# taz.de -- Kommentar Bilanz des Kirchentags: Ihre Kirche ist voll
       
       > Seit Jahren träumt die evangelische Kirche von einem Comeback – trotz
       > sinkender Mitgliederzahl. Der Kirchentag macht ein wenig Hoffnung.
       
 (IMG) Bild: US-Pastorin Nadia Bolz-Weber lebt und arbeitet mit Menschen am Rande der Gesellschaft
       
       Als der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Wolfgang Huber,
       eine „Reformationsdekade“ für die Jahre 2008 bis 2017 mit dem Höhepunkt des
       Reformationsjubiläums 2016/17 ausrief, war auch dies die Hoffnung: dass
       diese zehn Jahre zu einem Aufbruch im Glauben führen würden, nicht zuletzt
       im Osten der Republik. Im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ träumte man in
       der EKD von einem „Wachsen gegen den Trend“.
       
       Knapp zehn Jahre danach ist klar: Dazu ist es nicht gekommen, weder
       bundesweit noch im Kernland der Reformation, in Ostdeutschland. Die Zahl
       der Gläubigen lutherischer Konfession sinkt weiter, die
       Kirchenaustrittszahlen bleiben konstant hoch – es gibt Aufbrüche in der
       evangelischen Kirche, aber die sind eher am Rand zu beobachten und
       zahlenmäßig klein.
       
       Auch der Kirchentag in Berlin und Wittenberg blieb hinter den
       Mega-hoffnungen der ersten Planungen zurück. Es war eher ein
       durchschnittliches Christentreffen. Von einem Ruck zu reden, der von diesem
       Kirchentag ausginge, wäre reichlich übertrieben.
       
       Dennoch, Spott und Häme sind in diesem Fall nicht angesagt. So wie es vor
       rund zehn Jahren richtig war, im Papier „Kirche der Freiheit“ fast schon
       brutal die Finger in die Wunden der hiesigen Kirche Luthers zu legen, so
       war es nötig, einen neuen Aufbruch zu wagen – und wie das eben mit
       Aufbrüchen ist: Manchmal klappen sie, manchmal nicht. Es ist jedoch
       wichtig, sie überhaupt anpackt zu haben.
       
       Interessanterweise gab gerade der nun zu Ende gegangene Kirchentag einen
       Hinweis darauf, wie ein Aufbruch vielleicht möglich wäre. Es waren die
       Berichte der auch [1][in der taz interviewten US-amerikanischen Pastorin
       Nadia Bolz-Weber], die hier viele TeilnehmerInnen faszinierten. Sie lebt
       und arbeitet vor allem mit Menschen am Rande der Gesellschaft: queeren,
       drogenabhängigen und alkoholkranken Gläubigen. Ihre Kirche ist voll. Früher
       hätte man Frauen wie sie Prophetinnen genannt.
       
       28 May 2017
       
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