# taz.de -- Birma und internationale Medien: Da war doch nichts
       
       > Während der Militärdiktatur galten ausländische Medien als Segen. Jetzt,
       > da sie auf die Not der Rohingya schauen, wüten Birmesen gegen sie.
       
 (IMG) Bild: In diesem Dorf nahe Maongdaw wohnten Rohingya. Es wurde niedergebrannt
       
       Rangun taz | Eine Frau, die sich hinter einem Mundschutz und einer
       überdimensionierten schwarzen Sonnenbrille versteckt, steht auf einem
       Sockel im Zentrum von Rangun. Sie hält ein Banner hoch. Darauf bezichtigt
       sie die internationale Presse, den Terrorismus gegen ihr Land zu
       unterstützen. „Die ausländischen Medien verbreiten falsche Informationen“,
       sagt sie.
       
       Für „falsch“ halten sie und ein Großteil der Birmesen es, dass die Welt
       entsetzt darüber spricht, dass eine brutale Operation des Militärs mehr als
       eine halbe Million muslimische Rohingya aus ihrem Land gejagt hat. Denn das
       sei ja nicht die ganze Wahrheit. In den Augen der allermeisten Birmesen
       wurde Birma Ende August von „Terroristen“ angegriffen, die vom Ausland
       finanziert worden seien, um den westlichen Teilstaat Rakhine zu
       islamisieren. So klingt die Propaganda von Regierung und Militär. Und das
       glaubt man – oder will es glauben.
       
       Vor diesem Hintergrund hat sich in Birma ein kollektiver Argwohn gegenüber
       internationalen Medien zusammengebraut. Während zu Zeiten der
       Militärdiktatur ausländische Medien lange Zeit für die isolierten Birmesen
       der einzige Weg waren, Informationen nach draußen zu transportieren, zeigt
       man ihnen heute die kalte Schulter.
       
       Dabei haben Experten von Menschenrechtsorganisationen Massaker des Militärs
       an den Rohingya in Hunderten von Interviews rekonstruiert. Die taz hat zwei
       Wochen lang vor Ort recherchiert und dieselben Geschichten gehört. Doch in
       Birma fragt man uns weiter nach „echten Beweisen“. Denn die Wahrheit ist
       unbequem – und potenziell gefährlich.
       
       Aung San Suu Kyi, Friedensnobelpreisträgerin, Gesicht von Birmas
       Demokratiebewegung und heute Staatsrätin, hat sich auf einen fragilen
       Machtdeal mit dem Militär eingelassen. Ihre Nationale Liga für Demokratie
       (NLD) hat die Regierung übernommen, ist de facto dem Militär gegenüber aber
       machtlos. Mehr noch: Die Angst ist groß, das Militär könnte bei einem
       einzigen falschen Schritt der Regierung die Macht wieder ganz für sich
       reklamieren. Eine Untersuchungskommission der UN zum Beispiel wurde von
       Aung San Suu Kyi persönlich als „nicht hilfreich“ bezeichnet und deshalb
       abgewiesen. Kritik an Soldaten, die Frauen vergewaltigen, auf Kinder
       schießen und Männer erstechen, könnte eben ein solcher falscher Schritt
       sein.
       
       ## Selbsterfüllende Prophezeiung?
       
       „Viele Auslandskorrespondenten kommen mit vorgefertigten Meinungen ins Land
       und verstehen die Komplexität Birmas überhaupt nicht“, sagt dazu Kyaw Zwa
       Moe. Und schiebt süffisant hinterher: „Sie sollten ihre Hausaufgaben besser
       machen.“ Dann knallt er die New York Times neben eine Tasse Grüntee auf den
       Tisch. „Aber wir bringen es ihnen bei“, sagt er und lacht. Der schmächtige
       Birmese mit den langen Haarsträhnen ist Chefredakteur der von ausländischen
       Geldgebern finanzierten Nachrichtenseite Irrawaddy. Das Militär hielt Kyaw
       Zwa Moe acht Jahre lang gefangen. Heute sagt er, zu harsche Kritik an
       Militär und Regierung gefährde die Demokratisierung.
       
       Jahrzehntelang war Birma ein international geächteter Schurkenstaat. Doch
       zuletzt war man endlich jemand, eine aufstrebende Demokratie. Dass der
       Traum so schnell wieder vorbei sein könnte, will keiner akzeptieren. Die
       Demokratie scheint den Birmesen mehr wert zu sein als das Schicksal der
       unliebsamen Rohingya, die als illegale Einwanderer aus Bangladesch gelten.
       Während Menschenrechtler und Journalisten aus dem Ausland sich der am
       schnellsten wachsenden Flüchtlingskrise der Welt widmen, stürzen sich
       Regierungspropaganda, Medien und Gesellschaft auf die Terrorgefahr, vor der
       Experten eher als selbsterfüllender Prophezeiung warnen. Genau an diesem
       Punkt hat sich der Konflikt mit den internationalen Medien entzündet.
       
       Schließlich würden die laut Kyaw Zwa Moe den Eindruck erwecken, alle 52
       Millionen Birmesen würden die Menschenrechtsverletzungen befürworten. Das
       Problem ist: Kaum jemand spricht sich öffentlich dagegen aus. Anfragen an
       Organisationen, von denen gemunkelt wird, sie wollten etwas unternehmen,
       bleiben unbeantwortet.
       
       ## Unzulänglich unkritisch
       
       Wenn die Menschen für etwas auf die Straße gehen, dann ist es für Aung San
       Suu Kyi, ihre – wie es scheint – einzige Hoffnung auf eine gute Zukunft für
       Birma. „Wir fühlen uns von den internationalen Medien gedemütigt“, sagt
       eine Anhängerin, selbst Mitarbeiterin einer internationalen
       Medienorganisation, die regelmäßig auf Facebook Fehler ausländischer
       Reporter hervorhebt.
       
       Sosehr die Birmesen sich mit den Unzulänglichkeiten der internationalen
       Presse beschäftigen, so wenig selbstkritisch sind sie. Anders Sein Win. Er
       ist Trainingsdirektor am Myanmar Journalism Institute, der einzigen
       unabhängigen Journalistenschule in Birma, die den Bedarf an Training in
       Birma, wo es bis vor fünf Jahren nichts außer Propagandamedien und Zensur
       gab, bei Weitem nicht decken kann. „Selbstverständlich zensieren sich
       einheimische Journalisten selbst“, sagt Sein Win. In seinem
       heruntergekühlten Büro in einem ruhigen Wohnviertel von Rangun fand ein
       paar Tage vorher eine informelle Krisensitzung von Ranguns Medienbranche
       statt. „Alle wissen, was das Militär in Rakhine veranstaltet“, behauptet
       er, „aber ein Großteil der Birmesen hat keine große Sympathie für die
       Rohingya und Journalismus kann dich in Birma immer noch ins Gefängnis
       bringen.“
       
       „Wenn wir vor zwanzig Jahren so gehandelt hätten, dann hätte es nie eine
       Demokratisierung gegeben“, sagt der Ex-Aktivist dann noch, der einst vor
       den Generälen ins Exil nach Indien floh.
       
       Moe Myint, einer von Kyaw Zwas Reportern bei Irrawaddy, kommt selbst aus
       dem Krisenstaat Rakhine. Im Ausland halte man sie inzwischen alle für
       Barbaren, meint er. „Egal was du über den Konflikt schreibst, von
       irgendeiner Seite wirst du mit Sicherheit kritisiert“, sagt er und ist
       frustriert, dass inzwischen alle nur noch das sehen, was sie sehen wollen.
       
       Selbst wenn ausländische und einheimische Journalisten dieselben Ereignisse
       beobachten, unterscheidet sich die Berichterstattung. Auf einem von der
       Regierung organisierten Trip in die Krisenzone sahen Reporter, offenbar
       ungeplant, ein brennendes Haus. Kurz darauf kamen junge Buddhisten
       dahergelaufen. Die Täter? Die BBC berichtete über die Brandstiftung,
       Lokaljournalisten pochten darauf, dass nichts bewiesen sei. „Die BBC hätte
       das Wort ‚wahrscheinlich‘ hinzufügen müssen, bevor sie die Story einfach so
       verbreiten“, schimpft Moe Myint.
       
       In seinem Aufsager hatte der BBC-Korrespondent genau das getan.
       
       13 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Verena Hölzl
       
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