# taz.de -- Beth Ditto in Berlin: Treffen der Diversitätlichkeiten
       
       > Geburtstagsständchen und Mehrgenerationentanz: Ex-Gossip-Sängerin Beth
       > Ditto stellt ihr erstes Soloalbum „Fake Sugar“ im Huxleys vor.
       
 (IMG) Bild: Beth Ditto, hier bei einem Konzert in der Schweiz im Juli 2017
       
       Am Donnerstagabend um 21 Uhr verloschen die gelben und roten Lichter in den
       leeren, goldenen Spiegelrahmen an den Längswänden des ausverkauften Huxleys
       Neue Welt, finster aber wurde es nicht. Ein Quartett – Gitarristin,
       Keyboarderin, Schlagzeuger und Bassist – enterte die Bühne und begab sich
       ohne viel Federlesens in eine Art Diskorock-Modus: Gitarrenhaken mit
       Groove, das Keyboard wehte aus den Achtzigern herüber, Beckenswing und
       Hi-Hat-Zischen, dazu knarziger Bass.
       
       Dann kam die Sängerin Beth Ditto ins Spiel. Barfuß ging sie und trug ein
       schwarzes Kleid mit einem wuchtigen Gürtel, bei dessen Anblick man sich
       bald fragen sollte, wie er ihr nicht die Stimme abschnürte. Die nämlich
       ist, was landläufig ein Organ, eine Röhre genannt wird; dabei weiß Ditto im
       nächsten Atemzug durchaus zu charmieren. Sie hat als Chorsängerin
       angefangen.
       
       Ditto brachte die Songs ihres im Juni erschienenen ersten Soloalbums „Fake
       Sugar“ zur Aufführung, erschienen nach insgesamt fünf LPs mit der
       nordamerikanischen Dancepunk-Band The Gossip, an denen niemand vorbeikam,
       der in den vergangenen 17 Jahren noch in Clubs gegangen ist.
       
       Verschiedene Rezensenten haben befunden, „Fake Sugar“ sei ein stellenweise
       zu gefälliges Album geworden. Das galt ebenso für Dittos Auftritt, doch hat
       ein Livekonzert den Vorteil, dass alles dann doch etwas rauer als auf
       Platte klingt.
       
       So war es auch hier. Die großen Momente gelangen, wenn Ditto und ihre Band
       sich eine sehr eigentümliche Mixtur aus Dramatik, Glamour und Tanzfläche
       traute. „Fire“ ist so ein Song, – mit seiner sich aus dem tiefsten Süden
       anschleichenden Basslinie erinnert er an Nick Caves „Night of the Lotus
       Eaters“ –, mit seiner unmissverständliche Aufforderung: Mach dich aus den
       Federn, wenn dir an meiner Liebe gelegen ist. „Fire“ eröffnet „Fake Sugar“,
       im Huxleys beschloss Ditto damit den ersten Teil ihres Konzerts. Ein
       anderes dieser Lieder ist „Oh My God“, eher von dieser Welt und ein Tanz
       zur Euphorie und Melancholie des Begehrens.
       
       ## Ditto mag Deutschland
       
       Nach einer Stunde dann der erste Abschied, doch sollte Beth Ditto
       wiederkommen, diesmal in einem Kleid aus Silberlamé. Sie weiß, was zu einer
       Show gehört. Und ja, den Gossip-Hit „Standing In The Way Of Control“ gab es
       dann auch noch. Die Zuhörer dankten es ihr. Überhaupt das Publikum: Der
       jüngste Konzertgänger dürfte um die 12, der älteste um die geschätzt 60
       Jahre alt gewesen sein. Man traf Menschen im T-Shirt der Sisters of Mercy
       und mit „Antihomophobe Aktion“-Aufdruck.
       
       Eine Besucherin trug auf ihrer Lederjacke The Exploited und die Dead
       Kennedys spazieren, andere waren im Ballkleid erschienen. Ein Treffen der
       Diversitätlichkeiten also. Wenn diese Leute der LGBT-Aktivistin Ditto
       zuhören, wie sie ihrer Frau Kristina Ogata ein Geburtstagsständchen singt
       und vorher erklärt, sie liebe Deutschland, seit sie auf der ersten Tour mit
       The Gossip in besetzten Häusern übernachtet hatte, dann weiß man, welches
       Deutschland Ditto meint.
       
       Und wenn die elegante und voluminöse Beth Ditto, sie muss eine traumatische
       Kindheit gehabt haben, auftritt, als läge das alles weit hinter ihr, doch
       das Kind ist geblieben, dann finde ich das gut.
       
       22 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Robert Mießner
       
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