# taz.de -- Die Wahrheit: Blau und gold statt rosa
       
       > Wie der Enzian so blau, blau, blau: Einige Briten haben sich gerade sehr,
       > geht es um Farbe und Wichtigkeit ihrer Reisepässe.
       
 (IMG) Bild: Ein Stadtteil für den Verbleib in der EU: das afrikanisch-karibisch geprägte Brixton in London
       
       Wenn die nationale Identität von der Farbe des Reisepasses abhängt, sitzt
       das betreffende Land in der Patsche. Die britische Premierministerin
       Theresa May sagte, die Abkehr von den burgunderroten Pässen der
       Europäischen Union sei ein „Ausdruck der Unabhängigkeit und
       Eigenständigkeit“, der „die Staatsangehörigkeit einer stolzen, großen
       Nation“ widerspiegele.
       
       Nach dem Brexit im kommenden Frühjahr werden Großbritanniens Pässe blau und
       gold sein, wie sie es bis 1988 waren. Damals waren sie größer als der
       EU-Pass, doch das ist nicht mehr erlaubt. Die Größe ist von den Vereinten
       Nationen vorgeschrieben, da Pässe maschinenlesbar sein und in die
       Lesegeräte passen müssen.
       
       Der Jubel über die Aussicht auf das blau-goldne Dokument war bei den
       Brexit-Befürwortern so groß, als ob man gerade die Schlacht von Trafalgar
       gewonnen hätte. Brandon Lewis, Staatssekretär im Innenministerium,
       frohlockte, dass man endlich die nationale Identität wiederfinden könne:
       „Eine Ikone des Britischseins ist es, einen britischen Pass zu haben.“
       Rechtsaußen Nigel Farage findet, dass eine Nation ohne dieses Symbol gar
       nicht existiere. Was man in ein Reisedokument alles hineininterpretieren
       kann.
       
       Andrew Rosindell, Vorsitzender des Unterhausausschusses für Flaggen und
       Wappen, sagte: „Die Demütigung eines rosafarbenen Passes ist bald vorbei,
       und die Bürger des Vereinigten Königreichs können aufgrund ihrer
       Nationalität endlich wieder stolz und selbstbewusst sein, wie es Schweizer
       und Amerikaner sind.“ Hoffentlich verwechselt der offenbar farbenblinde
       Rosindell bloß nicht die Flaggen von Russland und Frankreich. Am Ende
       werden dann womöglich französische Diplomaten ausgewiesen.
       
       Das wäre fatal, denn in diesem Fall stünden die Briten ohne Pässe da. Der
       Auftrag im Wert von 490 Millionen Pfund für ihre Herstellung geht nämlich
       an eine französische Firma. Der Jubel der Brexit-Fans wich deshalb ziemlich
       schnell dem Entsetzen. Rosindell sagte, wenn der britische Pass nicht in
       einer britischen Fabrik von britischen Arbeitern hergestellt werde, sei der
       Zweck verfehlt, die britische Identität zu stärken.“
       
       Dabei hätten die Briten jederzeit einen blauen Pass haben können, das
       Burgunderrot ist keineswegs von der EU vorgeschrieben. Kroatien etwa hat
       einen blauen Pass. Hätte die Regierung in London rechtzeitig den blauen
       Pass wieder eingeführt, wäre das Brexit-Referendum vielleicht anders
       ausgegangen.
       
       Aber auch der blaue Pass ist keineswegs traditionell britisch. Der
       Völkerbund hatte ihn 1920 durchgesetzt. Bis dahin hatte man lediglich eine
       gefaltete Karte als Identitätsnachweis. Wollte man die wieder einführen,
       müssten die Briten fortan zu Hause bleiben, denn kein Land würde ein
       solches Dokument anerkennen. Aber sie leben ja angeblich im besten Land der
       Welt, wie es ihnen die Politiker trotz Obdachlosigkeit und marodem
       Gesundheitssystem immer wieder weismachen. Wozu also wegfahren?
       
       9 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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