# taz.de -- Vom Glück, für sich alleine zu kochen: Me, myself and Ei
       
       > Ein aufwändiges Essen kochen, nur für sich allein? Das gilt vielen als
       > Zeitverschwendung. Uns nicht. Vier Liebeserklärungen an das Dinner for
       > one.
       
 (IMG) Bild: Was soll es heute werden? Das entscheid ich ganz allein!
       
       ## Vergänglich wie Graffiti
       
       Viele sehen das Kochen nur als Vorbereitung fürs Essen. Sie glauben, wenn
       man nur für sich kocht, ist die Arbeit weniger wert. Ich sehe das anders:
       Ein Teller Essen ist das schnelllebige Produkt eines großartigen, kreativen
       Vorgangs. Ein Teller ist in ein paar Minuten leer gegessen.
       
       Es spielt für mich keine große Rolle, ob ich dabei allein bin oder an einer
       langen Tafel mit Freunden sitze. Denn als Koch arbeitet man wie ein
       Graffitikünstler: Der weiß auch nie, ob er die U-Bahn mit seinem Werk
       jemals wieder zu Gesicht bekommt. Also ist der Prozess wichtiger als das
       Produkt.
       
       Außerdem wird man notgedrungen zum Alleinesser, wenn man lange kocht. Und
       wenn es gut werden soll. Neulich habe ich kurz nach dem Frühstück schon von
       dem Wein probiert, in dem das Rindfleisch für meinen Pfefferpotthast
       schmoren sollte. Ich habe von der Polenta gekostet, von den sauren Quitten
       waren auch schon mal mehr im Glas.
       
       Ich kann nicht anders, ich muss mein Essen eng begleiten. Wenn es lange
       köchelt wie so ein Schmorgericht, bedeutet das eben etwas Schwund. „Angels
       share“ sagen sie beim Whiskey, wenn nach ein paar Jahren Lagerung die
       Fässer wundersamerweise nicht mehr ganz voll sind. Wo der „Angels share“
       meines Pfefferpotthast hin ist, weiß ich. Manchmal bin ich satt, wenn das
       Essen fertig ist. Und auch das ist gut so. Jörn Kabisch
       
       ## Irrationale Opulenz
       
       „Du kochst jetzt noch? Schieb doch einfach was in die Mikrowelle!“ Das
       spätabendliche Küchenklappern fiel meiner Mitbewohnerin Sofia als Erstes an
       mir auf. „Das ist so ein Ding von euch Deutschen, oder?“, fragte sie mich
       kurz nach meinem Einzug in die Londoner WG und erzählte von meiner
       Vorgängerin, ebenfalls deutsch, ebenfalls kochbegeistert.
       
       Aber all die Kocherei für eine einzige Person! Trotz Just Eat, UberEats und
       Deliveroo. Trotz China-Imbiss um die Ecke und Supermarktregalen voller
       „Dine at home“-Angeboten? Vielleicht ist gerade das der Kern des
       Vergnügens: die Zeitverschwendung. Die irrationale Opulenz. Ausgerechnet
       wir Deutschen, Stellvertreter der Effizienznation sui generis, suchen die
       Langsamkeit. Und finden sie beim Durchstöbern geöffneter Großpackungen,
       beim Zusammenwürfeln und Probieren, beim Schnippeln und Umrühren.
       
       Und das Tollste daran: alles frei nach Schnauze. Denn auch das ist Teil
       dieses Alltagsglücks in einer Gesellschaft, die alles gern gemeinsam plant,
       bespricht, Konsens schafft: die Freiheit der Einsamkeit. Das Alleinkochen
       hat mich, einst am Esstisch ein Mäkelkind, von Zwiebeln befreit, von Kohl
       und anderen Zumutungen. Selbst Chili con Carne wurde mit etwas Koriander
       und bissfesten Paprikaschoten zu einem neuen Erlebnis. Lisa Dittmer
       
       ## Platz für Experimente
       
       Manchmal, wenn ich mit dem Kochen beginne, weiß ich nicht, was für ein
       Gericht am Ende entsteht. Einmal plante ich eine asiatische Gemüsepfanne,
       ich hatte frische Paprika gekauft und Brokkoli und Sojasoße im Schrank.
       Beim Braten bekam ich plötzlich Hunger auf Salat.
       
       Kochen ist für mich vor allem ein kreativer Prozess. Ich besitze
       Kochbücher, aber ich lese mir die Rezepte nicht durch. Mich genau an
       Maßangaben zu halten ist mir zu anstrengend. Stattdessen blättere ich durch
       die Bücher, gucke mir die Fotos an, esse gern und frage Freunde oft, wie
       sie ein Gericht zubereitet haben. All das ist für mich Inspiration.
       
       Wenn ich dann koche, muss ich frei sein. Frei von jemandem, der in der
       Küche sitzt und mich beobachtet (was macht sie da und macht sie es
       richtig?), frei, von der Vorstellung, wen ich heute als Gast habe (eine
       Freundin, ein Date, die Eltern), frei von dem Druck gefallen zu müssen
       (schmeckt ihm oder ihr mein Essen?).
       
       Aus der Gemüsepfanne wurde am Ende ein Salat. Ich mischte Rucola mit
       Schafskäse, den ich am Vorabend aus einer Laune heraus in Knoblauch und
       Walnussöl eingelegt hatte, sowie mit dem in der Sojasoße angebratenen
       Gemüse. Nicht jedem schmeckt diese Kombination. Ich mochte sie: das
       süßliche Walnussöl, der salzige Käse, das würzige Gemüse. Wäre es mir
       genauso gut gelungen, hätte ich beim Kochen an einen Gast gedacht? Ich
       bezweifle es. Linda Tutmann
       
       ## Was uns vom Tier unterscheidet
       
       Der Mensch hat Hunger. Der Mensch muss essen. Und lebt der Mensch allein,
       isst er auch allein, nicht immer, aber meistens. Die Gesellschaft hat für
       ihn drei Möglichkeiten vorgesehen: Convenience Food. Liefer-Mahlzeiten.
       Oder Gerichte auf Niveau des Pu-der-Bär-Kochbuchs zuzubereiten, „eine
       schnelle Nudel kochen“, ein Spiegelei mit Tabasco machen, ein Sandwich.
       
       Doch der Mensch will auch genießen. Die Fähigkeit, mit drei Kochplatten
       gleichzeitig umzugehen, ist das Einzige, was ihn wirklich von den Tieren
       unterscheidet. Klar, Tiefkühlpizza oder eine schnelle Nudel können das
       größte Glück auf Erden sein. Doch auf Dauer hält das kein Mensch aus. Und
       immer nur auswärts zu essen ist zu teuer. Der leicht entgeisterten Frage
       „Wie kannst du denn bloß über eine Stunde in der Küche stehen, nur um für
       dich selbst zu kochen?“, kann ich nur erwidern: „Ja wie denn bitte nicht?“
       
       Oft beginnt es mit einer Zutat im Supermarkt, ein Stück Fleisch etwa. Oder
       im Kühlschrank ist noch was übrig. Da könnte man doch Pilze … aber dann
       muss es auch noch … schon ist im Kopf ein 3-Komponenten-Essen mit einem
       Dutzend Zutaten entstanden, das natürlich auf dem Teller auch optimal
       präsentiert werden muss.
       
       Macht ein Baum beim Fallen ein Geräusch, auch wenn niemand es hört? Ja.
       Muss ein gekochtes Essen gut sein, auch wenn niemand sonst es schmeckt?
       Unbedingt! Michael Brake
       
       19 Nov 2017
       
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