# taz.de -- Weser-Kurier vs. Redakteure: Tarifstreit geht in die nächste Instanz
       
       > Der Verlag des Weser-Kuriers liegt vor dem Arbeitsgericht mit Redakteuren
       > im Streit, weil er ihnen seit 2016 keine tariflichen Lohnerhöhungen mehr
       > zahlt
       
 (IMG) Bild: Ist 2005 aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten: Der Weser-Kurier
       
       BREMEN | taz Mehr als 50 altgediente Redakteure des Weser-Kuriers liegen
       derzeit vor dem Arbeitsgericht im Streit mit ihrem Verlag. Es geht darum,
       dass der ihnen seit dem Jahre 2016 keine tariflichen Lohnerhöhungen mehr
       auszahlt. Gestern wurden vier Fälle verhandelt, in zwei Fällen zugunsten
       der Arbeitnehmer, in zwei Fällen zugunsten des Verlages. Beide Seiten, die
       Rechtsvertreter der Journalisten-Verbände und die des Arbeitgebers, wollen
       in die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht gehen.
       
       Der Weser-Kurier hat seine Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft der
       Arbeitgeber schon im Jahre 2005 gekündigt, erklärt der Verlagsvertreter.
       Danach war er nur noch „ohne Tarifbindung“ Mitglied im Verlegerverband –
       der Verband hatte diese Möglichkeit geschaffen, um nicht alle Verlage ohne
       Tarifbindung zu verlieren. Daraus seien 2016 die Konsequenzen gezogen
       worden, erklärt der Verlag sinngemäß.
       
       Der Austritt sei im Jahre 2005 klammheimlich erfolgt, sagt dagegen der
       Betriebsrat, eher zufällig habe er fünf Jahre später davon erfahren – als
       nämlich der Verleger der Bremerhavener Nordsee-Zeitung öffentlich erklärte,
       er sei der einzige, der noch Tariflöhne zahle. Auf einer
       Betriebsversammlung des Weser-Kuriers zur Rede gestellt, habe der damalige
       Vorstand Ulrich Hackmack versichert, natürlich zahle man auch in Bremen
       Tariflöhne, auch wenn man nur noch Mitglied „ohne Tarifbindung“ im
       Verlegerverband sei.
       
       „Wir hätten damals mit der Gewerkschaft Verhandlungen über einen
       Haustarifvertrag gefordert und dafür auch streiken können, wenn wir nicht
       so beruhigt worden wären“, erklärt der langjährige Betriebsrat Carsten
       Spöring gegenüber der taz. In Betriebsratskreisen ging man aber davon aus,
       dass es dem Verlag nur darum gehe, neue Verträge ohne Tarifbindung
       abschließen zu können.
       
       Die Redakteure und auch ein Mitarbeiter der kaufmännischen Abteilungen, die
       gestern vor Gericht standen, hatten sehr unterschiedliche Argumente für
       ihren Anspruch auf Tariferhöhungen. Dass der Verlag über Jahre den Eindruck
       erweckt hat, er werde weiterhin Tariflöhne zahlen und dass es insofern
       einen „Vertrauensschutz“ geben müsse, ließ der Arbeitsrichter nicht gelten.
       Verschiedene Versicherungen des Vorstands Hackmack, dass Tariflöhne gezahlt
       würden, würden den Verlag nicht auf alle Zukunft binden.
       
       Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist das Jahr 2002 ein Schlüsseljahr – da
       nämlich hat sich die Rechtslage geändert, seitdem gilt für die
       Vertragsgestaltung das Transparenzgebot: Arbeitgeber müssen klar und
       verständlich sagen, was ihr Mitarbeiter zu erwarten hat. Wenn also – wie in
       einem der am gestrigen Donnerstag verhandelten Fälle – ein Arbeitnehmer
       einen Brief des Verlages bekommen hat, in dem erklärt wird, dass sein
       Arbeitsvertrag sich auf die „geltenden Tarife“ bezieht, dann muss der
       Arbeitnehmer das so verstehen, dass er auch Tariferhöhungen bekomme – das
       „Transparenzgebot“ hätte sonst den Arbeitgeber verpflichtet, darauf
       hinzuweisen, dass es keine Tarifbindung für seinen Vertrag gibt. Ein nach
       2002 eingestellter Drucker hatte so Glück vor dem Arbeitsgericht.
       
       Ein vergleichbares Schriftstück aus früheren Jahren zählt allerdings nicht
       – denn da gab es das Transparenzgebot noch nicht. So haben die meisten der
       Kläger mit alten Verträgen vor dem Arbeitsgericht verloren, nur Kläger mit
       neueren Verträgen haben gewonnen. „Da gibt es aber verschiedene
       Rechtsfragen, die man so oder so sehen kann“, erklärte gestern der
       Amtsrichter in aller Offenheit. Er sei daher neugierig, wie im kommenden
       Jahr das Landesarbeitsgericht die Rechtslage beurteilen würde.
       
       „Wenn wir vor Gericht keinen Erfolg haben, dann haben wir immer noch dir
       Möglichkeit, einen Haustarifvertrag zu verlangen und dafür zu kämpfen“,
       sagt Betriebsrat Spöring. „Und der gilt dann auch für die inzwischen rund
       einhundert neu eingestellten Kollegen, die ohne die alte Tarifbindung
       eingestellt wurden.“
       
       15 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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