# taz.de -- Diesel weg, Nahverkehr her: Die Wien-Idee
       
       > Bus und Tram umsonst in Deutschland? Ein Blick gen Österreich zeigt: Das
       > reicht nicht. So sieht das auch Heinrich Strößenreuther.
       
 (IMG) Bild: Heuer schnell und dazu noch relativ günstig: der ÖPNV in Österreichs Hauptstadt
       
       Heinrich Strößenreuther [1][hat eine Petition aufgesetzt]. Das allein wäre
       keine Nachricht, es gibt Hunderte davon. Aber: Wenn Strößenreuther eine
       aufsetzt, kann das für die Politik ganz schön lästig werden.
       
       Der Berliner Verkehrsexperte fordert, die Steuervergünstigungen für die
       über 12 Millionen Dieselfahrzeuge in Deutschland abzuschaffen und die 8
       Milliarden Euro, die das spart, [2][in Busse und Bahnen in Deutschland zu
       investieren]. Genau genommen soll der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV)
       für alle dann nur noch einen Euro am Tag kosten. Simple Botschaft: Diesel
       doof, Bus gut.
       
       In Berlin war Strößenreuther der Kopf des Volksentscheids Fahrrad – und hat
       so viel Druck auf die Politik ausgeübt, dass die Stadt ihre Fahrradwege
       jetzt endlich stark ausbauen will. Nun will er „die Bewegung aufnehmen, die
       der Bund mit seinem Vorschlag ausgelöst hat“.
       
       Ausgelöst hatten die „Bewegung“ ausgerechnet Umweltministerin Barbara
       Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und
       Finanzminister Peter Altmaier (CDU). Seit Jahrzehnten reißt Deutschland
       in vielen Städten die laut EU zulässigen Stickoxidgrenzwerte – deshalb
       droht der Bundesregierung nun eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
       Nun schrieben die Minister der EU-Kommission, [3][man solle den Nahverkehr
       gratis anbieten], um die dieselverseuchte Luft endlich sauberer zu
       bekommen. Zunächst soll es einen Versuch in fünf Modellstädten geben.
       
       [4][Doch so richtig will die Idee nicht zünden.] Der Deutsche Städte- und
       Gemeindebund sprach von einem „frommen Wunsch“, selbst der ökologisch
       gesinnte Verkehrsclub Deutschland sagt, [5][kostenloser Nahverkehr sei
       „nicht realistisch“], Busse und Bahnen wären sowieso längst heillos
       überfüllt.
       
       ## Konsequenter Ausbau des Nahverkehrs nötig
       
       Ähnlich sieht das auch Strößenreuther. Er will aber verhindern, dass die
       Diskussion verpufft. „Deshalb will ich eine Idee weiterentwickeln, die
       woanders längst funktioniert.“ Die Rede ist vom Wiener Modell – 1 Euro am
       Tag für den Nahverkehr. Die österreichische Hauptstadt senkte 2012 den
       Preis einer Jahreskarte für den ÖPNV von 449 Euro auf 365 Euro. Eigentlich
       hätte das ein Loch in die Kasse der Bahn reißen müssen.
       
       Doch: Die Stadt verkaufte 2017 780.000 Jahreskarten, mehr als doppelt so
       viele wie 2011. Die Zahl der Fahrgäste stieg um fast 100 Millionen auf 962
       Millionen im Jahr. Die Erlöse aus dem Fahrkartenverkauf sind sogar
       gestiegen: Von 458 Euro 2011 auf heute 503 Millionen. Damals wie heute
       deckt der ÖPNV in Wien rund 60 Prozent seiner Kosten selbst. Und die Zahl
       der Autos hat zwar zugenommen – allerdings ist Wien auch eine der am
       schnellsten wachsenden Metropolen Europas. Heute gibt es pro Einwohner
       weniger Pkws als im Jahr 2012.
       
       Der Verkehrsbetrieb „Wiener Linien“ warnt aber davor, die Attraktivität des
       ÖPNV nur am Preis zu messen. „Wenn Sie 10 Minuten auf eine U-Bahn warten
       müssen und die dann übervoll und verdreckt ist, dann bringt es auch nichts,
       wenn man umsonst fährt“, sagt ein Sprecher der taz. Wien baut deshalb
       seinen Nahverkehr seit Jahrzehnten konsequent aus. „Bei uns schaut niemand
       auf den Fahrplan, die U-Bahnen kommen in den Stoßzeiten alle drei Minuten“,
       so der Sprecher.
       
       Noch radikaler waren vor einigen Jahren Pläne von Grünen, Linken und
       Piraten zur Einführung eines „Bürgertickets“ in Berlin. Der Plan: Eine Art
       Nahverkehrsabgabe ähnlich den Rundfunkgebühren für alle Berliner in Höhe
       von 15 Euro; Pendler sollten insgesamt 55 Euro zahlen – statt 80 Euro für
       ein Monatsticket wie jetzt. Auch dieser Ansatz sollte Kunden vom Auto in
       Richtung Bus und Bahn weglenken – und die Stadtluft reiner machen.
       
       16 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.change.org/p/1-euro-petition-f%C3%BCr-nur-einen-euro-pro-tag-bus-bahn-in-jeder-deutschen-stadt-fahren
 (DIR) [2] /Kostenloser-Nahverkehr/!5482417
 (DIR) [3] /Regierung-erwaegt-kostenlosen-OePNV/!5481464
 (DIR) [4] /Kommentar-kostenloser-Nahverkehr/!5482371
 (DIR) [5] /VCD-Chef-ueber-Nulltarif-im-Nahverkehr/!5482416
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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