# taz.de -- Das Zelluloid-Kino lebt: Von der Rolle
       
       > Durch die Digitalisierung des Kinos ist der Beruf des Projektionisten
       > fast überflüssig geworden. Doch einige kommunale Kinos halten an ihren
       > Zelluloid-Experten fest
       
 (IMG) Bild: 42 Sitze für ein Halleluja: Der kleine Saal im Oldenburger Cine K
       
       BREMEN taz | Wenn Filmvorführer im Film die Hauptrolle spielen, wird es
       dramatisch. In „Cinema Paradiso“ von Giuseppe Tornatore verliert der von
       Philippe Noiret gespielte Filmvorführer Alfredo in einem fürchterlichen
       Feuer das Augenlicht. Und in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“
       verändert ein brennendes Kino sogar die Weltgeschichte.
       
       Tatsächlich war das Bedienen eines Filmprojektors bis in die 50er-Jahre
       hinein ein gefährlicher Job. Lange wurden Nitratfilme vorgeführt, die sich
       leicht selbst entzünden konnten und deshalb heute unter das
       Bundessprengstoffgesetz fallen. In einigen Kinos, die kurz nach dem zweiten
       Weltkrieg gebaut wurden, gab es extra für den Vorführer neben dem
       Projektionsraums einen kleinen Balkon mit Loch im Boden und einer
       Rutschstange als Fluchtweg.
       
       Das sogenannte Zelluloid wurde dann langsam durch den „Sicherheitsfilm“ aus
       Celluloseacetat ersetzt, der höchstens mal im Projektor durchschmorte, wenn
       er steckenblieb. Das war dann immer eine Blamage für den Filmvorführer,
       doch dann kam der Film aus Polyester, der so stabil ist, dass er eher die
       Mechanik des Projektoren zerlegt, als selbst zu reißen.
       
       Gefährlich ist die Lage heute nicht mehr, aber dramatisch. Denn der Beruf
       des Filmvorführers ist zwar noch nicht ganz ausgestorben, aber durch die
       Digitalisierung weitgehend überflüssig geworden. Vor der umfassenden
       Umrüstung der Kinos auf digitale Projektion gab es noch um die 4.000
       Filmvorführer in Deutschland, von denen nun gerade mal 200 bis 300 übrig
       geblieben sind. Diese arbeiten vor allem in Kommunalkinos, bei denen der
       35-Millimeter-Projektor noch nicht abgebaut wurde, weil dort auch alte
       Kopien aus Archiven gezeigt werden.
       
       Kommerzielle Filmverleiher lassen schon lange keine Filmkopien mehr ziehen,
       Ausnahmen sind die 70-Millimeter-Versionen von Tarantino-Filmen und gerade
       aktuell „Dunkirk“ von Christopher Nolan. Vielleicht wird es einmal eine
       Renaissance der analogen Filmprojektion geben, so wie auch immer mehr
       Vinyl-Schallplatten verkauft werden. In Bremerhaven wird beispielsweise der
       Reisefilm „Flying Clipper – Traumreise unter weißen Segeln“ (siehe
       Shortcuts) analog auf 70mm gezeigt werden, aber das ist eine Ausnahme.
       
       Klaus Eichholz ist seit 1995 Filmvorführer im Bremer Kommunalkino City 46
       und hält dies auch heute noch für eine gültige Berufsbezeichnung, obwohl er
       inzwischen für die technische Leitung des Kinos verantwortlich ist. Er
       gehört zu der alten Garde der Filmvorführer, die, wenn es sein muss, einen
       Projektor auseinandernehmen und wieder zusammensetzten können. Jedes
       Filmfestival hatte einst einen von diesen hochbegabten Bastlern, die
       gerufen wurden, wenn es Probleme gab und dann fast immer auch schnell eine
       Lösung fanden. So konnte jeder Filmvorführer einen Film kleben, der
       gerissen war. Wenn jetzt bei einer digitalen Projektion etwas schiefläuft,
       muss der Kundendienst gerufen werden. Nicht einmal eine kaputte Lampe kann
       da noch ausgewechselt werden.
       
       Der analoge Projektionist musste den Film scharf stellen, bei der digitalen
       Projektion ist er immer optimal scharf. Früher war der Job noch richtig
       hart, denn die Filmrollen wogen rund 20 Kilo und mussten auf die Türme
       neben den Projektoren gehievt werden. Von Rückenproblemen hat Eichholz
       erzählt, dass er immer Hornhaut an den Fingerkuppen hatte, weil ein
       Filmvorführer jeden Filmstreifen einmal komplett durch die Finger laufen
       ließ, um Perforationsfehler zu finden und diese zu reparieren, damit die
       Filme nicht bei der Vorführung rissen. Der Filmstreifen für einen Spielfilm
       war drei bis vier Kilometer lang und es brauchte etwa 20 Minuten, um ihn so
       einmal durchlaufen zu lassen
       
       Klaus Eichholz bildet immer noch Filmvorführer aus, die dann im City 46
       eingesetzt werden. Sie lernen noch, den 35-Millimeter-Projektor zu
       bedienen. Das dauert etwa acht Stunden Im City 46 gibt es auch noch einen
       16-Millimeter-Projektor, der fast nur noch für Veranstaltungen mit
       Experimentalfilmen verwendet wird.
       
       Doch auch im City 46 wird inzwischen meist nur auf den Knopf gedrückt, um
       die digitale Projektion zu starten. Aber da dort viele verschiedene
       Produktionen in unterschiedlichen Formaten laufen, muss Eichholz oft Filme
       am Computer so umformatieren, dass sie im Kino überhaupt laufen können. Und
       auch weil das Kommunalkino oft Gäste hat oder live Musik gespielt wird, ist
       die Arbeit dort anspruchsvoller als in den kommerziellen Kinos, wo die
       gleichen Filme ja meist en suite in einem Saal von mittags bis nachts
       laufen.
       
       Inzwischen verleihen die Filmstudios die Filme nur noch mit einem digitalen
       Schlüssel, der nur innerhalb einer genau definierten Zeit gültig ist. Da
       kann es bei Verspätungen schon mal passieren, dass das Zeitfenster sich
       plötzlich schließt und der Film einfach abbricht. Kommerzielle Kinos sind
       inzwischen reine Abspielstätten und haben viel von ihrem Recht zu
       bestimmen, was wann und wo vorgeführt wird, abgegeben.
       
       3 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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