# taz.de -- Inklusive Bildung: Ini will einen Rettungsschirm
       
       > Erste Gespräche zwischen der Volksinitiative „Gute Inklusion“ mit
       > Hamburgs SPD und Grünen stehen an. Eine zentrale Frage: Wie viele Kinder
       > haben eigentlich Förderbedarf?
       
 (IMG) Bild: „Gute Inklusion“ auf gutem Wege: Ordner mit Unterschriften der Volksinitiative im Hamburger Rathaus.
       
       Hamburg taz | Mit einer musikalisch untermalten Präsentation trug die
       Volksinitiative „Gute Inklusion“ am Dienstagabend im Schulausschuss ihre
       Forderungen vor: Mehr Personal, barrierefreie Räume und Pflege- und
       Therapieangebote für körperlich behinderte Kinder, die Forderungen, für die
       die Gruppe in drei Monaten 24.000 Unterschriften sammelte, belaufen sich
       auf rund 50 Millionen Euro. Am Freitag soll es ein erstes Gespräch mit SPD
       und Grünen über eine Verständigung geben.
       
       Kommt es zu einer Einigung, wäre die Volksinitiative gestoppt. Erst vor
       einem Jahr hatte es auf diesem Weg eine Verständigung mit der Initiative
       „Guter Ganztag“ gegeben. Doch bei der Inklusion wird das vermutlich nicht
       einfach. Denn hier geht es um einen jahrelangen Streit.
       
       Die Initiative fordert vom Senat, endlich anzuerkennen, dass sieben Prozent
       der Kinder einen Förderbedarf im Bereich Lernen, Sprache, emotionale
       Entwicklung – kurz LSE – haben. Zur Zeit geht Schulsenator Ties Rabe (SPD)
       von rund vier Prozent aus. Diese Differenz führt nach Rechnung der
       Initiative dazu, dass Förderressourcen gestreckt werden und pro LSE-Kind in
       der Woche nur 1,9 Lehrerstunden ankommen. „Das reicht hinten und vorne
       nicht“, sagte Sylvia Wehde, Vertrauensfrau der Initiative und Mutter eines
       Kindes mit LSE-Förderbedarf. „Unsere Forderung: Es müssen so viele
       Lehrerstellen bereitgestellt werden, dass pro Schüler mit LSE drei
       Lehrerstunden zur Verfügung stehen.“ Das wäre das Minimum und immer noch
       halb so viel wie ehemals in den Integrativen Regelklassen (IR).
       
       ## 20 Jahre lang ging es gut
       
       Hamburg hatte vor der flächendeckenden Inklusion mehr als 20 Jahre sehr
       erfolgreich arbeitende Integrationsschulen, in der stetig eine
       Doppelbesetzung gewährleistet war, davon berichtet der pensionierte Lehrer
       Martin Reichert. Ohne so eine zweite Kraft in der Klasse sei es nicht
       möglich, auf schwierige Schüler einzugehen, die den Unterricht stören. Noch
       im Wahlkampf 2011 versprach die SPD, dieses Modell auf die ganze Stadt zu
       übertragen, doch hinterher schien das zu teuer.
       
       Der damalige SPD-Senat schaffte 2012 die Integrationsschulen ab, verteilte
       die Stellen um und führte ein anderes Modell ein. Reichert spricht von
       „Wortbruch“. Man müsse hier mehr Geld in die Hand nehmen. Nötig sei nun ein
       „Rettungsschirm für die Inklusion“.
       
       Es gab beim Sammeln der Unterschriften für die Volksinitiative „viel
       Rückenwind“, sagte Reichert. „Die Eltern sagen, Inklusion finden wir toll,
       aber nicht unter diesen Bedingungen.“
       
       So einen Vergleich zum Beginn ihrer Schulzeit zog auch Oberstufenschülerin
       Hanna Schweizer. „Früher waren jederzeit zwei Lehrkräfte in der Klasse.
       Damit war gewährleistet, dass jeder bekommt, was er braucht“, sagt
       Schweizer. Heute müssten leistungsstarke Schüler in den Stunden ohne
       Doppelbesetzung einspringen, um anderen zu helfen.
       
       ## Inklusion in Kinderschuhen
       
       Die zweite Forderung bezieht sich auf die Gruppe der Kinder mit
       körperlicher oder geistiger Behinderung. Hier steckt die Inklusion „noch in
       den Kinderschuhen“, das habe sogar Schulsenator Rabe mal eingeräumt.
       Sprich: Die allermeisten Eltern geben ihre Kinder noch auf spezielle
       Sonderschulen.
       
       „Hier stimmen die Rahmenbedingungen nicht“, kritisiert die Initiative.
       Deshalb sollten behinderte Kinder an Regelschulen den gleichen Anspruch auf
       Therapie und Pflege haben wie an den Sonderschulen. Nötig sei die feste
       Einstellung entsprechenden Personals sowie acht Quadratmeter pro Kind im
       Musterflächenprogramm. Und es soll einen „Masterplan“ für barrierefreie
       Schulen für zehn Jahre mit jährlich zehn Millionen Euro geben. Außerdem
       soll auch die Personalzuweisung für behinderte Kinder um ein Drittel erhöht
       werden, um durchgehende Doppelbesetzung und „multiprofessionelle
       Teamarbeit“ zu ermöglichen.
       
       ## Senator Rabe: „Kein Wortbruch“
       
       Ties Rabe erklärte am Dienstagabend im Schulausschuss, die SPD habe keinen
       Wortbruch begangen, die Partei habe lediglich versprochen, die
       Integrationsschulen als „Vorbild“ zu nehmen. Vom heutigen Modell würden
       alle Klassen profitieren und nicht nur ein kleiner Teil. Gleichwohl
       signalisierte auch Rabe zumindest Gesprächsbereitschaft. Etwa über
       „Poollösungen“ für die nötigen Physiotherapeuten. Und bei den
       LSE-Ressourcen zum Beispiel sei immer viel „Gerechne“ dabei, so Rabe. „Wir
       können gerne reden, ob das reicht.“ Das morgige Treffen sei zunächst mal
       „nur zum Kennenlernen“, sagt die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg.
       Man wolle schauen, ob man miteinander reden kann.
       
       13 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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