# taz.de -- Kolumne Berliner Blick: „Ey, wir wurden gerade gesegnet!“
       
       > „Hass ist krass, Liebe ist krasser“ und Versionen des Schaltragens: Wie
       > genau verändert der Kirchentag 2017 Berlin?
       
 (IMG) Bild: „Lass uns endlich was risikieren“, singt Max Giesinger am „Abend der Begegnungen“ vor dem Brandenburger Tor
       
       „Bei uns ist jeden Tag Kirchentag“, scherzt mein Vater morgens um sieben,
       als die Glocken der Sankt-Michael-Kirche in Berlin-Kreuzberg läuten. Ich
       will nach Zeichen des Kirchentages suchen, in dieser Stadt, die ich so gut
       kenne. Wo sind die Treckingsandalen tragenden Jugendlichen, die gestern
       noch in Scharen aus dem ICE stiegen?
       
       Mittwochfrüh, die Fahrt zum Messegelände ist beunruhigend normal. Später
       dann die mega Kirchentagerfahrung auf dem Abend der Begegnung. „Lass uns
       endlich was riskieren“, singt Max Giesinger, daraufhin probiere ich eine
       Heuschrecke nach Anthropozäner-Küche. „Ey, wir wurden gerade gesegnet!“,
       rufen zwei ehemalige Kommilitonen, die mit Stullen in der Hand übers
       Straßenfest laufen.
       
       „Hass ist krass, Liebe ist krasser“, steht vor der russischen Botschaft mit
       Kreide auf dem Boden, sowie die Aufforderung, die Krim zu verlassen. Es ist
       Himmelfahrt, lauter Chart-Techno vermischt sich mit noch lauterem Gebrüll,
       als eine Gruppe Männer einen mit großen Boxen beladenen Bollerwagen auf den
       S-Bahnsteig hieven. „Stell dir mal vor, die wären jetzt in unserem Abteil!“
       Sich feiernde Testosteronherden sind schlimmer als singende Christen.
       
       Auf dem alternativen Kirchentag in der Emmaus-Kirche ist es voll. Der
       Soziologe Hartmut Rosa begeistert, tosender Applaus nach seinem Vortrag
       über Streit als Resonanzgeschehen. „Bist du da jetzt bei den Protestanten
       unterwegs?“ Skeptische Blicke von zufällig getroffenen Freunden. „Aber du
       schreibst schon auch kritisch, oder?“
       
       Nachts pilgere ich in die Martha-Gemeinde in Kreuzberg. Das Taizésingen ist
       vorbei, aber Tee gibt’s noch – bei Pfarrerin Monika Mathias, die mich
       konfirmiert hat. Ich habe den Kirchentag gefunden: eine Parallelwelt, in
       der man sich zurechtfinden kann.
       
       28 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edda Luisa Kruse Rosset
       
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