# taz.de -- Kochen mit Flüchtlingen: Grüne Bohnen aus Damaskus
       
       > In Syrien gibt es kaum Veganer. Weil seine WG in Deutschland aber kein
       > Fleisch isst, startete Bilal eine kulinarische Revolution.
       
 (IMG) Bild: Hummus, Reis und Aldi b’set stehen auf dem Tisch. „Bilal kocht meistens zuviel von allem“, sagen seine Freunde
       
       Marbrug taz | Bilal lässt alles stehen und liegen. Immer wieder. Wenn er
       eine Frage beantwortet, nimmt er sich Zeit. Einmal dreht er sich zurück zum
       Herd und fragt: „Was wollte ich eigentlich machen?“
       
       Es gibt grüne Bohnen mit Reis – „Aldi b’set“ – aber das ist eigentlich
       falsch. Das liegt an Bilals Mitbewohner Moritz. Er hat ihn öfter zu Aldi
       geschickt, um Bohnen für „Fasolia b’set“ zu kaufen. Irgendwann fragte
       Moritz: „Wann machen wir mal wieder Aldi b’set?“ Seitdem heißt das Gericht
       eben Aldi b’set in ihrer Marburger WG – und auch in Bilals Kochbuch.
       
       Bilal ist im September 2015 eingezogen. Sein Freund Luca nennt sie eine
       alternativ linkspolitische Hippie-WG, in die ein Banker wie Bilal
       eigentlich gar nicht hineinpasse.
       
       Es passt aber. In Syrien hat der 33-Jährige in der Kreditabteilung einer
       Bank gearbeitet, heute lernt er Deutsch, um noch einen Masterabschluss an
       einer Uni machen zu können. Und seit er in Deutschland ist, kocht er oft.
       „In Syrien habe ich viel gearbeitet und hatte keine Zeit dafür.“
       
       ## „Mit Feuer wird das Essen besser“
       
       Er hat sich alles selbst beigebracht, macht mindestens einmal in der Woche
       Essen – in seiner typischen WG-Küche. Die Schränke sind abgenutzt, die
       Möbel zusammengewürfelt, alles ist genau so unordentlich, dass man sich
       wohlfühlt. „Die Küche ist super, vor allem der Gasherd“, sagt Bilal. „Ich
       glaube, mit Feuer wird das Essen besser.“
       
       Als das Öl heiß ist, wirft Bilal die gewaschenen Bohnen in den Topf. Etwa
       drei Zentimeter kleine Stücke, die Enden abgeschnitten. Er holt noch einmal
       eine Bohne heraus, hält sie zwischen zwei Fingern in die Luft und meint:
       „Die müssen jetzt so lange drin bleiben, bis sie gelb sind – oder immer
       noch grün. Kannst du dann selbst entscheiden, welche Farbe das ist.“
       
       Im Kochbuch heißt es „gelbgrün“. Es ist Bilals Kochbuch, es sind seine
       Rezepte. Moritz hat sie vertextet. Bilal verpackt und verschickt es direkt
       aus der WG. „Bilals Hummus Evolution“ soll das erste syrisch-vegane
       Kochbuch Deutschlands sein. Die Idee dazu ist mit den Freunden am
       Küchentisch entstanden. Obwohl Bilal sagt: „Ich kann gar nicht mit Rezept
       kochen.“ Daher habe er ziemlich lange gebraucht, Zutaten und passende
       Mengen aufzuschreiben.
       
       Auch jetzt kocht er frei Schnauze. Bis die Bohnen weich sind, schneidet
       Bilal den Knoblauch klein und stampft ihn mit einem alten Gewürzglas zu
       Brei. „So schmeckt er intensiver“, sagt er. Ab damit in die heiße Pfanne.
       Sobald er goldbraun ist, kommt er in den Topf mit den mittlerweile
       tatsächlich gelblich-grünen Bohnen.
       
       Obwohl Bilal auch kleingeschnittene Tomaten in den Topf gibt, kommt noch
       etwas Tomatenmark aus der Tube hinzu. „Für das Aroma“, sagt er, „denn
       Tomaten schmecken in Deutschland nach fast nichts. Wenn du in Syrien
       Tomaten in der Küche liegen hast, kannst du sie im Wohnzimmer riechen.“
       
       ## Vielleicht das letzte Treffen mit den Eltern
       
       Ende 2014 ist Bilal aus Syrien geflohen. Wegen des Bürgerkriegs konnte er
       seine Familie nicht mehr besuchen: seine Eltern, zwei Schwestern und drei
       Brüder. „Ohne Familie war Syrien nicht mehr meine Heimat.“ Die Eltern leben
       immer noch in Damaskus. Ab und zu kann er kurz mit ihnen telefonieren, aber
       „sie kennen sich nicht so gut mit der Technologie aus“.
       
       Vor drei Wochen hat er seine Eltern und eine Schwester noch einmal im Sudan
       getroffen. Die drei sind danach wieder nach Syrien zurückgekehrt, in
       Damaskus ist es gerade relativ ruhig und seine Eltern sind schon sehr alt,
       sagt Bilal. „Vielleicht war es die letzte Möglichkeit, meine Eltern zu
       treffen.“ Er kehrte allein wieder nach Marburg zurück. Die Stadt, die er
       sich in Deutschland ausgesucht hat. Er will nicht in einer Großstadt leben.
       „Ich denke, dass ich hier besser Leute kennenlerne, die Sprache und das
       Land.“
       
       Geholfen haben ihm auch seine Mitbewohner. Sieben sind es insgesamt. Viele
       von ihnen essen kein Fleisch. Deswegen isst auch Bilal keins mehr und kocht
       nur noch vegetarisch oder vegan. „Kochen ist gut, um neue Leute
       kennenzulernen“, sagt Bilal, „und ich kann meine Kultur zeigen.“ Dann setzt
       er kurz ab: „Und es ist Verbindung mit meiner Mama.“
       
       Er erinnert sich oft daran, wie seine Mutter Zucchini mit Reis kochte. Mit
       Reis kennt sich Bilal aus. Er mahnt, ihn vor dem Kochen unbedingt zu
       waschen, mehrmals. „Reis braucht Geduld. Er kocht von selbst. Viele rühren
       ihn immer wieder um oder heben den Deckel ab. Das ist unnötig. Reis ist
       sehr friedlich und möchte entspannen.“ Sobald sich die Reiskörner auf der
       Oberfläche beugten, seien sie fertig.
       
       Bilal hat viel Geduld. Er gibt etwas Salz und Pfeffer zu den Bohnen und
       lässt sie köcheln, bis die Tomaten zerfallen. Währenddessen rührt er
       höchstens zweimal um. „Dieses Gericht beruhigt mich, wenn ich Stress habe“,
       sagt er. „Aber grüne Bohnen machen nicht faul, man kann nach dem Essen
       einfach weiterarbeiten.“
       
       Von Bilals Mitbewohnern ist heute nur Sophie da. Dafür sind seine Freunde
       Luca und Belal gekommen. Mittlerweile helfen alle zusammen. Teller und
       Essen stehen auf dem Tisch. Bilal reißt ein Stück Fladenbrot ab und greift
       damit nach den Bohnen und dem Reis in seinem Teller. „Dayman Inshallah“,
       sagt er. Das bedeute: „Ich wünsche, so Gott will, dass wir immer zusammen
       essen.“
       
       2 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Neukam
       
       ## TAGS
       
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