# taz.de -- Gerda Hasselfeldt beendet ihre Karriere: Heim nach Niederbayern
       
       > Nach 30 Jahren im Bundestag hört die CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt
       > auf. Sie geht zurück nach Bayern – ohne Hobby.
       
 (IMG) Bild: Dahoam im Bayerischen Wald: CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt
       
       Haibach taz | Leider, sagt Gerda Hasselfeldt, leider habe sie so gar kein
       Hobby. Nichts, was sie endlich mal machen könne, wenn sie am Ende dieses
       Jahres in den politischen Ruhestand geht. Halt, doch. Neulich hat sie sich
       ein Klavier gekauft, erzählt sie, ein E-Piano.
       
       Vor mehr als fünfzig Jahren, als Ursulinen-Schülerin in Straubing, hatte
       sie schließlich mal Klavierunterricht. Und neulich, sie war mit ihrem Mann
       unterwegs in der Stadt, kamen sie an einem Instrumentengeschäft vorbei.
       „Ich gucke nur mal“, hat sie gesagt. Und dann hat sie sich das Klavier
       gleich gekauft. „Jetzt klimpere ich“, sagt Gerda Hasselfeldt und schaut auf
       ihre kurzen Finger, „und bald nehme ich Stunden.“
       
       Das klingt wie die Rückeroberung des Privaten. Aber so, wie Gerda
       Hasselfeldt nach dreißig Jahren Vollzeitpolitik umständlich zu erklären
       versucht, warum sie noch keinen rechten Plan für ihr zweites, ihr privates
       Leben hat, ist das auch ein bisschen traurig. Wer ist man als Mensch nach
       dem Ausstieg aus der Politik? Gerda Hasselfeldt fällt da nicht viel ein.
       
       Die CSUlerin wird demnächst 67 Jahre alt, und sie ist nicht die Einzige,
       die nicht mehr zur Wahl im September antritt. Der grüne Abgeordnete
       Christian Ströbele hört auf, ebenso Parlamentspräsident Norbert Lammert von
       der CDU und die Übergangs-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries aus der
       SPD-Fraktion. Gefragt, worauf sie sich freuen, antworten diese Politiker
       alle in etwa dasselbe: die Kinder, die Enkel, die Zeithoheit.
       
       ## Einladung nach Haibach
       
       Aber wovon ist denn die Rede, wenn „die Kinder“ längst erwachsen sind? Und
       „die Enkel“ schon in der Pubertät? Auch die Ehepartner haben sich nach
       Jahrzehnten Fernbeziehung, getaktet durch Sitzungswochen, Klausuren,
       Dienstreisen und Fraktionsscharmützel, ein eigenes Leben eingerichtet. Wer
       ist man da eigentlich noch, wenn man endlich man selbst sein darf?
       
       Vielleicht ist es diese Frage, der Gerda Hasselfeldt nachgehen möchte. Die
       Vorsitzende der CSU-Landesgruppe hat eine Handvoll Journalisten nach
       Niederbayern eingeladen, wo sie herkommt. „Ich will zum Abschied noch
       einmal zeigen, wo meine Wurzeln sind“, sagt sie im Bus nach Haibach.
       
       Dort, anderthalb Stunden nordöstlich von München, am Rand des Bayerischen
       Waldes, ist sie aufgewachsen. Und dort hat sie zusätzlich zum Münchner
       Reihenhaus seit sechs Jahren wieder „eine Bleibe“. Mit ihrem zweiten Mann,
       dem früheren CSU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Zeitlmann, bewohnt sie
       einen modernen Bungalow am Hang.
       
       Dass die gerade mal 2.200 Haibacher in 78 Ortsteilen leben, mag
       illustrieren, wie zurückgezogen das Leben hier ist. Im Dorf sieht man
       Deutschlandfahnen vor Doppelgaragen und mit Ostereiern behängte
       Forsythiensträucher. Rund um den Ort thronen zahllose Gehöfte, auf den
       kurvigen Landstraßen tuckern Traktoren.
       
       In der Haibacher Ortsmitte steht der Gasthof Rainer, ein Trumm von einem
       Haus. Vorn zur Straße das Gasthaus, hinten im Hof die Metzgerei. Niemand
       wohnt hier mehr, das Haus wird nur noch für Feste geöffnet. 1947 hatte
       Vater Alois den elterlichen Betrieb übernommen. Er war Bürgermeister und
       saß für die CSU im Kreistag und im Münchner Landtag.
       
       ## Auch der Bruder Alois im Bundestag
       
       Von 1965 bis 1983 vertrat er den Wahlkreis Straubing im Bonner Bundestag.
       Vier Jahre nach seinem Rückzug erbte seine Tochter Gerda ausgerechnet den
       Wahlkreis von CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Dass auch sein jüngster
       Sohn Alois junior 2013 Bundestagsabgeordneter wurde, hat er nicht mehr
       erlebt. Der Metzgermeister ist im Parlament einer von nur sechs
       Handwerkern.
       
       Die Rainers sind also Fleisch vom Fleische der CSU. Das kann nicht schaden,
       wenn man in Bayern wer sein möchte. Aber im Fall von Alois Rainers Tochter
       Gerda – verheiratete, geschiedene und wiederverheiratete Hasselfeldt – mag
       deren ruhige Art nicht so recht zur Hemdsärmeligkeit der Partei passen.
       
       Als Landesgruppenvorsitzende ist Hasselfeldt die Chefin der 56 bayerischen
       Abgeordneten in der Unionsfraktion. Zugleich ist sie Horst Seehofers
       Emissärin in Berlin. In der Flüchtlingsfrage verschwamm dieses
       Aufgabenprofil zusehends. Während Seehofer ein ums andere Mal
       öffentlichkeitswirksam zum Angriff gegen Merkel blies, versuchte
       Hasselfeldt, in Berlin zu beschwichtigen.
       
       2015, bei der Klausur der Landtagsfraktion, fielen die Abgeordneten wegen
       Angela Merkels Flüchtlingspolitik regelrecht über sie her. Die Erinnerung
       an das Scherbengericht von Kloster Banz sitzt noch immer tief. „Das hat
       mich getroffen, auch menschlich“, sagt sie. Und dass sie „so etwas“ nicht
       noch einmal erleben will. Muss sie nicht. Im Herbst ist Schluss in Berlin.
       Dass ihren Wahlkreis eine der wenigen Frauen in der Männerpartei CSU
       übernimmt, dafür hat sie noch diskret gesorgt.
       
       ## Watschen von Gerda
       
       Die stille Frau Hasselfeldt mit den weißen Haaren und den farbintensiven
       Kostümen tickt eben anders als die Großkopferten wie Parteichef Horst
       Seehofer und dessen wütender Nachfolgeanwärter Markus Söder. Dass als ihr
       Amtsnachfolger der machtbewusste Maut-Minister Alexander Dobrindt gehandelt
       wird, mag als Hinweis darauf gelten, wie sehr Hasselfeldt innerparteilich
       in der Kritik steht. Hört man sich um, vernimmt man den Wunsch nach „mehr
       Bayern, weniger Merkel“.
       
       In Berlin sei die „Zeit der Damenhaftigkeit abgelaufen“, seit Seehofer sich
       in den offenen Clinch mit der Kanzlerin begeben habe, sagt ein
       CSU-Abgeordneter.
       
       Fünf Schwestern waren sie daheim; Mitte der sechziger Jahre kam noch Alois
       junior dazu. Dass in der Wirtschaft mitgearbeitet wurde, verstand sich von
       selbst. Und dass man gegen betrunkene Gäste schon mal handgreiflich wurde,
       schickte sich zwar nicht, war aber eine Frage der Selbstachtung. Gerda
       Hasselfeldt erzählt heute noch gern, wie sie einem anzüglich daherredenden
       Gast eine gescheuert hat. Die Ohrfeige von einst bedeutet für ihre Arbeit
       als Politikerin: Unterschätzt mich nicht, ich kann auch anders.
       
       ## Kreuz und Kohlbiographie
       
       Zweihundert Meter die steile Dorfstraße hinauf wartet Wolfgang Zeitlmann
       mit Kaffee und Kuchen. In dem langgezogenen Wohnzimmer mit der offenen
       Küche, den alten Teppichen und Antiquitäten hängt dicht an dicht Kunst:
       bayerische Hinterglasmalerei, Landschaften, Ölgemälde und Drucke. Eine
       geschnitzte Madonna mit Kind überblickt den Raum, neben dem Esstisch hängt
       ein schweres dunkles Kreuz, im Bücherregal steht eine Kohl-Biografie.
       
       Zeitlmann, schwarzes Polohemd, schwarzer Pullunder, kredenzt Kaffee und
       unterhält lautstark die Gäste. Er weiß, wie Journalisten ticken – achtzehn
       Jahre lang hat er im Bundestag gesessen, nur zwölf weniger als seine
       Ehefrau. Stolz erzählt Zeitlmann, dass er für seine Gerda die bunten
       Kostüme und den Schmuck einkauft.
       
       Er schenke ihr einfach gern was, „wenn sie kaputt aus Berlin hier ankommt“,
       sagt der Rechtsanwalt. Das Einkaufen mache ihm eine Riesenfreude, denn „nix
       ist doch hässlicher wie eine schlecht gekleidete Frau“. Er meint das nicht
       so; er schaut halt, wie das Gesagte beim Gegenüber ankommt.
       
       Seine Frau wirkt ein bisschen nervös. Es ist ja auch ungewöhnlich, dass
       eine Spitzenpolitikerin einen Haufen Journalisten in ihr Haus einlädt. Man
       steht herum, gibt Milch in den Filterkaffee, kostet die Donauwelle und
       fragt sich, warum die spröde Frau Hasselfeldt ihre Haustür geöffnet hat.
       Vielleicht um nicht nur der Öffentlichkeit, sondern vor allem sich selbst
       zu versichern, wie schön dieses Zuhause ist, dass am Ende dieser
       Legislaturperiode auf sie wartet.
       
       ## Kochkurs und Schnaps
       
       Zeitlmann und sie haben aus ihren vorhergehenden Ehen sechs Kinder und
       dreizehn Enkel, das 14. ist gerade unterwegs. Als die beiden CSU-Politiker
       vor einem Vierteljahrhundert ein Paar wurden, so war in der Zeit zu lesen,
       hätten beide erst einmal lernen müssen, wie ein Haushalt funktioniert.
       Keiner von beiden konnte kochen, keiner hatte je geputzt oder eingekauft.
       Ihre Kinder hätten ihnen damals erstmals einen gemeinsamen Kochkurs
       geschenkt. Beide waren sie zuvor mit Partnern verheiratet gewesen, die sich
       um Haushalt und Kinder kümmerten.
       
       In der Haibacher Bleibe sagt Gerda Hasselfeldt denn auch, sie sei keine
       große Köchin. Und im Übrigen auch keine Gärtnerin. Den kleinen Garten neben
       dem Haus haben sie so pflegearm wie möglich angelegt: ein paar Rosen, ein
       halbes Dutzend Obstbäume und gut. Anders als sie selbst hat ihr Ehemann ein
       Hobby: Wolfgang Zeitlmann brennt gern Schnaps. Während der letzten
       Sitzungswoche im alten Jahr ist er damit nach Berlin gereist, im Gepäck
       kleine Fläschchen Selbstgebrannter für die Mitarbeiter von seiner Gerda.
       Auch für die Journalisten.
       
       Beim weiß-blauen Stammtisch, dem Hintergrundtermin in der bayerischen
       Landesvertretung, sah man den breiten Mann dann hinten im Raum hocken. Vorn
       saß seine nobel gekleidete Ehefrau und beantwortete milde lächelnd die
       Fragen der Hauptstadtpresse.
       
       Am Schluss dieses letzten Dezembertermins wünschte Gerda Hasselfeldt dann
       allen Anwesenden ein gesegnetes Weihnachtsfest. Ihr Mann nickte und
       lächelte. Beim Hinausgehen bekam jeder Journalist eine kleine Tüte mit
       seinem Schnaps.
       
       NaN NaN
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
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