# taz.de -- Spielfilm „Der dunkle Turm“: Von Revolverhelden träumen
       
       > Nikolaj Arcel macht aus Stephen Kings 4.500-Seiten-Buch „Der dunkle Turm“
       > einen Fantasy-Science-Fiction-Horror-Western. Länge: 95 Minuten.
       
 (IMG) Bild: Für Idris Elba gibt es diesmal gegen die Mächte des Bösen viel zu ballern
       
       Um mal ein sehr abgenutztes Zitat erneut zu missbrauchen: Die meisten
       Blockbuster-Hits heutzutage gleichen einander, jeder Kinomisserfolg dagegen
       scheitert auf seine ganz eigene Weise. Die Stephen-King-Verfilmung „Der
       dunkle Turm“ ist am vergangenen Freitag in den USA angelaufen und kommt nun
       mit dem Emblem der Beschädigung bei uns in die Kinos, weil selbst bei einem
       für dieses Genre bescheidenen Produktionsbudget von 60 Millionen Dollar ein
       Einspiel von knapp 20 Millionen am ersten Wochenende als Debakel gilt.
       
       Tatsächlich lässt im Einheitsbrei der Kinoerfolge von „Guardians of the
       Galaxy 2“ bis „Wonder Woman“ nun gerade das Scheitern diesen „Dunklen Turm“
       herausragen. Nicht weil es das erste gestrandete Großprojekt in diesem Jahr
       wäre – auch „The Mummy“ und „Valerian“ wollten ganze „Cinematic Universes“
       begründen und stehen nun gleichsam verwaist da –, sondern weil sich
       zwischen Film und Rezeption eine Art eiserner Vorhang des
       Missverständnisses auftut.
       
       Dabei war „Der dunkle Turm“ schon immer ein schwieriges Projekt. Selbst
       Stephen-King-Fans scheiterten bereits an der Vorlage, die sieben Bände
       umfasst, mit sage und schreibe 4.500 Seiten. „Der dunkle Turm“ ist als
       Metawerk angelegt, verzeichnet in seiner langen Liste von Protagonisten
       auch einen namens „Stephen King“ und ist laut Autor inspiriert von einem
       Märchenstoff, dem Sergio-Leone-Film „Zwei glorreiche Halunken“, Tolkiens
       „Herr der Ringe“ und den Abenteuern von König Arthurs Tafelrunde. Wie macht
       man daraus einen Film, zumal einen
       „Fantasy-Science-Fiction-Horror-Western“?
       
       Das Großartige an Hollywood ist immer noch, dass etwas sein zu lassen keine
       Option darstellt, zumindest keine, die lange vorhält. Nach langen Jahren in
       der „Entwicklungshölle“ nahm die Verfilmung doch noch Gestalt an. Zuerst
       hätte der unvermeidliche J. J. Abrams Regie führen sollen, dann der noch
       unvermeidlichere Ron Howard, aber schließlich durfte Überraschungskandidat
       Nikolaj Arcel übernehmen. Der Däne hatte es mit seinem Kostümfilm „Die
       Königin und der Leibarzt“ nicht nur zu einer Auslands-Oscar-Nominierung
       gebracht, sondern darin auch Alicia Vikander der Welt vorgestellt.
       
       Nun eignet dem „Dunklen Turm“ auf den ersten Blick viel, was für ihn
       spricht. Da wäre zunächst die Laufzeit von nur 95 Minuten, die zwar die
       King-Fans – zur Erinnerung: die Vorlage umfasst rund 4.500 Seiten – in
       Alarmbereitschaft versetzte, aber für regelmäßige Kinobesucher ein echtes
       Erholungsversprechen bedeutet. Zum Zweiten sollte dies endlich der Film
       sein, in dem Idris Elba groß rauskommt.
       
       ## Unschuldige Aura
       
       Und selbst nachdem klar ist, dass Elbas Figur des „Revolverhelden“, der im
       Zentrum von Kings Büchern steht, im Film zur Nebenrolle umdisponiert
       wurde, gibt es da zum Dritten Tom Taylor, der als charismatischer
       jugendlicher Held Jake Chambers dem Ganzen die unschuldige Aura einer
       „Young Adult“-Erzählung verleiht.
       
       Ebenfalls für den Film spricht, dass er sich, statt zuerst all die
       Unkundigen mit den Eckpfeilern des Universums bekannt zu machen und lange
       Exposition zu üben, Hals über Kopf ins Geschehen stürzt. Der dunkle Turm
       wird gezeigt, dazu heißt es, dass er die Welten zusammenhalte, aber
       zerstört werden könne durch den „starken Geist“ eines Kindes.
       
       Gleich schon sieht man auch die Bösewichte am Werk: Matthew McConaughey
       (eher lustlos) spielt den „Schwarzen Mann“, einen luziferischen Magier,
       über den man wenig mehr erfährt, als dass er den Turm zerstören will. Zu
       diesem Zweck unterhält er in New York eine Art Filiale, in der er
       entsprechend begabte Kinder dazu zwingt, ihren Geist gen Turm zu richten.
       
       ## Zerstörungswerk des Schwarzen Mannes
       
       Erdbeben schütteln derweil die Stadt und lassen auch den bereits erwähnten
       Jake nicht zur Ruhe kommen, der nächtens vom Schwarzen Mann, dem dunklen
       Turm und dem „Revolverhelden“ träumt. Als begabtes Kind kann er den nach
       ihm ausgesandten Häschern gerade noch entkommen, um Roland, besagten
       Revolverhelden, ausfindig zu machen, an dessen Seite er dann den Kampf
       gegen das Zerstörungswerk des Schwarzen Mannes antritt.
       
       Das verzweigte Netz der parallelen Welten bei King findet sich im Film
       reduziert auf ein paar eher versteckte Anspielungen auf die Spuren, die
       Kings Werke durch die Populärkultur gezogen haben wie das Hotel aus
       „Shining“ oder der Themenpark aus „Es“. Genug, um zu imaginieren, dass in
       einem Paralleluniversum ohne Übersättigung an Fantasy- und
       Young-Adult-Verfilmungen ein Film wie „Der dunkle Turm“ der absolute Hit
       wäre.
       
       Darin käme dann tatsächlich Idris Elba als wehmütig-abgeklärter
       Revolverheld, mit so viel mehr Seelentiefe und Nuancen ausgestattet als
       sein Vorbild Clint Eastwood, groß raus. Und die Stelle, an der er mit
       unnachahmlichem Ernst das Angebot, einen „Hotdog“ zu essen, mit „ihr
       Barbaren“ kommentiert, wäre das Kinozitat des Jahres.
       
       10 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
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