# taz.de -- #ESC am Dnipro, 1. Folge: Wo bleibt die Hoffnung?
       
       > Vor dem ESC ist mitten im kalten Krieg mit Russland: Die Ukraine hat
       > schwerwiegende Probleme rund um den Eurovision Song Contest.
       
 (IMG) Bild: Auch sie blickt skeptisch ob der ESC-Liebe: Verkäuferin in Kiew
       
       Kiew taz | Die Ukraine wollte diesen Eurovision Song Contest so sehr wie
       politisch kaum etwas anderes: das fetteste Popspektakel, das von 150
       Millionen Leuten (nicht nur) in Europa gesehen wird – und auch beim
       Nachbarn in Russland, mit dem man ja, des Bürgerkriegs in der Ostukraine
       wegen, in gründlicher Aversion verbunden bleibt.
       
       Und dann gewinnt eine Sängerin namens Jamala tatsächlich – und lässt dabei
       auch den russischen Star Sergej Lazarev hinter sich. Das ist jetzt ein Jahr
       her, und Kiew bereitet sich seitdem auf das Event vor. Allerdings schwer
       verwundet, in vielerlei Hinsicht.
       
       Erstens ist die Finanzierung immer unsicher geblieben, sogar der
       öffentlich-rechtliche Sender schlingert am Rande des Bankrottes, seit die
       ukrainische Regierung beschlossen hat, dass dieser die Show zu bezahlen
       hat.
       
       Höchstes Personal musste gehen und konnte nur mühselig ersetzt werden: Die
       European Broadcasting Union in Genf, Zentrale des nichtprivaten
       Fernsehgeschehens in Europa, war und ist genervt, aber man hielt zum
       ukrainischen Gastgeber.
       
       Aber Russland ist nun raus, das Nachbarland hat die Ukraine hübsch in die
       Abseitsfalle gedrängt. Hat eine Sängerin nominiert, von der man sicher sein
       konnte, dass die Kiewer Sicherheitsstellen ihr kein Visum geben würden,
       denn Julia Samoilowa trat nach der Okkupation der ukrainischen Krim dort
       auf und fuhr von Russland aus dorthin.
       
       ## Herzlose Ukraine?
       
       Das ist verboten, das verbietet jede Chance zur Einreise in die Ukraine –
       und diese hat nun den Imageschaden, denn alle restliche Welt dachte: Wie
       kann denn eine Sängerin, die seit vielen Jahren im Rollstuhl sitzen muss
       wegen einer chronischen Erkrankung, eine Böse sein, der man die
       Karrierechance verwehrt?
       
       Herzlose Ukraine – als dieses Imageding lanciert war, nicht zuletzt durch
       russische Medien wie Russia Today, weil eben die Kiewer Behörden auf die
       Einhaltung ihres Rechts pochten, war man in Moskau zufrieden – und
       verzichtete auf die Übertragung aller ESC-Shows in der kommenden Woche,
       sowohl auf die Semifinals wie auch auf das Grand Final am 13. Mai.
       
       Das hat die Ukraine davon: Wollte man doch dem russischen Publikum sich als
       europäisch präsentieren und wird nun nicht zwischen Kaliningrad und
       Wladiwostok übertragen.
       
       Dabei hatte man sich so ein schönes Motto überlegt: „Celebrate Diversity“,
       was zwar nur nationalkulturell gemeint ist, aber insgesamt doch auch die
       schwule ESC-Community für die Stadt einnimmt, zumal es, im Gegensatz zu
       Russland, in der Ukraine keine homophoben Gesetze gibt.
       
       Kiew in diesen ersten Probentagen zum 62. Eurovision Song Contest ist
       freilich immer noch eine Stadt, die um Europäisierung ringt. Das
       gewöhnliche Touristenalltagsenglisch wird nur selten verstanden oder gar
       gesprochen, aber das extrem freundlich und zugewandt. Das Wetter ist kühl,
       der Dnipro fließt wie eine wässerne Macht durch die Stadt – auf deren
       Hügeln der schöne Teil der Hauptstadt liegt. Die meisten der 10.000
       Besucher*innen des ESC in Kiew sind im Anflug – die Stadt schmückt sich mit
       Blumen.
       
       4 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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