# taz.de -- Nicht gerade einladend: „Wie man in der Öffentlichkeit pisst“
       
       > Mit seiner Ausstellung in Hannover geht es Stefano Calligaro weniger ums
       > Urinieren als ums Markieren. Wie er sich in der Kunstwelt positioniert,
       > will er selbst entscheiden.
       
 (IMG) Bild: Hebt das Bein: Hund mit Polizeihelm.
       
       HANNOVER taz | Die karge Installation ist, naja: vielleicht eine
       Provokation? Elf Drucke identischen Motivs – die untere Körperhälfte eines
       martialisch eingepackten Polizisten – verteilen sich auf beide Längswände
       des Raumschlauchs im Langenhagener Kunstverein. Eine den Raum teilende
       Wäscheleine ist locker bepackt mit neuwertigen Garderobenstücken
       einschlägiger Mittelklasse-Labels. Eine einzelne rote Hose hängt über der
       gläsernen Zwischentür, ein buntes Hemd im Eingang zum WC, das dafür seine
       Tür einbüßte.
       
       Einladend, zum Kunstgenuss animierend ist das alles nicht. Und unweigerlich
       landet der Blick dann noch auf dem übergroßen Bild an der Stirnwand: Ein
       Hund, der einen Polizeihelm auf dem Kopf hat, hebt sein Hinterbein zum
       Pinkeln.
       
       Hier geht es offensichtlich um etwas ganz anderes als eine übliche
       Ausstellung. Und in der Tat will der dafür verantwortliche Stefano
       Calligaro fragen. Fragen, was und warum ein Künstler eigentlich produziert.
       Was heißt es, sich in der Kunstwelt zu positionieren? Es geht, um den Titel
       der Ausstellung zu zitieren, darum, „wie man in der Öffentlichkeit pisst“.
       
       Antworten auf diese Fragen gibt Stefano Calligaro nicht, zumindest nicht
       immanent, also in Form sich ästhetisch erschließender, gar gefälliger
       Kunst. Denn die Schwierigkeit der Kunst liege nicht in ihrer Komplexität,
       so Calligaro, sondern in ihrer Irrelevanz. Stefano Calligaro, 1976 im
       italienischen Friaul geboren, hat selbst eine Art Verweigerungsstrategie
       entwickelt. Nach einer künstlerischen Ausbildung in Italien lebt und
       arbeitet er seit geraumer Zeit in Cluj-Napoca, dem ehemaligen Klausenberg
       im siebenbürgischen Rumänien.
       
       Das hat nicht nur ökonomische Gründe, sondern will wohl auch als bewusster
       Rückzug in die Peripherie verstanden werden, eine Existenz somit jenseits
       der Hotspots der Kunstwelt. Wobei er so ganz konsequent dann doch nicht
       ist.
       
       Noor Mertens, die seit Anfang des Jahres den Kunstverein Langenhagen
       leitet, erzählt, dass sie Arbeiten Calligaros, die sie als „Nicht-Objekte“
       bezeichnet, vor gut zwei Jahren auf einer Kunstmesse sah. Daraus entspann
       sich dann ein digitales Gespräch, so Mertens weiter, das schließlich zur
       Einladung und der aktuellen Ausstellung im Kunstverein führte.
       
       Calligaro treibt dort die Ablehnung künstlerischer Virtuosität – und die
       Absurdität nun auf die Spitze, erhebt zur Relevanz, zur Kunst, was er
       persönlich als relevant verstanden wissen will. Das sind, neben den
       sparsamen Artefakten und der Selbstrepräsentation durch die dargebotene
       Kleidung, etwa die vielen Plakate mit Polizistenbeinen, die in ganz
       Langenhagen auf Werbeflächen geklebt wurden. Sie wurden auch als A4-Formate
       an viele Kunstinstitutionen geschickt. Ist das nun Spam, oder hat das doch
       einen Wert?
       
       Auch die Korrespondenz zur Ausstellung ist ein Exponat, ebenso der
       E-Mail-Austausch mit zwei Künstlerkollegen. Er soll als Publikation
       erscheinen. Seine beiden Seelenbrüder, der Niederländer Q. S. Serafijn und
       der Österreicher Kurt Ryslavy, teilen, wen wundert’s, mehr die Leidenschaft
       professioneller Verweigerung denn der künstlerischen Produktion. Ryslavy
       etwa, Weinhändler und Sonntagsmaler, mischte einst das Wiener Museum für
       angewandte Kunst auf, indem er ausgesuchte Stücke der Sammlung wie
       Flohmarktware scheinbar zum Verkauf feilbot.
       
       Kunst, so lernt man, darf disparat sein, eine Ausstellung ist mehr als
       Objekte in einem Raum. Intellektuell etwas angestrengt ist das Ganze
       dennoch.
       
       13 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
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