# taz.de -- Nach Anschlag auf Londoner Moschee: „Jetzt könnt ihr mich umbringen“
       
       > Der mutmaßliche Täter wurde von Augenzeugen festgehalten. Er ist
       > Engländer, weiß und war der Polizei bisher nicht bekannt.
       
 (IMG) Bild: Blumen in der Nähe des Tatorts
       
       London taz | Ein junger Mann steht hinter der Polizeiabsperrung. Seinen
       Namen will er nicht nennen. „Ihr Medien seid doch die, die alles
       verschlimmern. Nennt mich einfach Mohammad.“
       
       Der das sagt, ist etwa 30 Jahre als, schlank, eher klein; er trägt einen
       zerfransten Bart und schwarze Sportkleidung und erzählt, er habe seit
       Mitternacht nicht geschlafen. Nun ist es Montagvormittag. Mohammad ist
       aufgeregt. „Ich bin dageblieben, weil ich will, dass ihr richtig über
       dieses Attentat berichtet.“
       
       Seinen Freunden ruft er zu, sie sollten aufpassen, dass keine Bilder von
       ihm gemacht werden. Dann greift Mohammad nach seinem Handy und zeigt es
       vor. Man sieht einen Mann, der versucht, einen anderen wiederzubeleben.
       „Das war der ältere bengalische Herr, der hinterher starb“, erklärt
       Mohammad.
       
       Offiziell bestätigt ist, dass in der Nacht zum Montag um etwa 20 Minuten
       nach Mitternacht ein Mann mit einem geliehenen Kleintransporter mit hoher
       Geschwindigkeit in eine Menschenmenge raste, die gerade das islamische
       Muslim Welfare House im Stadtteil Finsbury Park verlassen hatte – nicht
       weit von der dortigen Moschee, wo einst der radikale Islamist Abu Hamza
       predigte. 10 Personen wurden verletzt, 8 davon später in Londons
       Krankenhäuser eingeliefert. Einer von ihnen soll inzwischen gestorben sein.
       
       ## Vierte Terrorattacke in Großbritannien 2017
       
       Mohammad zeigt ein weiteres selbst aufgenommenes Handyvideo, dass die
       Festnahme des mutmaßlichen Täters zeigt. Nur kurz sieht man einen Mann mit
       schwarzen krausen Haaren, den Mohammed als „weißen Engländer“ beschreibt.
       „Ein Freund von mir nahm ihn zusammen mit anderen in den Schwitzkasten und
       hielt ihn fest, bis die Polizei kam. Der Mann schrie: Jetzt könnt ihr mich
       umbringen, ich habe getan, was ich vorhatte. Und dann sagte er, er wollte
       alle Muslime umbringen.“
       
       Die Londoner Polizei stuft das Geschehen offiziell als Terrorattacke ein –
       die vierte in Großbritannien in diesem Jahr und die dritte in London. Es
       ist das erste Mal, dass ein wahrscheinlicher Rechtsextremist einen Anschlag
       mit Hilfe eines Fahrzeug durchführte; dieser Methode hatten sich in den
       vergangenen Jahren Islamisten bedient.
       
       Gemäß den bisherigen Ermittlungen hatte der mutmaßliche Täter das Fahrzeug
       nahe der walisischen Hauptstadt Cardiff gemietet. Er soll 48 Jahre alt und
       der Polizei bisher nicht bekannt sein. Laut Augenzeugen – darunter Mohammed
       – dauerte es 40 Minuten, bis der erste Krankenwagen am Tatort eintraf.
       Polizisten waren dagegen binnen weniger Minuten zur Stelle, das
       Sondereinsatzkommando war 10 Minuten später vor Ort.
       
       Der Imam der Gemeinde, Mohammed Mahmoud, schützte den Attentäter bis zu
       seiner Festnahme vor Racheangriffen. In einer Erklärung auf dem Internet
       dankte das Muslim Welfare House allen Helfern und besonders dem Iman für
       ihren Einsatz – und betonte zudem, man habe sich über Jahrzehnte für
       Frieden und Toleranz in Finsbury Park eingesetzt. „Wir verurteilen jegliche
       Hassattacke, die versucht unsere wundervolle Gemeinschaft
       auseinanderzureißen“, heißt es in der Erklärung. Erst vor wenigen Tagen
       hatte sich die Moschee an einem nationalen Tag für Toleranz zum Gedenken an
       die vor einem Jahr von einem Rechtsextremisten ermordete Labour-Abgeordnete
       Jo Cox beteiligt.
       
       In der Menge vor der Polizeiabsperrung unterstreicht Shiraz Kothia im
       weißen Kaftan dieselbe Botschaft. „Wir lassen unsere Gemeinschaft nicht
       durch einen einzelnen Geistesgestörten auseinanderbringen.“ Er sei extra
       aus Ostlondon hierher gereist, da er als Mitglied des Muslimischen
       Gemeinschaftsforums der britischen Hauptstadt an der vordersten Front der
       interreligiösen Arbeit stehe, daher sei er auch schon bei den Anschlägen
       auf der Westminster Bridge und der London Bridge sofort zu Hilfe geeilt.
       
       Im Gespräch mit der taz gesteht Kothia, dass vor Moscheen im Gegensatz zu
       Synagogen die Sicherheit nicht ausreichend sei. Nach Angaben eines
       Augenzeugen, die ein jüdischer Rabbiner bestätigt, eilten Mitglieder des
       Ostlondoner jüdisch-orthodoxen Sicherheitsdienstes Schomrim, der seit
       Jahrzehnten jüdische Objekte vor Terrorattacken schützt, zum Tatort in
       Finsbury Park, um bei dessen Absicherung und der Rettung der Überlebenden
       mitzuhelfen. Sie hätten auch Wasser verteilt. „Wir Muslime müssen unsere
       Sicherheit nun auch dringend verbessern“, glaubt Shiraz Kothia.
       
       Seit den Anschlägen von Westminster und Manchester ist es immer wieder zu
       Angriffen auf muslimische Einrichtungen in Großbritannien gekommen. Doch
       der von Montagmorgen ist der schlimmste seit dem Abbrennen eines
       somalischen Gemeindezentrums in Nordlondon vor vier Jahren.
       
       Am Straßenrand hinter den Journalisten und Schaulustigen steht etwas
       schüchtern Alison, eine Anwohnerin Mitte 60. Sie trägt ein T-Shirt mit der
       Aufschrift „Nicht in meinem Namen“ und hält ein selbst gemaltes Plakat mit
       der Forderung „Lasst unsere muslimische Nachbarn in Frieden“. „Ich lebe
       seit langer Zeit hier in Finsbury Park“, sagt sie. „Wir sind hier alle
       vereint. Es war mir wichtig, dass eine weiße Frau unseren muslimischen
       Nachbarn zeigt, dass wir weiterhin zusammen eine Nachbarschaft bleiben.“
       
       19 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn
       
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