# taz.de -- Olaf Scholz und die Kanzlerkandidatur: In Lauerstellung
       
       > Hamburgs OB Scholz bleibt in der Bundes-SPD auf einem Vizeposten. Aber er
       > plant schon weiter: 2021 steht ja die nächste Bundestagwahl an.
       
 (IMG) Bild: Da möchte Olaf Scholz hin: in höhere Gefilde
       
       Hamburg taz | Olaf Scholz will gebeten werden. Gebeten werden, die einst so
       ruhmreiche Sozialdemokratie vor dem Zerfall zu retten, sie wiederzubeleben
       und zu neuen Erfolgen zu führen. So wie es die verzweifelten Hamburger
       GenossInnen 2009 auch taten, als sie, von Niederlagen gezeichnet und in
       Machtkämpfen heillos zerstritten, sich nur noch auf eines einigen konnten:
       Olaf muss es jetzt machen.
       
       Scholz machte es, aber zuvor hatte er der taz einen Satz gesagt, der
       seitdem immer wieder gern zitiert wird: „Wer bei mir Führung bestellt, muss
       wissen, dass er sie dann auch bekommt.“ Genau das aber ist jetzt sein
       Problem: Die Bundespartei bittet den Mann mit dem ungeteilten
       Führungsanspruch einfach nicht, den Platz einzunehmen, der ihm seiner
       Ansicht nach gebührt: ganz oben.
       
       Seit Wochen schon bringt Scholz sich in TV-Talkshows ins Gespräch. In einem
       Papier hat er im Oktober eine glasklare Analyse des bedauernswerten
       Zustandes der SPD verfasst, die sich gegen Parteichef und Wahlverlierer
       Martin Schulz richtete und deshalb von diesem gelobt werden musste, um
       keine Konsequenzen ziehen zu müssen. Aber es nützt Scholz nichts. Auf dem
       Bundesparteitag in Berlin wird Schulz als Parteichef bestätigt werden und
       Scholz als einer der Stellvertreter.
       
       Olaf Scholz hat den richtigen Zeitpunkt verpasst, Schulz zu stürzen.
       Unmittelbar nach dem Desaster bei der Bundestagswahl hätte er das versuchen
       müssen, aber er scheute das Risiko. Denn Scholz wird in der SPD
       respektiert, nicht wenige halten ihn für den klügsten und politischsten
       Kopf derzeit, aber er wird nicht geliebt. Die Seele der Partei kann der
       Mann, der selbst eingesteht, „nicht besonders emotional unterwegs“ zu sein,
       nicht wärmen.
       
       ## Ergebnisse sind nur mittelprächtig
       
       Auf Parteitagen fährt Scholz regelmäßig nur mittelprächtige Ergebnisse
       zwischen 67 und 80 Prozent ein, das hat Tradition seit seiner missratenen
       Rolle als Gerhard Schröders Generalsekretär. Und Scholz hat keine
       Hausmacht: Das gute Dutzend Hamburger GenossInnen ist unter fast 600
       Delegierten auf Parteitagen kaum wahrnehmbar. Und solange große Verbände
       wie NRW, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen Schulz nicht die Treue
       aufkündigen, muss Scholz sich in Geduld üben.
       
       Es gibt auch zwei hausgemachte Gründe für seine derzeit nicht allzu
       glanzvolle Performance. Die Niederlage beim Olympia-Volksentscheid in
       Hamburg vor zwei Jahren hat Scholz tief getroffen. Zumal er selbst mit
       einem schweren handwerklichen Fehler dazu beigetragen hatte: Ohne klare
       Finanzzusagen des Bundes war Scholz in das Referendum gegangen; die Angst
       der BürgerInnen, einem Fass ohne Boden ähnlich der Elbphilharmonie
       zuzustimmen, war ein wesentlicher Grund für die Ablehnung.
       
       Und der völlig aus dem Ruder gelaufene G20-Gipfel in Hamburg im Juli, vor
       dem Scholz eine Sicherheitsgarantie abgab, hat ihn politisch schwer
       beschädigt: Das (Selbst-)Bild, dass Scholz zuverlässig liefert, was er
       verspricht, hat massive Risse bekommen. Doch Olaf Scholz wäre nicht Olaf
       Scholz, wenn er nicht glauben würde, dass das G20-Debakel ihm bundesweit
       weniger angekreidet wird als an der Elbe.
       
       Dort hat er sich längst in Stellung gebracht, zuvorderst als
       Haushaltsexperte. Den neuen Länderfinanzausgleich hat Scholz im Namen aller
       Bundesländer mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ausgehandelt. Das
       SPD-Steuerkonzept pries er im Wahlkampf als „das beste“, ohne den Zusatz zu
       vergessen: „Es ist von mir.“
       
       Als Arbeits- und Sozialpolitiker sieht sich der Fachanwalt für Arbeitsrecht
       und einstige Bundesarbeitsminister ohnehin. Seit 2015 ist er zudem
       Bevollmächtigter der Bundesregierung für die deutsch-französische
       kulturelle Zusammenarbeit – eine Funktion, die er haben wollte, um seine
       außen- und europapolitischen Defizite zu mildern.
       
       ## Warten auf den großen Coup
       
       Sollte es nun zur Großen Koalition kommen, wird Scholz in Hamburg bleiben
       und abwarten. Die Bundestagswahl 2021 wäre für den dann 63-Jährigen wohl
       die letzte Chance auf den großen Coup. Und aus heutiger Sicht wäre wohl
       SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles die größte Konkurrentin, vielleicht noch
       der wenig charismatische Niedersachse Stephan Weil. Manuela Schwesig wohl
       eher nicht: Die Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern muss erst mal
       beweisen, dass sie ein Land regieren und eine Landtagswahl gewinnen kann –
       zu dumm, dass diese zeitgleich mit der Bundestagswahl im September 2021
       stattfinden wird.
       
       In Hamburg wird indes bereits Anfang 2020 gewählt. Scholz’ Perspektive ist
       klar: Zum dritten Mal will er dort, mit 61 Jahren, ein sattes 40+-Ergebnis
       einfahren und die rot-grüne Koalition fortsetzen – das würde ihn zu
       Hamburgs längstem Bürgermeister machen. Und dann ginge an Olaf Scholz als
       Kanzlerkandidaten kein Weg vorbei. Das glaubt er wirklich.
       
       5 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven-Michael Veit
       
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