# taz.de -- Die Wahrheit: Die Sportvereinsheimgaststätte
       
       > Wem Berlin mit seinen kaputten Typen, der Hässlichkeit und diesen
       > Berlinern gehörig auf die Nerven geht, der besuche eine Zentrale der
       > Provinz.
       
       Ein vierzigster Geburtstag in einer Sportvereinsheimgaststätte ist an sich
       schon eine sehr, sehr traurige Angelegenheit. Sportvereinsheimgaststätten
       strahlen auf mich stets eine geradezu erdrückend depressive Stimmung aus.
       Immer wenn mir Berlin auf die Nerven geht mit all seinen kaputten Typen,
       der Hässlichkeit und vor allem diesen Berlinern und ich mich frage, was ich
       dort eigentlich mache und ob ich nicht allmählich mal irgendwo hinziehen
       sollte, wo es schön ist und wo die Eingeborenen erträglicher sind, dann
       muss ich nur an eine Sportvereinsheimgaststätte in der Provinz denken,
       schon geht es mir wieder besser.
       
       Eine Sportvereinsheimgaststätte mit braun gekacheltem Boden und diesen
       Vierer-Seminarraumtischen, die man nach Bedarf in U- oder T-Form aufbauen
       oder an die Seite schieben kann, um Platz für eine Tanzfläche zu schaffen.
       Eine Sportvereinsheimgaststätte, in der wuchtige, silberne Pokale
       herumstehen, die vom zweiten Platz bei der Bezirksmeisterschaft 1986
       künden. Eine Sportvereinsheimgaststätte mit einer Resopalziehharmonikawand,
       um den Sportvereinsheimgaststättengastraum zu teilen, damit gleichzeitig
       das hundertjährige Jubiläum eines Heimatvereins und ein vierzigster
       Geburtstag gefeiert werden können.
       
       In der Sportvereinsheimgaststätte gibt es „heute nur reduzierte Karte. Wir
       haben zwei Gesellschaften gleichzeitig.“ Es stehen zur Auswahl: Currywurst
       mit Pommes, Schnitzel Wiener Art mit Pommes, Putenschnitzel mit Pommes. Da
       fällt es schwer, sich zu entscheiden.
       
       Auf dem Klo der Sportvereinsheimgaststätte hängt ein Kondomautomat. Die
       Vorstellung, er könnte von den Besuchern der Sportvereinsheimgaststätte
       genutzt werden, beunruhigt mich. Noch weitaus mehr verstört mich allerdings
       der Gedanke, dass auch der daneben hängende Automat genutzt werden könnte.
       Für den Einwurf von „1 x 2 Euro“ verspricht er „freche Tangas und
       Fun-Dessous“. Ich möchte bitte niemals erfahren müssen, was „Fun-Dessous“
       sind oder wie sie aussehen.
       
       Schaudernd flüchte ich zurück durch den Thekenraum in die Saalhälfte der
       Geburtstagsfeier. Stämmige, fleischklopsige Männer sitzen apathisch am
       Rand vor den an die Seite geschobenen Multifunktionsseminartischen, auf die
       sie ihre Biergläser gestellt haben. Plötzlich spricht mich jemand von
       hinten an. Eine Frau fordert mich auf, mit ihr zu tanzen. Ich bin
       verblüfft. So etwas verlangt sonst nie jemand von mir.
       
       Als ich nochmals die stoisch und unbeweglich am Rand hockenden Männer
       betrachte, wird mir allerdings klar, dass ich sowohl alters- als auch
       staturmäßig hier höchstens oberer Durchschnitt bin und wohl noch
       vergleichsweise vital wirke. Schon hüpft die Frau wieder mit den anderen
       in der Mitte des Raums herum. Jetzt kreischen sie allesamt laut mit zu „I
       will survive“. Was für eine offenkundige Lüge. Ob sie freche Fun-Dessous
       dabei tragen?
       
       Ich will nach Hause.
       
       8 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heiko Werning
       
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