# taz.de -- US-Luftangriff in Syrien: Trumps raketenhafter Aufstieg
       
       > Mit dem Angriffsbefehl widerspricht Trump vor allem sich selbst. Die
       > Raketenattacke ist offenbar auch ein Versuch, sich beliebt zu machen.
       
 (IMG) Bild: Mit spitzen Lippen vollführt Trump seine neueste Kehrtwende
       
       New York taz | „Noch einmal. An unseren sehr törichten Führer: Greif Syrien
       nicht an. Wenn du es tust, werden viele sehr schlimme Dinge passieren, und
       die USA werden mit dem Kampf nichts gewinnen.“
       
       Diesen Rat erteilte Donald Trump am 5. September 2013 per Twitter an seinen
       Amtsvorgänger. Wenige Tage zuvor hatte ein Giftgasangriff auf den syrischen
       Ort Ghouta mehrere Hundert Menschen getötet. Barack Obama, der im Vorjahr
       die Regel der „roten Linie“ bei Chemiegaseinsätzen aufgestellt hatte,
       die Baschir al-Assad nicht überschreiten dürfe, griff damals militärisch
       nicht ein.
       
       Vier Jahre später reagierte Donald Trump auf den ersten Chemiegasangriff in
       Syrien während seiner eigenen Amtszeit mit 59 Tomahawk-Raketen auf die
       syrische Luftwaffenbasis al-Shayrat. Es war der erste direkte
       US-amerikanische Angriff gegen das syrische Regime.
       
       Für Trump ist der militärische Alleingang in Syrien der bislang
       weitreichendste Widerspruch zu seinen eigenen per Twitter und bei
       Wahlkampfreden vorgetragenen Überzeugungen. Was hat er im Laufe der Jahre
       nicht alles gegen internationale militärische Engagements der USA gesagt.
       Der Irak? Ein „desaströser Fehler.“ Humanitäre Interventionen? Nicht mit
       ihm. Der Mittlere Osten? Eine Oase der Stabilität, bevor Hillary Clinton
       und Präsident Obama die Terrorgruppe IS „lancierten“. Die Nato?
       „Überflüssig.“
       
       ## Trump hält seine Versprechen nicht
       
       All diese militärischen „Dogmen“ von Trump sind nun Makulatur. Schon zuvor
       hatte der Präsident andere Versprechen nicht eingehalten. Zwar
       kontrolliert die Republikanische Partei jetzt alle Zentren der Macht in
       Washington, aber Trump scheiterte mit einigen seiner zentralen Vorhaben.
       
       Seine eigene Partei verweigerte ihm die Stimmen gegen Obamas
       Gesundheitsreform, die Trump jahrelang als „Desaster“ bekämpft hat. Sein
       versprochenes „Muslimverbot“ scheiterte am Widerstand der Straße und der
       Gerichte. An das großspurig angekündigte Wirtschaftswachstum von „4
       Prozent“ hat ohnehin kein denkender Mensch geglaubt. Und die Mauer, die
       angeblich Mexiko bezahlen würde, erwähnt Trump vorsichtshalber gar nicht
       mehr.
       
       Zu den gebrochenen Versprechen kommen andere Probleme seiner jungen
       Präsidentschaft hinzu: Ermittlungen der Justiz und Hearings im Kongress
       wegen mutmaßlicher Absprachen zwischen der Trump-Kampagne und der
       russischen Führung. Die wegen Lügen über ihre russischen Kontakte
       notwendigen Rücktritte von mehreren engen Mitarbeitern. Und – zuletzt – der
       Rauswurf von Trumps radikal rechtem Berater Stephen Bannon aus dem
       Nationalen Sicherheitsrat.
       
       Bevor Trump die Tomahawks nach Syrien befehligte, hatte er einen
       Tiefststand an Popularität von nur noch 36 Prozent erreicht – ein
       Negativrekord für einen Präsidenten, der erst zweieinhalb Monate im Amt
       ist.
       
       In seiner geradezu klassischen Flucht in die Bomben hat der Präsident jetzt
       erstmals eine Zustimmung erzielt, die die engen Grenzen seiner Klientel
       überschreitet. Bombardements auf militärische Ziele von Assad sind in
       Washington eine parteiübergreifende Forderung. Marco Rubio, ein
       konkurrierender republikanischer Präsidentschaftskandidat, hatte ebenso
       eine militärische Vergeltungsreaktion verlangt wie Hillary Clinton. Völlig
       unklar aber blieb zunächst, ob hinter Trumps Raketenangriff eine
       längerfristige Strategie steht, um Syrien zu befrieden.
       
       ## Kritik außerhalb des Kongresses
       
       Nur wenige PolitikerInnen in Washington wagten es am Freitag, sich jetzt
       gegen den Raketenangriff zu positionieren. Barbara Lee, eine demokratische
       Abgeordnete aus Kalifornien, die nach den Attentaten vom 11. September 2001
       die Einzige war, die im Kongress gegen den Krieg in Afghanistan stimmte,
       twitterte: „Dies ist ein Kriegsakt. Der Kongress muss dazu gefragt werden.“
       
       Außerhalb des Kongresses freilich meldeten sich zahlreiche SprecherInnen,
       die Trumps Alleingang kritisierten. Die syrisch-amerikanische
       Schriftstellerin Alia Malek sagte: „Wer kritisch gegenüber der russischen
       Intervention in Syrien ist, kann auch die amerikanische kritisieren.“ In
       New York und anderen Großstädten organisieren Friedensgruppen für den
       Samstag Demonstrationen gegen den Angriff.
       
       Trump hat am Donnerstag Abend zwar die EU und sonstige US-amerikanische
       Verbündete sowie – über militärischen Kanäle vor Ort – auch die russischen
       Bodentruppen in Syrien vor dem Militärschlag informiert. Aber ein Mandat
       zum Bombardement hatte er nur von sich selbst.
       
       Ein erstes positives Ergebnis für den US-Präsidenten ist nun, dass er den
       Makel abgeschüttelt hat, eine „Marionette von Putin“ zu sein, wie Clinton
       ihn nannte. Auch von seiner bisherigen Rückendeckung für Assad hat Trump
       sich verabschiedet. Noch kurz vor dem Giftgasangriff hatten seine
       UN-Botschafterin und sein Außenminister erklärt, dass der Sturz von Assad
       keine US-Priorität mehr sei.
       
       Die Raketenangriffe fielen auf den Tag genau auf den 100. Jahrestag des
       US-amerikanischen Einstiegs in den Ersten Weltkrieg. Am 31. August 2013
       hatte Trump noch getwittert: „Seid vorbereitet. Es gibt eine kleine
       Möglichkeit, dass unsere schreckliche Führung uns unwissentlich in den
       Dritten Weltkrieg führt.“
       
       8 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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