher Sicherheitsbehörden sind dabei zum Beispiel
       das ehemalige Staats- und heutige Privatunternehmen Telekom in Bonn. Die
       Telekom kooperiert etwa mit dem Bundesamt für Sicherheit in der
       Informationstechnik, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem
       Bundesinnenministerium. 2006 hatte ein russischer Mischkonzern den Anlauf
       gemacht, die Telekom mehrheitlich aufzukaufen. Damals schob aber die
       Bundesregierung einen Riegel vor – aus nationalen Interessen und
       Erwägungen. Heute ist die Telekom einer der wichtigsten Partner der
       Bundesregierung, auch um die Netze von Parlamenten und Regierungsbehörden
       in deutscher Hand zu wissen.
       
       Ein weiterer wichtiger Partner für deutsche Sicherheitsbehörden ist das
       Münchner Technikunternehmen Rohde & Schwarz, das als eines der weltweit
       bedeutenden Unternehmen für Funktechnik und damit auch Überwachungstechnik
       gilt.
       
       ## Deutsche Kooperationen
       
       Das Unternehmen produziert beispielsweise sogenannte Imsi-Catcher, mit
       denen sich Telefonate überwachen lassen, ohne dass der Einsatz des
       Überwachungsgeräts für irgendwen erkennbar ist. Allein die Existenz der
       neuen Technologien soll möglichst verschwiegen werden, umso mehr die
       technologischen Details. Für deutsche Sicherheitsbehörden ist es daher von
       Bedeutung, Kontrolle über derlei Technologie und ihre Verwendung zu
       behalten.
       
       Dahinter steckt die Frage, wie und durch welche Mittel Technologie sich
       noch nationalisieren lässt. Was Maaßen indirekt sagt, ist: Alle anderen tun
       es – nur Deutschland steht schlecht da. Das ist auch eine Botschaft an das
       Bundeswirtschaftsministerium, das Direktinvestitionen aus dem Ausland in
       bestimmten Fällen einen Riegel vorschieben könnte.
       
       Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU, war zuvor als
       Kanzleramtschef auch für die Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes
       zuständig.
       
       Ein Projekt, das all diese Fragen berührt, sind die Überlegungen
       Deutschlands und Frankreichs, einen gemeinsamen militärischen Kampfflieger
       zu entwickeln. Das gilt zwar als ein politisches Hochrisikoprojekt und
       würde über Jahre etliche Milliarden Steuergelder schlucken – wäre aber eine
       staatliche Strukturinvestition in zahlreiche sicherheitsrelevante Bereiche
       und Firmen in Deutschland und Frankreich.
       
       12 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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