# taz.de -- Hamburger Meisterschaft im Blitzlesen: Steter Blick auf die Uhr
       
       > Lässt sich das Literaturhaus für die eventigeren unter seinen Abenden von
       > Irohaarschnittträgern inspirieren? Man könnte es beinahe annehmen
       
 (IMG) Bild: Mehr als 20 Minuten für eine Buch-Partie? Nicht in Hamburg
       
       Für Marcel Reich-Ranicki wäre das sicher nichts: Viel zu wenig weihevoll,
       was da geplant ist, dafür viel zu sehr Spektakel. Wobei: Was wohl bis heute
       bekannteste unter den deutschen Literaturkritikern sagen würde zu all den
       Buchtrailern und -premieren, den Verleger-Tweets und Lektorats-Vlogs, den
       Debütantensalons und dem „junge Literatur“-Gehuber: Man wüsste es manchmal
       schon ganz gern, aber man ahnt auch: Es wären eher donnernde Worte denn
       wohlwollende. Aber nun gut, der Mann hatte seine Zeit, heutige Lesende und
       Schreibende haben die ihre.
       
       Kaum jedenfalls war in dieser Woche [1][die diesjährige Longlist
       verkündet], also sozusagen die vorletzte Sortierstufe des Deutschen
       Buchpreises, da teilte das Hamburger Literaturhaus mit, dass man von den da
       aufgeführten 20 KandidatInnen stolze 14 präsentieren könne – an ein und
       demselben Abend. 14 potenziell preiswürdige AutorInnen also, mit mehr oder
       weniger haushaltsbekannten Namen, die allesamt einen aktuellen Roman im
       Rennen haben, aus dem sie da nun vorlesen? Ja, das ist das Konzept der …
       nein, eine Lange Nacht der Longlist wurde nicht gleich daraus, aber ein
       erklärtermaßen „Großer Longlist-Abend“, den man außer Haus abhält: in den
       Räumen der Freien Akademie der Künste am Klosterwall.
       
       Zu den bekannteren Namen, die zugesagt haben, dürfte Mirko Bonné gehören
       mit seinem Roman „Lichter als der Tag“, Robert Menasse („Die Hauptstadt“)
       ist dabei, Marion Poschmann („Die Kieferninseln“) und Feridun Zaimoglu
       („Evangelio“). Besonderes Augenmerk verdient vielleicht Julia Wolf, die für
       ihr long-gelistetes Buch „Walter Nowak bleibt liegen“ soeben den
       diesjährigen Nicolas-Born-Debütpreis des Landes Niedersachsen erhielt. Auch
       in Klagenfurt war die gebürtige Groß-Gerauerin damit schon: Beim
       Ingeborg-Bachmann-Wettlesen trug sie im vergangenen Jahr einen Auszug aus
       „Walter Nowak …“ vor und bekam dafür den 3sat-Preis.
       
       Ob erstmals in Buchpreisnähe oder schon alte Häsin: 20 Minuten sollen auf
       eine jede und einen jeden entfallen, fürs Vorlesen und ein kurzes Gespräch,
       macht also geplant stolze 280 Minuten, es könnte aber sicher auch noch
       etwas später werden. Moderieren – und streng über die Uhr wachen – wird das
       „Gemischte Doppel“ aus der NDR-Kultur-Redakteurin Annemarie Stoltenberg und
       dem Literaturhausleiter Rainer Moritz, die sich ja regelmäßig im Funk und
       auf der Bühne über Neuerscheinungen austauschen.
       
       Ein schöner, Gedanke: Dass der Literaturhaus-Mann und die Radio-Frau sich
       das wahlweise erfrischende oder aufmerksamkeitsdefizitäre Konzept des –
       wiederum: – wahlweise prall gefüllten oder aber heillos überfrachteten
       Abends ausgedacht haben könnten an einem langen, vielleicht rotweinseligen
       Abend, an dessen Ende sie – ausgerechnet – im maximal nicht-hochkulturellen
       „Størte“ landeten. Wo die beiden dann, in einer ihrer seltenen
       Gesprächspausen, einen Flyer lasen, der hinwies auf die strukturverwandte
       Veranstaltung „5 Minuten ohne Kopf“.
       
       Deren inzwischen dritte Ausgabe steht zufällig auch an diesem Wochenende
       an. Weil 20 Minuten im ortsüblichen musikalischen Spektrum, also Punk und
       Hard- und all die anderen -cöre, ja schon ein vollwertiges Konzert sein
       können, ist die Taktung hier noch mal eine andere: Rund 40 Bands, so ganz
       genau wollte man sich vorab nicht festlegen, spielen da jeweils fünf
       Minuten lang. Macht rund 200, also einen deutlich kürzeren Abend als jenen
       der preisverdächtigen Bücher. Aber hier kann der Fahrplan natürlich erst
       recht ins Rutschen kommen, für das Einhalten von so was ist Punk ja damals
       nicht gegründet worden.
       
       Mit Eisenvater ist auch eine selten zu erlebende Band dabei, ganz im
       Gegensatz zu Boy Division, die derzeit ja jubiläumsbedingt eigentlich
       ständig irgendwo spielen. Aber wer genau alles auftritt, ist eigentlich
       ziemlich egal, weil wenn es gerade mal nicht so schockt, versucht man halt
       mit dem Kaltgetränk nach draußen zu gelangen, auf die Straße, und weil es
       sicher wieder knüppelvoll wird – 40 Bands, das sind ja, konservativ
       geschätzt, mindestens schon 120 Ausübende – kann man da auch gleich wieder
       kehrt machen: Unten spielen sicher schon die nächstem.
       
       25 Aug 2017
       
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