# taz.de -- Frauen und Cannabis: Netzwerken gegen das Patriarchat
       
       > Frauenpower in der Hanfbranche: Unternehmerinnen wollen weg vom trägen
       > Kiffer-Image und machen die Szene vielfältiger.
       
 (IMG) Bild: Kiffende Frauen sind immer noch ein seltener Anblick in der Öffentlichkeit – wie hier auf einer Demonstration zur Cannabis-Legalisierung in London
       
       Berlin taz | Im lichtdurchfluteten Dachgeschoss eines Ärztehauses in
       Friedrichshain steht Cannabis immer auf der Tagesordnung. Doch wer hier
       Rausch und Realitätsflucht sucht, ist fehl am Platz: Bei dem
       Medienunternehmen sens.media wird Cannabis als Gesundheits- und
       Lifestyleprodukt vermarktet. Ganz und gar nicht in Jamaika-Optik, sondern
       hochprofessionell. „Wir wollen von dem klassischen Bild der Kiffer
       wegkommen, die nur auf dem Sofa hocken und einen durchziehen“, erklärt die
       Geschäftsführerin Janika Takats. Dafür muss die Industrie vor allem auch
       eins werden: weiblicher.
       
       Bisher ist der stereotype Klischeekiffer aus Spartenfilmen wie „Ananans
       Express“ oder „Lammbock“ zwangsläufig ein Mann. „Auf Hanfmessen, in
       Hanfvereinen, in den Unternehmen, überall sind vor allem Männer präsent“,
       beschreibt Takats die aktuelle Situation. „Konsumentinnen oder
       Cannabis-Patientinnen sieht man kaum.“ Laut verschiedener [1][Studien]
       konsumieren Männer durchschnittlich öfter und mehr Cannabis als Frauen.
       Aber das erklärt nicht das Fehlen von weiblichen Gesichtern in der Sparte –
       wie zum Beispiel beim Deutschen Hanfverband: In dessen Social-Media-Kanälen
       sind deutlich über 80 Prozent der kommentierenden Nutzer männlich.
       
       Das kann so nicht bleiben, dachte sich Takats, und gründete CannaFem, das
       erste deutsche Business-Netzwerk explizit für Frauen. Frauen, die in
       unterschiedlichen Bereichen mit legalem Cannabis zu tun haben, sei es in
       der Medizin, als Rohstoff für Nahrungsmittel, Kleidung, Kosmetika, oder
       Paraphenalia.
       
       Einmal im Monat trifft sich die Gruppe von 15 bis 20 Engagierten. Von der
       Legalisierungsaktivistin bis zur Cannabis verschreibenden Ärztin ist alles
       dabei. Es werden Erfahrungen ausgetauscht, Kontakte geknüpft und auch die
       ein oder andere neue Geschäftsidee entwickelt. Netzwerktreffen in anderen
       europäischen Städten sind geplant, um die Szene auch über die Grenzen
       hinaus zu verbinden.
       
       Die deutsche Hanfbranche ist im Umbruch 
       
       Seit im März 2017 nach langem Kampf [2][medizinisches Cannabis legalisiert]
       wurde, hat sich einiges getan. Ärzte können es verschreiben, es kann legal
       angebaut werden. „Medizin ist das Thema, womit man zur Zeit überall offene
       Türen einrennt. In Deutschland entwickelt sich gerade eine
       Multimillionenindustrie“, erklärt der stellvertretender Geschäftsführer des
       Deutschen Hanfverbandes Florian Rister.
       
       Was jetzt in Deutschland passiert, findet in den USA bereits seit einigen
       Jahren statt. Medizinisches Cannabis ist in 29 der 50 US-Bundesstaaten
       legal, in acht weiteren wurde 2016 sogar der Genusskonsum legalisiert. Die
       Branche boomt. Wirtschaftsprognosen sprechen von einem Anstieg des
       Marktanteils von 2,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 auf geschätzte 11,2
       Milliarden im Jahr 2020. Das Rechercheunternehmen Arcview bezeichnet
       Cannabis sogar als „die vielleicht am schnellsten wachsende Industrie der
       Welt“.
       
       Betrachtet man die USA als Blaupause für die deutsche Cannabis-Industrie,
       dann zeichnet sich noch mehr ab: Dort ändert sich die Industrie rasant, die
       neuen Chef*innen sind zu einem großen Teil weiblich, die Vermarktung der
       Produkte wird schicker, smarter und ist jetzt schon meilenweit entfernt vom
       Schmuddelimage der klassischen Headshop-Ästhetik. [3][Cannabis wird zum
       Lifestyle-Produkt], womit sich auch dynamische Jungunternehmerinnen
       identifizieren.
       
       Takats findet einen solchen Imagewandel auch für Deutschland sehr
       wünschenswert. Als Chefredakteurin des eigens gegründeten Cannabis-Magazins
       [4][in.fused] folgt sie dieser Idee mit einem klar formulierten Ziel: Die
       vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten einer der ältesten Nutz- und
       Rauschpflanzen der Menschheitsgeschichte wieder ins Bewusstsein der
       Öffentlichkeit zu bringen. Denn objektive Informationen über die
       medizinischen Nutzungsmöglichkeiten sind rar. Unter der Überschrift
       „Gesundheit.Lifestyle.Cannabis“ findet man bei in.fused neben medizinischen
       Informationen auch Diskussionen mit selbsternannten Cannabis-Philosophen,
       Porträts der neuesten Vaporisatoren (will heißen: Verdampfer), und in Szene
       gesetzte Hanfrezepte.
       
       Cannabis-Vermarktung mit politischen Implikationen? 
       
       Nach wie vor sind Patient*innen, die medizinisches Cannabis nutzen, oft von
       Stigmatisierung betroffen. Nur wenige Ärzt*innen verschreiben
       Cannabisprodukte, immer wieder müssen sich Betroffene vor der Polizei
       verantworten, wenn sie im öffentlichen Raum die verschriebenen Produkte
       konsumieren. Hinzu kommt eine sehr geschlechtspezifische Komponente:
       „Sobald Frauen irgendwelche berauschenden Substanzen konsumieren, wird Frau
       schiefer angeguckt als Mann“, sagt Rister vom Deutschen Hanfverband.
       
       Vor allem Mütter treffe die Stigmatisierung gleich zweifach, selbst wenn es
       sich um medizinisches Cannabis handelt. Dabei sind bestimmte
       frauenspezifische Nutzungsweisen von Cannabis kaum bekannt. Ein Beispiel
       ist die Nutzung von medizinischem Cannabis gegen Menstruationskrämpfe und
       als Alternative zu Schmerzmitteln.
       
       Ob als frauenspezifisches Wirtschaftsnetzwerk oder per
       Cannabis-Lifestyle-Magazin: Die Cannabis-Industrie wird vielfältiger, was
       an sich ein Grund zur Freude sein kann. Ob nun in Deutschland ein
       Imagewandel nach amerikanischen Vorbild vonstatten geht, muss sich noch
       zeigen. Dass die Pflanze in diesem Kontext zunehmend auch als Wellness- und
       Lifestyleprodukt vermarktet wird, wertet sicherlich ihr Image auf. Vor
       allem aber eröffnet es den Zugang zu einer kaufkräftigen
       Konsument*innengruppe.
       
       24 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.drugandalcoholdependence.com/article/S0376-8716(16)30994-2/pdf
 (DIR) [2] /Cannabis-im-Berliner-Apothekenverkauf/!5432791
 (DIR) [3] /Cannabis-Magazin-in-den-USA/!5465717
 (DIR) [4] /Cannabis-Magazin-infused/!5417170
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gundula Haage
       
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