# taz.de -- US-Außenminister reist nach Brüssel: USA justieren ihr Verhältnis zur Nato
       
       > Noch vor zwei Monaten hielt Donald Trump die Nato für „obsolet“. Nun will
       > Rex Tillerson die Militärhaushalte des Bündnisses aufstocken.
       
 (IMG) Bild: Die US-Spitze jongliert mit ihrer Position zur Nato
       
       NEW YORK taz | Rex Tillerson, der sein Leben lang Geschäfte mit Öl gemacht
       hat, verfügt weder über Erfahrung in der Politik noch im Militär. Aber bei
       seinem allerersten Nato-Außenministertreffen will er seinen Kollegen aus
       den 27 anderen Mitgliedsländern Lektionen erteilen. Tillerson wird am
       Freitag zu einem Antrittsbesuch in die Türkei fahren, wo er Recep Tayyip
       Erdogan trifft, jedoch „keine Zeit“ für Treffen mit Vertretern der
       Opposition hat. Danach wird er direkt in Brüssel Halt machen.
       
       Bei der Nato verfolgt er zwei „große Ziele“: Er will seine Kollegen
       drängen, ihre Militärhaushalte radikal zu erhöhen und die Nato stärker am
       Kampf gegen den Terrorismus zu beteiligen. „Der Minister erwartet einen
       klaren Pfad, der sowohl das Engagement als auch einen Zeitplan zeigt“,
       sagte ein hochrangiger Mitarbeiter am Dienstag in einer Telefonkonferenz.
       
       Zwei Monate, bevor Donald Trump zum Nato-Gipfel nach Brüssel fährt, hält
       das US-Außenministerium den Zeitpunkt für Tillersons Mission für „günstig“.
       Das hatte kurz zuvor in Washington noch ganz anders geklungen. Da wollte
       Tillerson das Treffen ganz auslassen. Zum Entsetzen seiner Nato-Kollegen
       spielte er mit dem Gedanken, stattdessen nach Moskau fahren. Den
       Meinungsumschwung des Ministers im letzten Moment erklärte sein Sprecher
       damit, dass die Nato ihren Termin für das Treffen geändert habe.
       
       Tatsächlich jongliert vor allem die US-Spitze mit ihrer Position zur Nato.
       Noch im Januar erklärte Trump in einem Interview mit der Bild die
       Militärallianz für „obsolet“. Inzwischen beteuert er selbst, sein
       Verteidigungsminister und sein Außenminister, dass die USA zu der
       Militärallianz stehen und weiterhin ihre „Verpflichtungen“ einhalten
       wollen. Allerdings fügen sie hinzu, es sei „nicht vertretbar“, dass die USA
       weiterhin einen „unverhältnismässig großen Anteil der Abschreckung und
       Verteidigung“ finanzierten.
       
       ## Zwischen Paternalismus und Schärfe
       
       Statt von der Abschaffung der Nato redet Trump jetzt davon, dass alle
       Mitgliedsländer ihre Militärbudgets bis spätestens zum Jahr 2024 auf zwei
       Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöhen müssten. Davon sollten sie 20
       Prozent in den „Aufbau von Kapazitäten“ stecken, also in militärische
       Ausrüstung.
       
       Auf das Zwei-Prozent-Ziel haben sich die Nato-Mitgliedsländer lange vor
       Trump geeinigt. Sie legten es beim Nato-Gipfel im Jahr 2014 schriftlich
       fest und kamen damit einem jahrelangen Drängen Washingtons nach stärkerer
       Lastenteilung entgegen. Doch vorerst halten sich nur wenige an diese selbst
       gesteckte Regel.
       
       Die USA, die mit gegenwärtig knapp 600 Milliarden Dollar das weltweit
       größte Militärbudget haben, geben rund 3,5 Prozent ihres BIP dafür aus. Im
       Vergleich dazu liegt Deutschland bei knapp 1,2 Prozent des BIP. Würde
       Berlin seinen Militärhaushalt der Nato-Regel anpassen, müsste es die
       Militärausgaben von gegenwärtig rund 37 Milliarden Euro um weitere 25
       Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
       
       Welche Druckmittel die US-Spitze einsetzen will, um ihre Forderung
       durchzusetzen, ist unklar. Von einem Abzug aus Europa ist keine Rede. Und
       Trump will sein „nicht vertretbares“ Militärbudget um beinahe zehn weitere
       Prozent erhöhen. Im Umgang mit den Nato-Partnern wechselt seine Regierung
       zwischen Paternalismus und Schärfe. Die drei baltischen Länder, deren
       Außenminister Anfang der Woche in Washington waren, bekamen vom
       US-Außenministerium ein Lob für ihr „Engagement“. Estland hat bereits die
       Nato-Vorgabe erreicht, Lettland und Litauen stehen kurz davor.
       
       ## Ein Gewinner steht längst fest
       
       Gegenüber Berlin hingegen schlägt Trump einen scharfen Ton an, der an seine
       Mauerbau-Geldforderungen an Mexiko erinnert. Am Tag nach dem Antrittsbesuch
       von Angela Merkel veröffentlichte er einen Tweet mit dem Inhalt
       „Deutschland schuldet der Nato riesige Geldmengen“. Die Londoner Times
       wollte sogar wissen, dass er der Kanzlerin bei ihrem Besuch eine „Rechnung“
       in Höhe von 374 Milliarden Dollar präsentiert habe. Letzteres bestreitet
       das Weiße Haus. Aus Berlin konterte Verteidigungsministerin Ursula von der
       Leyen, dass es in der Nato kein Schuldenkonto gebe. Und Merkel, die 2014
       der Nato-Erhöhung zugestimmt hat, wies darauf hin, dass Verteidigung auch
       aus europäischen Beiträgen in Afrika bestehe.
       
       Aber ein Mitarbeiter des Außenministeriums sagte über die generelle
       militärische Ausgabenbereitschaft in Europa: Die Alliierten würden
       „besser“. Er sprach bei einer der Telefonkonferenzen mit Journalisten, die
       gegenwärtig an die Stelle der traditionellen Pressebriefings vor laufenden
       Kameras im Außenministerium getreten sind. Tillerson hält Medien auf
       Abstand. Bei den Telefonkonferenzen gibt sein Ministerium das Thema vor und
       besteht darauf, dass die Sprecher namenlos bleiben.
       
       Ein Gewinner steht längst fest: die US-amerikanische Rüstungsindustrie, die
       viele Alliierte beliefert. Marillyn Hewson, Chefin des Rüstungskonzerns
       Lockheed Martin, der das Kriegsflugzeug F-35 herstellt, spricht bereits von
       einem „Trump-Effekt“ bei Nato-Mitgliedern. Falls alle Nato-Mitglieder so
       aufstocken, wie Trump es verlangt, erwartet sie Mehrausgaben in Höhe von
       100 Milliarden Dollar.
       
       29 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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