# taz.de -- De Maizière auf der Re:publica: Eifersüchtig auf Facebook
       
       > Der Bundesinnenminister gibt auf der Netzkonferenz den Digitalpolitiker.
       > Netzaktive kritisieren seine Rolle bei Überwachung und Sicherheit.
       
 (IMG) Bild: Bundesinnenminister de Maiziére auf der Re:publica
       
       Berlin taz | Keine zehn billigen Thesen, sondern immerhin eine Abwägung:
       Auf der Netzkonferenz Re:publica in Berlin hat Bundesinnenminister Thomas
       de Maizière (CDU) am Mittwoch eine digitale Grundsatzrede zur Zukunft der
       Netzpolitik in Deutschland gehalten. Dabei hat de Maizière nach eigenen
       Worten ein Plädoyer für die Freiheit im Internet präsentiert – erreichen
       will er sie allerdings durch mehr staatliche Regulierung im Netz.
       
       Zu Beginn seiner Rede sagte de Maiziére, es gelte heute mehr denn je, das
       Freiheitsversprechen des Internet zu gewährleisten. „Durch die neuen
       Freiheiten im Netz entstehen jedoch auch neue Freiheitsbeschränkungen.“
       Diese könnten durch ganz unterschiedliche Machtkonzentrationen veranlasst
       sein – etwa durch ökonomische Marktmacht, gezielte Cyberangriffe,
       kollektive Shitstorms, Flucht vor Regulierung oder der Macht von
       Algorithmen.
       
       „Das freie Spiel der Kräfte“, sagte de Maizière, „funktioniert nicht ohne
       Regulativ.“ Deshalb müsse die Bundesregierung auf rechtsstaatlicher
       Grundlage eine kohärente Regulierungspolitik entwerfen, die bestehende
       Rechte auch im Netz umsetze. „Es fehlen uns heute technische Lösungen für
       rechtliche Herausforderungen und rechtliche Lösungen für technische
       Herausforderungen.“
       
       Unter anderem betonte der Innenminister die Bedeutung für demokratische
       Gesellschaften, die Programmierung und Wirkung von Algorithmen künftig
       kontrollieren zu können: „Algorithmen sind niemals neutral. Ihre Schöpfer
       und Anwender sind verantwortlich für sie. Die Entscheidungen von
       Algorithmen müssen nachvollziehbar sein und demokratische Staaten müssen
       das gewährleisten können“, sagte de Maizière am Mittag. Das müsse durch die
       Einrichtung entsprechender Gremien auch garantiert werden.
       
       ## Alte Bürgerrechtsforderung
       
       Der Ansatz hat – zumindest theoretisch – Gewicht. In der Konsequenz
       bedeutet er, dass auch und gerade die Algorithmen von mächtigen Unternehmen
       wie Google und Facebook einer demokratischen Kontrolle unterliegen müssten.
       Das fordern Bürgerrechtler seit langem – faktisch liegt das allerdings in
       weiter Ferne.
       
       Ebenfalls sprach sich de Maiziére für ein Recht auf Anonymität im Netz aus.
       „Anonymität ist eine der Voraussetzungen für politische und geistige
       Freiheit“, sagt er. Jedoch habe es „weder online noch offline“ jemals eine
       absolute Anonymität gegeben. Es sei doch bemerkenswert, dass heute vor
       allem private Unternehmen den Zugriff auf die privatesten Daten der
       Menschen hätten. Damit deutet der Minister darauf hin, dass es letztlich
       immer der Staat sein müsse, der den Zugriff auf die Daten des Bürger
       gewährleisten muss – etwa um Rechtsverstöße aufzuklären.
       
       Im Hinblick auf die künftige Regulierung der digitalen Sphäre forderte de
       Maizière, es dürfe keine rechtliche Sonderstellung im Netz geben. „Ich bin
       davon überzeugt, dass wir besondere Rechtsregeln für die virtuelle Welt
       nicht brauchen. Wir brauchen spezielle Regelungen, aber keine besonderen“,
       sagte der Innenminister. Explizit sprach er sich auch gegen Bestrebungen
       aus, eine digitale Grundrechtecharta formulieren zu wollen. „Wir haben
       bereits geltende Grundrechte. Die gelten überall.“
       
       ## Kritik vom CCC
       
       Kern seiner Botschaft war jedoch – wenig verwunderlich – der Ruf nach
       stärkeren Ermittlungsbehörden. „Die IT- und Cyberischerheit ist die Basis
       all dieser Freiheiten“, sagte er am Schluss. Damit warb de Maizière etwa um
       Akzeptanz für die in der Netzszene umstrittene neue Schnüffelagentur Zitis.
       Diese soll künftig die Bundesregierung dabei beraten, mit welchen
       Spionagewerkzeugen deutsche Behörden rechtskonform und effektiv
       Kommunikation abfangen können. Abzusehen ist, dass mit der Agentur die
       Fähigkeiten der Bundesregierung verbessert werden sollen, im Rahmen der
       sogenannten „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ mit dem Einsatz von
       Keyloggern und Bildschirmspionage effektivere Personenüberwachung betreiben
       zu können.
       
       Kritik erntete der CDU-Politiker, der zuletzt mit zehn umstrittenen Thesen
       für eine deutsche Leitkultur für Schlagzeilen gesorgt hatte, auf der
       Re:publica unter anderem von Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer
       Clubs in Berlin. Sie hielt de Maiziére vor, bei aller Rhethorik für mehr
       Freiheitsrechte genau diese in seiner Amtszeit aktiv eingeschränkt zu haben
       – etwa durch den Ausbau der Vorratsdatenspeicherung oder jene Agentur
       Zitis. Kurz sagte: „Mit dem Aufkauf von Sicherheitslücken alimentiert die
       Bundesregierung einen Grau- und Schwarzmarkt. Das führt nicht zu mehr
       Sicherheit, sondern zu mehr Unsicherheit im Netz.“ Hintergrund ist die
       Frage, inwiefern die Bundesregierung auch selber Sicherheitslücken auf dem
       Schwarzmarkt aufkauft, um diese für eigene Spionage zu nutzen.
       
       Auch der Blogger und Mitgründer der Re:publica, Markus Beckedahl,
       kritisierte de Maiziére immer wieder. Er forderte den Minister unter
       anderem auf, ein Transparenzgesetz auf Bundesebene einzuführen – und
       dadurch das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz zu ersetzen. „Wir müssen
       auch seitens des Staats mehr wagen“, sagte Beckedahl. „Statt die Bürger in
       eine Bittstellung zu bringen, sollte der Staat seine Informationen von sich
       aus und proaktiv veröffentlichen“, forderte er.
       
       Auf der Re:publica in Berlin treffen sich seit Montag rund 8.000
       Unternehmer und Programmierer, Politiker, Journalisten und Netzaktivisten,
       um über gesellschaftliche Fragen rund um Digitalisierung zu reden. Die
       Konferenz gehört zu den weltweit größten ihrer Art.
       
       10 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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