# taz.de -- Britische Galerie hängt Kunstwerk ab: Frauenbilder ändern sich
       
       > Die Frau als passive Muse des Künstlers: Was früher für normal gehalten
       > wurde, erscheint heute bizarr. Ist das noch Kunst oder kann das weg?
       
 (IMG) Bild: Passiv und dekorativ? Das Frauenbild des 17. Jahrhunderts darf ruhig aus den Köpfen verschwinden
       
       Frauen, die von Männern begehrt werden. Frauen, die sich nackt auf
       Sitzmöbeln räkeln. Frauen, die entweder als Verführerinnen dargestellt
       werden, oder völlig passiv sind. Welchen Stellenwert und welche Rolle
       Frauen in der Vergangenheit hatten, zeigt sich ganz besonders in Kunst und
       Literatur. Ältere Werke widersprechen häufig den im 20. und 21. Jahrhundert
       errungenen Fortschritten in Sachen Gleichberechtigung.
       
       In den vergangenen Wochen ist in Deutschland ein Streit darüber entbrannt,
       welches Frauenbild die Gesellschaft heute erträgt. Das Gedicht „Avenidas“
       von Eugen Gomringer soll [1][künftig nicht mehr an der Fassade der
       Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf stehen]. Das Gedicht aus dem
       Jahr 1951 beschreibt in nur sechs Worten in verschiedenen Kombinationen
       eine Szene, in der ein Mann Alleen, Blumen und Frauen bewundert.
       
       „Dieses Gedicht reproduziert nicht nur eine klassische patriarchale
       Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die
       männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren, es erinnert zudem
       unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt
       sind“, hieß es in der Erklärung des Asta der Alice-Salomon-Hochschule.
       
       Eine ähnliche Debatte wird nun auch in Großbritannien geführt. Die
       Manchester Art Gallery hat ein Gemälde aus dem 19. Jahrhundert wegen der
       Darstellung von Frauen vorübergehend aus ihrer Ausstellung entfernt.
       [2][„Hylas und die Nymphen“ von John William Waterhouse] zeigt einen in
       Tuch gekleideten jungen Mann, der von sieben nackten jungen Frauen in von
       Seerosen bedecktes Wasser gezogen wird.
       
       „Diese Galerie präsentiert den weiblichen Körper als entweder
       ‚passiv-dekorativ‘ oder als ‚femme fatale‘. Lasst uns diese viktorianische
       Fantasie herausfordern!“, [3][heißt es in der Erklärung der Galerie zu der
       Aktion]. Das Abhängen sei Teil einer eigenständigen Kunst-Performance im
       Rahmen einer Ausstellung von Sonia Boyce und teilweise von den derzeitigen
       Debatten über Sexismus inspiriert gewesen – etwa unter dem Schlagwort
       [4][#MeToo].
       
       ## Zensur in der Kunst?
       
       An der Stelle, an der das Gemälde hing, sollen Museumsbesucher jetzt ihre
       Diskussionsbeiträge auf kleinen Zetteln an die Wand pinnen. Auch auf der
       Webseite der Galerie kann man sich zu der Aktion äußern. Auf Twitter läuft
       eine Diskussion unter dem Hashtag [5][#MAGSoniaBoyce].
       
       Die Debatte dreht sich hauptsächlich um Zensur in der Kunst. Darf man
       Kunstwerke einfach entfernen, weil sie nicht mehr dem Zeitgeist
       entsprechen? Ist es nicht offensichtlich, dass Frauen heutzutage anders
       betrachtet werden? Andererseits: Ist es wirklich Zensur, wenn nicht der
       Staat die Kunstfreiheit einschränkt, sondern eine Galerie sich für eine
       Kunstperformance dazu entscheidet, ein einzelnes Gemälde abzuhängen?
       
       Vielleicht hätte es für den Anstoß zur Debatte ein besseres Mittel geben
       können als das Entfernen eines Kunstwerks. Aber die Aktion hat einiges
       bewirkt: Ein Gegenüberstellen von älteren Gemälden mit modernen,
       feministischen Werken zum Beispiel hätte der Debatte nicht halb so viel
       Aufwind gegeben. Manchmal benötigt es eben drastische Maßnahmen, um auf
       eine fehlende Auseinandersetzung hinzuweisen.
       
       Das Bild soll nach dem Ende der Ausstellung von Sonia Boyce wieder zurück
       an die alte Stelle gehängt werden. Bis dahin ist aber noch viel Raum und
       Zeit, um über ein modernes Frauenbild nachzudenken.
       
       2 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Streit-um-Gedicht-an-Hochschulfassade/!5476081
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Waterhouse_Hylas_and_the_Nymphs_Manchester_Art_Gallery_1896.15.jpg
 (DIR) [3] http://manchesterartgallery.org/blog/presenting-the-female-body-challenging-a-victorian-fantasy/
 (DIR) [4] /!t5455381/
 (DIR) [5] https://twitter.com/hashtag/MAGSoniaBoyce?src=hash
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Belinda Grasnick
       
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