# taz.de -- taz-adventskalender (22): „Ich wollte immer Großes bewegen“
       
       > Die taz präsentiert BerlinerInnen, die für etwas brennen. Hinter Türchen
       > 22: Raphael Fellmer, Mitgründer des Ladens für gerettete Lebensmittel
       > SirPlus.
       
 (IMG) Bild: Hält auch ewig: Weihnachtsstollen
       
       Schon im Schulalter kümmerte ich mich um Soziales und Nachhaltiges. Als
       Kind konnte ich nicht verstehen, dass wir Mitmenschen haben, die an Hunger
       sterben. Damals wusste ich natürlich noch nichts von der
       Lebensmittelverschwendung, hab aber immer zu hören bekommen, „ja auch schön
       aufzuessen, weil andere nicht so viel haben“.
       
       Ich wollte schon immer etwas Großes bewegen. Ich möchte dazu beitragen,
       dass es den Menschen, vor allem denen, die hungern, besser geht.
       Dementsprechend wollte ich erst Millionär werden, weil ich dachte, da kann
       ich am meisten ausrichten. Eine weitere Idee war die Entwicklungshilfe.
       Aber auch da läuft nicht alles so dufte. Dann wollte ich Politiker werden.
       Und am Ende gründete ich eine NGO.
       
       Lebensmittelverschwendung und die allgemeine Ressourcenverschwendung ist
       seit 2009 mein Thema. Nach einer geldfreien Reise nach Mexiko bin ich in
       den Geldstreik getreten und lebte sehr radikal und dogmatisch, um zu
       zeigen, dass man in dieser Gesellschaft auch ganz ohne Geld leben kann.
       Dadurch wurde ich bekannt – genau das wollte ich ja erreichen: meine Themen
       platzieren und damit die Leute zum Nachdenken bewegen, achtsamer mit
       Lebensmitteln umzugehen und vielleicht öfter auf ihr Herz zu hören.
       
       Drei Jahre lang holte ich meine Lebensmittel aus Containern. Meine erste
       Kooperation stellte ich 2012 mit einer Filiale der Bio-Company auf die
       Beine, das war der Beginn der Lebensmittelretten-Bewegung. Wir durften
       überschüssige Lebensmittel, bevor sie in die Tonne wandern, abholen und
       weiterverteilen oder selbst genießen. Ich habe das organisiert, weil ich
       das Containern legalisieren wollte. Eine Win-win-Situation: Alle haben was
       davon, und die Betriebe sparen Entsorgungskosten.
       
       ## Und jeder ist willkommen
       
       2016 hörte ich mit dem Leben ohne Geld auf. Das hatte einen einfachen
       Grund: Meine Familie, wir hatten inzwischen zwei Kinder, hatten keine
       kostenfreie Bleibe für uns gefunden. Das war spannend, wieder mit Geld zu
       leben. Aber wie sollte ich welches verdienen? So entstand die Idee, das
       Lebensmittelretten weltweit zu organisieren und zum Mainstream zu machen.
       Zusammen mit meinem Freund Martin Schott habe ich SirPlus gegründet.
       
       Am Anfang war die Idee, eine Plattform einzurichten, wo sich Initiativen
       aus dem Nonprofit-Sektor, die mit überschüssigen Lebensmitteln arbeiten,
       effizient organisieren und mit Betrieben kooperieren können. Von unserem
       dritten Mitgründer Alexander Piutti kam dann die Idee eines digitalen
       Marktplatzes für Handel, Industrie und Bauern. Für NGOs ist die Teilnahme
       kostenlos, von anderen nehmen wir eine kleine Provision. 20 Prozent unserer
       geretteten Lebensmittel spenden wir. Alles andere verkaufen wir im Laden
       bis zu 70 Prozent billiger – und jeder ist willkommen!
       
       Wir wollen das Thema in der Mitte der Gesellschaft platzieren. Darum
       befindet sich der Laden in der Wilmersdorfer Straße, einer der
       frequentiertesten Fußgängerpassagen. Wir bezahlen nur Nebenkosten, der
       Vermieter war sehr angetan von unserer Sache, sodass wir keine Miete zahlen
       müssen. Und die Kunden sind happy. Viele fragen: „Wann macht ihr den
       nächsten Laden auf?“ Wir sind schon auf der Suche nach dem nächsten
       Standort, der 300 Quadratmeter groß sein soll. Der Laden war ein richtiger
       Schritt. Jetzt folgt der nächste: der Lieferservice. Ab Januar steht der
       Onlineshop, dann auch mit einzelnen Produkten.
       
       Wir wollen das Bewusstsein schaffen, dass Lebensmittel auch nach dem
       Mindesthaltbarkeitsdatum noch genießbar sind, und die Leute anregen, ihren
       eigenen Sinnen zu vertrauen. Wir wollen, dass die Leute auch zu Hause
       wertschätzender mit Lebensmitteln umgehen, einfach riechen und schmecken,
       ob die Ware noch gut ist und nicht nur aufs Datum schauen.
       
       Protokoll: Andreas Hergeth
       
       22 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hergeth
       
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