# taz.de -- Kolumne Kulturbeutel: Kommazialisierung der Kurve
       
       > Spruchbänder sind ein wichtiges Kommunikationsmittel der Ultra-Szene. Die
       > Gestaltung der Stadiontransparente ist eine hohe Kunst.
       
 (IMG) Bild: Protest ohne Punkt und Komma: die Bayernkurve in München am ersten Bundesligaspieltag
       
       Die Bayern können es auch nicht besser als die anderen, wie es scheint. Die
       Bayernfans können es sowieso nicht besser. Das weiß man schon seit dem
       ersten Spieltag. Der war von Fans zum Anti-DFB-Aktionstag ausgerufen worden
       und fast überall hielten Ultras Transparente mit der Aufforderung „Fick
       dich DFB!“ in die Höhe. Und wie hier im Zitat fehlte auf den Spruchbändern
       das Komma.
       
       Das war in München nicht anders als anderswo. Und so kam es, dass schnell
       nicht mehr über die Anliegen der Ultras gesprochen wurde, sondern darüber,
       dass sie zu blöd sind, Satzzeichen richtig zu setzen. Man kennt das von
       Nazis, die sich verschreiben bei ihren Hass-Tweets. Über ihre schwache
       Orthografie wird gelacht und ihr braunes Denken wird darüber fast schon
       marginalisiert.
       
       Was man an der Kommazialisierung der Spruchbanddebatte jedenfalls schön
       sehen kann: Es ist gar nicht so einfach, ein Transparent korrekt und
       verständlich zu beschriften. Schauen wir auf die Kurven des 7. Spieltags.
       Die Kölner Kurve konnte es wieder mal nicht lassen, dem Gegner RB Leipzig
       einzuschenken. „Red Bull verleiht dem Tod Flügel“, stand da zu lesen.
       
       Dazu wurden Transparente in die Höhe gehalten, auf denen die Namen von
       Extremsportlern standen, die, vom Spaßsporthauptsponsor Red Bull gut
       bezahlt, ihren Mut zum Risiko mit dem Leben bezahlt haben. So wurde unter
       anderem an den Schweizer Basejumper [1][Ueli Gegenschatz] erinnert, der
       2009 bei einem von Red Bull bezahlten Sprung vom 88 Meter hohen Züricher
       Seebach Tower zu Tode gekommen war. Die Botschaft war klar:
       Rasenballsponsor Red Bull ist ein tödliches Unternehmen. RB Leipzig der
       Todfeind der Kölner Fans.
       
       Rätselhafte Botschaften 
       
       Dass es Leipziger Fans gibt, die alles andere als hassenswert sind, das war
       am Sonntag in Köln auch zu sehen. Eine RB-Fangruppierung, die sich
       [2][„Fraktion Red Pride“] nennt, präsentierte diese Botschaft auf Stoff:
       „Gegen Nazis und Verbände, die sie decken – Yalla SVB!“. Damit brachten sie
       ihren Protest dagegen zum Ausdruck, dass Regionalligist Babelsberg 03 von
       der [3][Sportgerichtsbarkeit zu einer Geldstrafe verurteilt] worden ist,
       weil deren Anhänger den Fans von Energie Cottbus „Nazischweine raus!“
       zugerufen haben, die den Arm zum Hitlergruß in die Höhe gereckt hatten.
       
       Über eine ausführliche Fußnote, die den Fall erläutert hätte, hätten sich
       ein paar Zuschauer, die nicht ganz so tief in der Materie stecken wie die
       stolzen Roten, gewiss gefreut. Gab es aber nicht. Und so blieb die tolle
       Botschaft vielen im Müngersdorfer Stadion wohl ein Rätsel.
       
       Es ist eben eine hohe Kunst, komplexe Sachverhalte auf ein paar Metern
       Plane oder Stoff darzustellen, zu kommentieren und dabei auch noch halbwegs
       witzig zu sein. Daran müssen sie in Freiburg noch ein wenig arbeiten. Da
       war am Sonntag zu lesen: „Angst, dass es knallt? – TSG rennt eh!“ Was
       wollten uns die Fans wohl damit sagen? Es geht um
       [4][Bereichsbetretungsverbote] für Freiburger Ultras vor dem Spiel. Für
       eine genauere Erklärung ist hier kein Platz. Da geht es dieser Kolumne auch
       nicht anders als den Fans, die Spruchbänder gestalten.
       
       5 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ueli_Gegenschatz
 (DIR) [2] http://www.red-aces.de/fraktion-red-pride/
 (DIR) [3] http://www.pnn.de/regionalsport/1221068/
 (DIR) [4] http://www.badische-zeitung.de/freiburg/amt-sperrt-15-ultras-aus-protest-im-sc-stadion--142836222.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fußball-Bundesliga
 (DIR) Ultras
 (DIR) Fankultur
 (DIR) Fußball
 (DIR) FC Bayern München
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Fußball
 (DIR) Sex
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Kulturbeutel: Der Kicker und Kafka
       
       Fußballer sind eigentlich keine Leseratten. Ronaldo jedoch ist SciF-Leser.
       Und in Lagossas Stube ist in der bild.de-Soap ein Kafka-Buch erkennbar.
       
 (DIR) Kolumne Kulturbeutel: Weinende Wadl beim Weihefest
       
       Es war das Spiel des Jahres in München. Die Bayern-Amateure gegen 1860. Ein
       Männerspektakel, wie fürs Theater inszeniert.
       
 (DIR) Kolumne Kulturbeutel: Für eine Handvoll D-Mark
       
       Das romanhafte, beispiellose und doch so normale Leben des
       Basketball-Migranten Wilbert Olinde jr., den es 1977 nach Göttingen
       verschlug.
       
 (DIR) Kolumne Kulturbeutel: Helden wie die da
       
       Es ist nicht leicht. Wer jemanden als Alternative zum modernen Fußball
       verehren möchte, sollte besser nicht so genau hinschauen.
       
 (DIR) Kolumne Kulturbeutel: Lob der Schiebung
       
       Beim 11:9-Erfolg von Baikal-Energija gegen Wodnik Archangelsk in der
       Sportart Bandy sind nur Eigentore gefallen sind. 20 Eigentore!
       
 (DIR) Kolumne Kulturbeutel: Sex-and-Terror-Romane
       
       Grauenhafteres als die Realität lässt sich gerade kaum ausdenken. Manche
       Romane würden heute wohl aber nicht mehr so geschrieben.