# taz.de -- Frauenrechte in Saudi-Arabien: Nicht nur verbieten – auch schützen
       
       > Mit Nationalismus gegen das wahabitische Establishment: Saudische Frauen
       > erhalten zunehmend Rechte. Die Scheichs toben – aber nicht öffentlich.
       
 (IMG) Bild: Ob saudische Frauen bald tatsächlich mit dem Auto zum Fußballstadion fahren?
       
       Kairo taz | Man beginnt vorsichtig: Das Dekret gilt zunächst nur für die
       drei großen Stadien in Riad, Jeddah und Damman. Und man brauche bis Anfang
       nächsten Jahres, um die Stadien auf den „Familienbesuch“ vorzubereiten. Die
       Ankündigung endete mit einem kuriosen Satz. „Der König und der Kronprinz
       setzen sich nicht nur dafür ein, islamisch Verbotenes zu verhindern,
       sondern auch das Erlaubte zu schützen“ Eine Spitze gegen das konservative
       religiöse wahabitische Establishment.
       
       Das saudische Staatsfernsehen hatte diese Woche „im Einklang mit unserer
       Führung und auf Wunsch weiter Teile der Bevölkerung“ hochoffiziell das
       neueste royale Dekret verkündet, laut dem Frauen nun auch Sportstadien
       besuchen dürfen. Ganz so als wollte man die erzkonservativen Scheichs des
       Landes mit einer Portion Nationalismus zum Schweigen bringen.
       
       Nach der [1][Aufhebung des Frauenfahrverbotes] ist nur eine zweite
       [2][Diskriminierungshürde der saudischen Frauen] gefallen. Für die
       saudische Frauenrechtlerin Nassima Al-Sadah ist das ein weiterer wichtiger
       Schritt in Richtung des Versprechens des Kronprinzen Mohammed bin Salman,
       sein Land auch gesellschaftlich zu reformieren. Sie kann es kaum erwarten.
       „Ich wollte schon immer ins Stadion gehen, das war schon immer ein Traum
       für uns Frauen. In Saudi-Arabien gibt es viele sportbegeisterte Frauen“,
       sagt sie in einem Telefongespräch mit dieser Zeitung.
       
       Andere Frauen melden sich in den sozialen Medien zu Wort. „Also 2018 werde
       ich mit meinem Auto zum Stadion fahren und mit meinen Freundinnen ein Spiel
       anschauen. Endlich werden wir wie normale Menschen behandelt“, twittert
       eine saudische Frau namens Rawan.
       
       ## Öffentlich trauen sich die Scheichs nicht
       
       Doch nicht alle in Saudi-Arabien sind begeistert. Gerade viele der
       wahabitischen Scheichs, die das Gros des religiösen Establishment
       ausmachen, hatten in den letzten Monaten immer wieder dagegen gewettert,
       dass auch Frauen ins Stadium dürfen. „Selbst wenn sie die Stadien
       vorbereiten und spezielle Räume für Familien bauen. Das wird vom Islam
       einfach nicht erlaubt. Gott will, dass die Frauen zu Hause bleiben“, hatte
       der bekannte Scheich Gham Al-Amry im Fernsehen erklärt.
       
       Auch sein erzkonservativer Scheich-Kollege Muhammad Al-Eriefy malte
       regelrechte Horrorvorstellungen für die konservativen Kleriker an die Wand.
       „Stellt euch vor, unser Prophet Muhammad käme ins Stadium und müsste Frauen
       mit Stirnbändern sehen, die ein Team anfeuern. Die Frauen könnten dabei
       unkontrolliert schreien“, echauffierte er sich. „Die Frauen könnten in
       unpassenden Umhängen kommen oder sogar Hosen in den Farben eines Clubs
       tragen. Das öffnet Tür und Tor für böse Dinge“, fürchtete er.
       
       Jetzt nachdem das neue Dekret des Kronprinzen herausgekommen ist, hüllen
       sich diese Scheichs in Schweigen, genauso wie nach der Aufhebung des
       Frauenfahrverbotes vor ein paar Wochen. Sie trauen sich offensichtlich
       nicht, dem Königshaus in der Öffentlichkeit zu widersprechen.
       
       ## Vision 2030
       
       Der Kronprinz Muhammad Bin Salman hatte in seiner von ihm vorgestellten
       Vision 2030 letztes Jahr vor allem wirtschaftliche Reformen angekündigt, um
       das Land von seiner totalen Abhängigkeit von der Ölproduktion wegzubringen
       und zu diversifizieren. Das geht nicht [3][unter Ausschluss der Hälfte der
       Bevölkerung], glaubt die Frauenrechtlerin Al-Sadah. „Wenn wir einen
       wirtschaftlichen Aufschwung für dieses Land wollen, dann kann dieser nicht
       einbeinig geschehen, also nur Mithilfe der Männer. Damit aber Frauen mit
       anpacken können, müssen sie die gleichen Rechte bekommen wie die Männer,
       sie müssen über ihr Leben selbst bestimmen dürfen“, sagt sie. Deshalb ist
       sie sich sicher, dass Frauen weitere Rechte erhalten werden.
       
       Als nächstes soll die männliche Vormundschaft auf saudischen Ämtern fallen.
       Bisher brauchen saudische Frauen jeweils die Unterschrift ihrer Väter,
       Brüder oder Söhne, um Anträge stellen zu können. „Ich gehe davon aus, dass
       in Zukunft Frauen hier gesetzlich vollkommen selbständig sein werden, keine
       Bürger zweiter Klasse mehr, dass sie sich frei bewegen werden ohne
       Vormund“, blickt die saudische Frauenrechtlerin voraus.
       
       ## Selbst kicken ist der nächste Schritt
       
       Und auch mit der Erlaubnis, in Zukunft Stadien besuchen zu dürfen, ist für
       Al-Sadah sportlich noch längst nicht alles erreicht. „Natürlich ist es gut,
       dass nun Frauen in Stadien dürfen, um sich Spiele anzusehen“, meint sie und
       fügt hinzu: „Aber das reicht uns nicht, wir wollen nicht nur zuschauen, wir
       wollen selbst auf das Spielfeld“.
       
       6 Nov 2017
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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