# taz.de -- Wissenschaftler warnen vor CO2-Technik: Keine Wunderlösung fürs Klima
       
       > Der EU-Wissenschaftsbeirat warnt in der Klimadebatte vor unerprobten
       > technischen Lösungen. Stattdessen sollte Kohlendioxid reduziert werden.
       
 (IMG) Bild: Technik wird nicht die Rettung sein: Die CO2-Aufbereitungsanlage eines Vattenfallkraftwerks in Brandenburg
       
       Berlin taz | Die „kollektive Stimme der europäischen Wissenschaft“ hat die
       EU dringend davor gewarnt, in der Klimapolitik vor allem auf angebliche
       technische Lösungen zu setzen. Diese Techniken, um das Klimagas
       Kohlendioxid (CO2) aus der Luft zu entfernen, böten nur „ein begrenztes
       realistisches Potenzial“, das „nicht im erforderlichen Umfang zur Verfügung
       steht, um unzureichenden Klimaschutz auszugleichen“, heißt es in einem
       jetzt vorgelegten [1][Bericht des Wissenschaftlichen Beirats der
       Europäischen Akademien (EASAC)]. Um die Ziele des Pariser Abkommens zu
       erreichen, sollte Europa sich „darauf konzentrieren, schnell seine
       Emissionen zu senken“ – und nicht von einer angeblichen „technischen
       Wunderlösung“ träumen.
       
       EASAC ist der Dachverband der Wissenschaftsakademien der EU-Staaten. Das
       Gremium versteht sich als „Ratgeber für die europäischen Politikgestalter“.
       Eine EASAC-Arbeitsgruppe hat nun die Literatur gesichtet, die sich mit den
       Techniken beschäftigt, die CO2 aus der Luft filtern und speichern. Die
       Wissenschaftler schlagen vor, die Forschung auf allen diesen Feldern zu
       intensivieren – aber vor allem die CO2-Emissionen schnell zu senken.
       
       Der Report kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Denn in den nächsten
       Monaten entscheidet die EU über ihre künftige Energie- und Klimapolitik. In
       Brüssel beginnen jetzt die Deals zwischen Parlament und EU-Staaten über die
       Details des energiepolitischen „Winterpakets“; vor der UN-Klimapolitik im
       polnischen Kattowice im Dezember debattieren alle Staaten darüber, welche
       Regeln im Klimaschutz ab 2020 gelten sollen.
       
       Und praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit hat letzte Woche die
       EU-Kommission den polnischen – und auch den deutschen – Vorschlag für eine
       „Kapazitätsreserve“ für Kohlekraftwerke gebilligt, die faktisch die
       Subventionen für die Kohlenutzung für die kommenden Jahre festschreiben.
       Vor diesem Hintergrund mahnen die Wissenschaftler der EASAC, die EU müsse
       an ihren Klimazielen festhalten.
       
       „Es gibt die Tendenz zu denken, das Klimaproblem sei gelöst, und irgendwie
       werde die Technik die Rettung bringen“, schreibt EASAC-Präsident Thierry
       Courvoisier. Aber sehr viele Rechenmodelle des UN-Klimarats IPCC, die das
       1,5- oder 2-Grad-Ziel noch als erreichbar beschreiben, setzten auf
       unerprobte Techniken, um CO2 einzufangen. Solche „hypothetische Technologie
       in ein Computermodell zu packen“ sei aber etwas ganz anderes als
       „Forschung, Entwicklung, Bau und Betrieb solcher Techniken im globalen
       Maßstab“, kritisiert Courvoisier.
       
       ## „Rennen gegen die Zeit“ beim Klimaschutz
       
       Weil die Techniken unerprobt und möglicherweise teuer seien und weil
       mögliche Schäden für Ökosysteme an Land und in den Meeren nicht klar seien,
       müssten diese Szenarien mit großer Vorsicht behandelt werden. Die
       EASAC-Experten listen ihre Bedenken auf:
       
       Aufforstung: Sie binde zwar CO2, brauche aber riesige Flächen und
       konkurriere mit der Landwirtschaft.
       
       CCS: Die Abscheidung und Speicherung von CO2 sei EU-weit umstritten,
       bislang nicht profitabel und durch die Politik unterfinanziert.
       
       Biolandwirtschaft: Die können, ebenso wie verbesserte Agrartechnik, zwar
       CO2 im Boden binden. Der Effekt könne aber bei Umstellung der Bearbeitung
       schnell wieder vergehen.
       
       BECCS: Die Verbrennung von Biomasse in Kraftwerken mit CO2-Abscheidung
       erzeugt Strom ohne zusätzliches CO2, führe aber zur Flächenkonkurrenz und
       Protesten, wie bei CCS.
       
       Umwandlung von CO2 in Gestein: Auch die Technik stecke noch in den
       Kinderschuhen, ebenso wie die teure und komplizierte Filterung von CO2 aus
       der Luft.
       
       Düngung der Ozeane: Mit Eisen soll das Algenwachstum angeregt werden, was
       wiederum CO2 binden soll. Doch das sei unerprobt und riskant wegen
       möglicher Auswirkungen auf die Ökosysteme.
       
       Die Wissenschaft empfiehlt, dass die EU vor allem ihre CO2-Emissionen rasch
       senken soll. Zweitens müssten der CO2-Speicher in Böden und Forsten
       weltweit erhalten werden, Wälder also besser geschützt werden. Erst dann
       sollten die technischen und ökonomischen Probleme bei CCS gelöst werden.
       Diese vor allem bei Umweltschützern umstrittene Technik sei dennoch
       wichtig, schreiben die Forscher. Der Klimaschutz sei ein „Rennen gegen die
       Zeit“, bei dem „die Menschheit alle möglichen Werkzeuge brauchen wird, um
       die Erwärmung zu begrenzen“.
       
       11 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://easac.eu/news/details/climate-change-wont-be-solved-by-removing-excess-co2-from-atmosphere/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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