# taz.de -- Instagram-Account gegen Belästigung: Nein, es ist kein Kompliment
       
       > Eine Niederländerin veröffentlicht Selfies mit Männern, die sie sexuell
       > belästigen. Die Aktion ist neu, das Problem dahinter ganz und gar nicht.
       
 (IMG) Bild: Hinterherpfeifen ist so 60s!
       
       Vor ein paar Tagen ging das Instagram-Profil „[1][@dearcatcallers]“ einer
       20-jährigen Niederländerin durch die Medien. „Catcalling“ – so wird
       sexuelle Belästigung genannt, die auf offener Straße durch einen Mann
       gegenüber einer Frau geschieht, indem er ihr hinterruft, -pfeift, oder
       -kommentiert. Auf dem Instagram-Account veröffentlichte Noa Jansma einen
       Monat lang Selfies, auf denen neben ihr selbst auch ihre „Catcaller“ zu
       sehen sind – also die Männer, die sie gerade auf diese Art und Weise
       belästigt haben.
       
       23 solcher Fotos finden sich auf dem Profil – und dabei hat Noa Jansma
       nicht jedes Mal fotografiert, als sie belästigt wurde, sondern nur in
       Situationen, in denen sie sich sicher genug gefühlt hat. Erschreckend, wenn
       man bedenkt, dass diese Fotos alle in nur einem Monat entstanden sind. Noch
       erschreckender sind allerdings die Posen und Gesichtsausdrücke der Männer,
       die auf den Fotos zu sehen sind.
       
       Die meisten grinsen so stolz, als hätten sie gerade einen Marathon
       geschafft, manche legen dabei ihren Arm um Noa, manche sehen sie dabei
       anzüglich an. Klar, Noa hat ihnen nicht gesagt, zu welchem Zweck sie die
       Fotos macht. Trotzdem wird dabei deutlich: Die Männer fühlen sich
       großartig, nachdem sie einer Frau [2][Sachen wie „hmmmm you wanna kiss?“]
       hinterherrufen und denken auch noch, die Frau fühlt sich danach genauso
       großartig. Noa Jansma selbst hat auf allen 23 Selfies den gleichen
       Gesichtsausdruck: Distanziert, kalt, neutral. Dadurch will sie zum Ausdruck
       bringen, dass sie ihn solchen Situationen nicht [3][mehr als nur ein Objekt
       ist, das die Männer da angaffen].
       
       Dass Catcaller in Amsterdam ab dem 1. Januar 2018 bis zu 190 Euro Strafe
       zahlen müssen, hält Noa Jansma zwar [4][symbolisch für ein gutes Zeichen]
       (In der [5][niederländischen Stadt Rotterdam] folgen dann sogar bis zu
       1.400 Euro oder drei Monate Gefängnis). Wie leicht das Gesetz umgesetzt
       werden kann, ist jedoch fraglich. Sicher ist, dass es [6][auch in anderen
       Ländern] Überlegungen gibt, wie mit Catcallern umgegangen werden soll: Peru
       verabschiedete ein Gesetz im März, in Panama wird noch darüber diskutiert,
       Argentinien könnte demnächst nachziehen.
       
       ## Grenzen sind fließend
       
       Der Instagram-Account von Noa erreicht ähnlich viel Aufmerksamkeit wie der
       #Aufschrei Anfang 2013 oder wie das [7][Youtube-Video] einer jungen Frau,
       die durch New York läuft und mit versteckter Kamera gefilmt wird, wie oft
       sie blöd angemacht wird. Das Youtube-Video wurde im Oktober 2014
       veröffentlicht und ward damals genau wie Noas Instagram-Account von allen
       großen Medien besprochen. Alle waren geschockt, wie viel Alltagssexismus
       Frauen doch tagtäglich ausgesetzt sind – für ein paar Wochen. Dann geriet
       das Video in Vergessenheit und alle konnten wieder so weitermachen wie
       davor.
       
       Mehr als ein Jahr später dann: die berüchtigte Silvesternacht in Köln. Für
       die zahlreichen sexuellen Übergriffe in der Nacht müssen ausländische und
       „exotisch aussehende“ Männer als Sündenböcke herhalten, aber es entsteht
       erneut eine öffentliche Diskussion über Alltagssexismus und sexuelle
       Übergriffe. Die Übergriffe, die in der Kölner Silvesternacht passierten
       sind zwar anders – wenn man so will: schlimmer – als das Catcalling.
       
       Dass die Grenzen zwischen verbaler und körperlicher Belästigung aber oft
       fließend sind, wird allerdings unter anderem in dem [8][taz-Blog] deutlich,
       der nach der Kölner Silvesternacht ins Leben gerufen wurde: Frauen erzählen
       hier von sexuellen Übergriffen, die ihnen auf dem Heimweg oder woanders
       passiert sind, darunter finden sich zahlreiche verbale als auch physische
       Übergriffigkeiten, die oft ineinander übergehen.
       
       Die Idee von Noa Jansma, Selfies mit ihren Catcallern zu machen, ist neu.
       Das Sexismus-Problem nicht und es ist auch noch lange nicht aus der Welt,
       wie viele Männer oft behaupten – und dann mit Merkel als Bundeskanzlerin
       daherkommen. Es bräuchte öfter so medienwirksame Aktionen wie
       „@dearcatcallers“. Denn sonst ist das Sexismus-Problem auch weiterhin nur
       alle paar Monate mal Thema.
       
       9 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/dearcatcallers/
 (DIR) [2] https://www.instagram.com/p/BZBs7Ayl9ZF/?taken-by=dearcatcallers
 (DIR) [3] http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/46493/%20
 (DIR) [4] http://www.independent.co.uk/life-style/woman-selfies-street-harrassers-harrassment-catcalls-men-instagram-noa-jansma-a7983991.html
 (DIR) [5] https://nltimes.nl/2017/06/08/sexually-harassing-women-cat-calling-draw-heavy-fine-jail-time-rotterdam
 (DIR) [6] https://www.economist.com/news/americas/21651849-crackdown-public-displays-machismo-criminalising-catcallers
 (DIR) [7] https://www.youtube.com/watch?v=b1XGPvbWn0A
 (DIR) [8] http://blogs.taz.de/heimweg/%20
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juliane Fiegler
       
       ## TAGS
       
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