# taz.de -- Spielfilm „Die Geschichte der Liebe“: Die Welt auf den Schultern tragen
       
       > Radu Mihăileanus Romanverfilmung „Die Geschichte der Liebe“ ist schöner,
       > etwas braver Kitsch. Im Zentrum der Story steht ein verschollenes Buch.
       
 (IMG) Bild: Leo (Mark Rendall) findet Alma (Gemma Arterton) endlich in New York wieder. Aber es ist zu spät
       
       „Die Geschichte der Liebe“ ist Kitsch, wie er im Buch steht. Man weint beim
       Sehen leise vor sich hin und macht es sich im Mantel der Tröstung bequem,
       den der Film bereit hält. Er handelt von einem schrulligen, grantigen,
       alten Mann namens Leo Gursky, der allein in New York lebt. Nach dem Krieg
       ist er hierher gekommen, um seine Liebe wiederzufinden und mit ihr
       glücklich zu werden.
       
       Alma war von den Eltern in die USA geschickt worden, als die Nazis ihr
       Heimatland überfielen. Leo ist ein talentierter Autor, er konkurriert mit
       seinen Freunden Zvi und Bruno um die Liebe der schönen und klugen Alma –
       und um den besten Text. Er aber schreibt am besten und Alma liebt nur ihn.
       
       Leo schickt Alma die ersten Kapitel seines Buchs „Die Geschichte der Liebe“
       per Post nach New York, solange es trotz Kriegswirren möglich ist. Als er
       endlich selbst nach New York kommt, ist Alma verheiratet und hat zwei
       Söhne. Der ältere, Isaac, ist Leos Sohn.
       
       Alma nimmt Leo das Versprechen ab, Isaac nie zu erzählen, dass er sein
       Vater ist. So wie sie ihm noch in Europa das Versprechen abgenommen hat,
       sie nie zu vergessen und zu überleben. Leo ist ein tapferer Mann, der seine
       Versprechen einhält, selbst wenn es ihn sein eigenes Leben kostet und
       obwohl in jedem Versprechen schon der Verrat angelegt ist.
       
       Verrat ist das untergründige Thema dieses Films, und „Die Geschichte der
       Liebe“ weiß insgeheim, dass sie ganz Kultur und insofern selbst Verrat ist,
       indem sie zwar von den großen Verbrechen der Menschheit erzählt, am Ende
       aber die Sonne im Park scheint.
       
       ## Der Vater stirbt
       
       Leos Sohn Isaac wird ein berühmter Autor. Lange nachdem Alma gestorben ist,
       schickt Leo seine Lebensgeschichte, eine Nachschrift seiner verschollenen
       „Geschichte der Liebe“, an Isaac. Aber der meldet sich nie.
       
       Leo weiß nicht, dass eine andere Familie, die auch von einem Verlust
       geschlagen ist, von einem Buch namens „Die Geschichte der Liebe“
       beeinflusst ist, das vor langer Zeit die Lieblingslektüre der Eltern war.
       Ihre Tochter nennen sie Alma nach der Hauptfigur der „Geschichte der
       Liebe“, dann stirbt der Vater.
       
       ## Einer könnte der Messias sein
       
       Die Familie der jungen Alma ist Leo an Schrulligkeit ebenbürtig. Almas
       Bruder, Bird genannt, hält sich für einen der 36 Lamed Vavniks. Laut
       chassidischer Lehre sind dies die gottesfürchtigen Männer, die in jeder
       Generation die Welt auf ihren Schultern tragen, einer von ihnen könnte gar
       der Messias sein.
       
       Alma macht Survivaltraining, will Feuerwehrfrau werden und weist die Liebe
       eines hübschen, klugen und ehrlichen jungen Manns von sich, weil sie vom
       Tod des Vaters traumatisiert ist. Ihre Mutter raucht Kette und verbringt
       ihre Zeit im Garten, bis sie von einem mysteriösen Mann den Auftrag erhält,
       „Die Geschichte der Liebe“ vom Spanischen ins Englische zu übersetzen.
       
       ## Noch einen drauf
       
       Nicole Krauss, die Exfrau von Literaturdarling Jonathan Safran Foer, hat
       die Vorlage zu diesem Film geschrieben. Der Titel ihres Romans ist
       derselbe, und darin ist auch schon alles sehr kompliziert. Das Drehbuch
       setzt in jeder Hinsicht noch einen drauf. Regisseur Radu Mihăileanu hat es
       selbst geschrieben und den Film produziert.
       
       Der Mann arbeitet nach allen Regeln der Kunst. In über zwei Stunden
       Laufzeit entwickelt Mihăileanu die Handlung Szene um Szene, setzt
       wohldosiert Rückblenden ein, lässt die Geschichten des alten Leo und der
       jungen Alma in raffinierten Schnitten sich langsam aufeinander zubewegen
       und kann sich auf seine hervorragenden Schauspieler verlassen.
       
       ## Wenige gute böse Witze
       
       Handwerklich ist das auf höchstem Niveau, wirklich überraschend oder gar
       innovativ an keiner Stelle. Macht aber nichts, weil man ja weinen, hin und
       wieder auch herrlich lachen und alle diese Menschen höchst sympathisch
       finden kann. Und weil – trotz aller Schrecknisse, Grausamkeiten,
       Enttäuschungen – Leo ein glücklicher Mensch ist, der die Schönheit des
       Lebens zu schätzen weiß.
       
       Es gibt halt nur zu wenige gute böse Witze: Nur gegenüber einer Person ist
       Leo wirklich gemein. Immer wieder lässt er absichtlich seinen Kaffee auf
       den Boden plumpsen, weil das hübsche blonde Mädchen, das ihn im Café
       bedient, ein deutsches Mädchen ist. Es trägt die Boshaftigkeit des Alten
       lange mit Fassung. Als es endlich aus der Haut fährt, tut es das im
       falschen Moment. Denn dieses eine Mal lässt Leo sein Handy wirklich vor
       Schreck fallen: Die Zeitung berichtet vom Tod seines Sohns.
       
       20 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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