# taz.de -- Debatte Saudi-Arabiens Kronprinz: Game of Thrones
       
       > Kronprinz Mohammed bin Salman macht sich zum Alleinherrscher des Landes.
       > Das Tempo, mit dem er die Konkurrenz kaltstellt, ist hochriskant.
       
 (IMG) Bild: Mohammed bin Salman
       
       So eine schwarze Vollverschleierung sieht gleich viel cooler aus, wenn man
       dazu eine Batman-Maske trägt. Oder sich die gelbe Fledermaus aufdrucken
       lässt und die Arme ausbreitet. Dass in diesem Jahr zum allerersten Mal in
       der saudischen Stadt Dschidda eine dreitägige Comic Book Convention
       stattfinden konnte, bei der sich die Fans der westlichen Popkultur wir ihre
       Lieblingsfiguren anziehen und öffentlich zeigen durften, ist mehr als
       ungewöhnlich. Es kommt in dem erzkonservativen islamistischen Staat einer
       Kulturrevolution gleich. Das einzige Freizeitangebot für die saudische
       Jugend bestand bis vor Kurzem darin, in Shoppingmalls oder Restaurants
       herumzuhängen.
       
       Bis Kronprinz [1][Mohammed bin Salman] kam – MbS. Er ist der erst
       32-jährige Lieblingssohn des 81-jährigen Königs Salman, von dem es heißt,
       er leide an Demenz und könne sich kaum mehr um die Amtsgeschäfte kümmern.
       De facto regiert längst der junge Thronfolger den ölreichen Wüstenstaat.
       Und MbS ist verblüffend fest entschlossen, die Machtverhältnisse in
       Saudi-Arabien so umzubauen, dass er seinen Führungsanspruch mit niemandem
       teilen muss – nicht mit der weitverzweigten Familie, nicht mit dem Klerus
       und schon gar nicht mit den Untergebenen im Königreich.
       
       Das Tempo, mit dem MbS die royale Konkurrenz kaltgestellt und im Kampf um
       die Vorherrschaft in der Region auf Angriff geschaltet hat, ist
       atemberaubend und hochriskant. Man fühlt sich in eine Episode der
       US-amerikanischen Kultserie „Game of Thrones“ versetzt, wobei die
       verhassten Iraner für MbS die Rolle der „Wildlinge“ zu spielen scheinen:
       Inbegriff des Fremden und ultimative Bedrohung für das Königreich.
       
       Geht das Kalkül des Prinzen innenpolitisch auf, könnte er sich seine Macht
       für viele Jahre sichern, vielleicht sogar lebenslang. MbS will sein Land in
       die Moderne führen. Er sagt spektakuläre Sätze wie: „Wir wollen zu dem
       zurück, was wir waren: ein moderater Islam, der offen für die Welt ist,
       offen für alle Religionen.“ Extremistische Ideen gehörten zerstört. Wow!
       Das hat man in Saudi-Arabien schon lange nicht mehr gehört. Dem jungen
       Monarchen schwebt vor, die Wirtschaft und Gesellschaft auf die Zeit nach
       dem Öl vorzubereiten; einer Zeit also, in der Wohlstand ohne eine üppig
       sprudelnde Einkommensquelle erarbeitet werden muss und es keine Milliarden
       mehr gibt, mit denen die Mehrheit ruhiggestellt werden kann.
       
       ## Mehr Unterhaltung, Arbeit, Weltoffenheit
       
       Der Prinz tut dies, Stichwort Game of Thrones, natürlich nicht ohne
       machtpolitisches Kalkül. Die junge Generation ist hingerissen von dem
       jungen Prinzen. 70 Prozent der Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt – eine
       breite Machtbasis. Für sie will er das Land verändern: etwas mehr
       Unterhaltung, etwas mehr Arbeit, Weltoffenheit und Lebensinhalt, etwas
       weniger Sittenpolizei und religiöse Extremisten. Frauen werden unter noch
       nicht ganz klaren Umständen [2][Autofahren dürfen] im nächsten Jahr, sie
       sollen leichter als bisher arbeiten und am sozialen Leben teilhaben dürfen.
       MbS will sein Land aus dem Klammergriff der wahhabitischen Extremisten
       befreien und damit den 1979, nach der Besetzung der großen Moschee in Mekka
       geschmiedeten Pakt aufkündigen.
       
       Die Pläne sind durchaus mutig, vielleicht sogar gewagt. Doch man sollte
       sich keine Illusionen machen: Es ist eine Palastrevolution. MbS geht es um
       den Erhalt des Systems. In seinem Fall: der absoluten Monarchie. Die jungen
       Saudis würden ihn vielleicht sogar mit großer Mehrheit wählen, wenn sie es
       denn dürften. Aber warum demokratische Risiken eingehen, wenn man auch ein
       im Volk beliebter Alleinherrscher werden kann?
       
       MbS hat neben dem Systemerhalt auch das schlechte Image Saudi-Arabiens im
       Blick. Im Westen ist immer weniger Menschen klar, wo genau denn der
       Unterschied sein soll zwischen Saudi-Arabien und dem, was der „Islamische
       Staat“ an Regeln und drakonischen Strafen praktiziert. In diesem Sinne sind
       die Veränderungen für saudische Frauen zu verstehen: Es ist Teil einer
       PR-Kampagne, keine grundsätzliche Änderung. Frauen werden nur an einer
       etwas längeren Leine geführt, doch nach wie vor unterstehen sie lebenslang
       einem männlichen Vormund.
       
       Dennoch kann ein Modernisierungsschub entstehen. MbS ist in der
       komfortablen Lage, dass es fast nur besser werden kann in und mit
       Saudi-Arabien – von der Wirtschaft bis zur Bildung. Er hat die Chance und,
       wie es aussieht, auch die Macht, sein Land so stark zu prägen wie einst
       Staatsgründer König Abdul Asis Ibn Saud.
       
       ## Seine Außenpolitik
       
       Das heißt: falls er bis dahin die Region nicht in die Luft gesprengt hat.
       Denn MbS wäre auch gern ein großer Kriegsheld und neigt dabei zur
       rücksichtslosen Selbstüberschätzung. Er war es, der als junger
       Verteidigungsminister den Krieg im Jemen vom Zaun gebrochen hat. Der
       Waffengang dauert bereits mehr als zwei Jahre, hat eine humanitäre Krise
       ausgelöst, sein Ziel aber dennoch verfehlt. Die mit dem [3][Iran]
       verbündeten Huthi sind in der benachbarten Hauptstadt Sanaa noch immer an
       der Macht und schossen jüngst sogar provozierend eine Rakete rüber zu den
       Saudis – peinlich für MbS.
       
       Kaum besser lief es bei der Isolierung des kleinen Golfstaats Katar, dem er
       ein freundliches Verhältnis zu Teheran vorwirft. Über Nacht wurden die
       Beziehungen abgebrochen und Grenzen geschlossen, auch die anderen Staaten
       des Golfkooperationsrates mussten mitmachen. Ergebnis? Keines. Katar ist
       nicht in die Knie gegangen. Ähnlich schlecht durchdacht wirkt auch die
       jüngste Einmischung im ohnehin [4][fragilen Libanon]. Für viele Beobachter
       sieht es so aus, als hätte Riad den libanesischen Premier Saad Hariri
       einbestellt, um ihn dann zum Rücktritt und zu schweren Vorwürfen an die
       Adresse der mit Iran verbündeten Hisbollah zu nötigen. Doch was nun? Die
       Hisbollah ist schwer bewaffnet und im Libanon praktisch unbesiegbar.
       
       Diese Besessenheit vom Iran und die außenpolitische Impulsivität des
       Kronprinzen sind eine beängstigende Kombination. Sie machen ihn ähnlich
       unberechenbar wie Trump, nur dass man MbS nicht abwählen kann. Die Games of
       Thrones laufen in Saudi-Arabien in Endlosschleife.
       
       19 Nov 2017
       
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