# taz.de -- Parlamentswahl in Armenien: 20 Euro für eine Stimme
       
       > Damit die Wähler Anfang April „richtig“ abstimmen, lässt die
       > Regierungspartei einiges springen. Die Opposition ist leider auch nicht
       > besser.
       
 (IMG) Bild: Noch ist vom Wahlkampf nicht viel zu sehen: die armenische Hauptstadt Jerewan
       
       Jerewan taz | „Fortschritt und Sicherheit!“ lautet der Slogan auf den
       Flyern der regierenden Republikanischen Partei mit der Listennummer sechs.
       Sie liegen in den Treppenhäusern von Plattenbauten aus oder kleben an den
       Wohnungstüren.
       
       Auf den großen Straßen in der armenischen Hauptstadt Jerewan blicken
       angegraute und viele merklich noch reifere Männer von Billboards auf
       Passanten hinab. Mehr weist nicht darauf hin, dass am 2. April in der
       Südkaukasusrepublik ein neues Parlament gewählt wird.
       
       Dabei ist der bevorstehende Urnengang, der erste seit einer
       Verfassungsänderung und der Einführung eines parlamentarischen Systems
       2016, durchaus ein Thema. Nicht das Ergebnis, versteht sich. Denn es ist
       klar, dass in Armenien, das seit seiner Unabhängigkeit von der Sowjetunion
       1991 noch keinen demokratischen Machtwechsel hinbekommen hat, wieder die
       Republikaner abräumen werden. Vielmehr versetzt die WählerInnen in Wallung,
       wer – wieder einmal – wann, wo und wie dreist fälscht.
       
       Die Journalistin Shahane Khachatryan kann zumindest dem neuen Wahlgesetz
       etwas abgewinnen. „Es werden in den Wahllokalen Überwachungskameras
       installiert, die WählerInnen müssen einen elektronischen Fingerabdruck
       abgeben und die Listen derer, die abgestimmt haben, werden veröffentlicht“,
       sagt sie. Das stellt zumindest sicher, dass am Wahltag nur lebendige
       Personen wählen und nicht, wie bisher Usus, auch solche, deren Leiber auf
       Friedhöfen vor sich hin faulen.
       
       ## Freundlicher Hausbesuch
       
       Da nun am 2. April bestimmte Sicherheitsvorkehrungen greifen, müssen die
       Aktivitäten für die Stimmakquise etwas vorverlegt werden. „Stimmenkauf“
       lautet das Zauberwort gemäß des Mottos: Geben ist mindestens genauso selig
       wie nehmen.
       
       Der Reporter Armen M. war unlängst bei einem Bekannten in Jerewan zu Gast.
       Eine Emissärin der republikanischen Partei klopfte an die Tür und erbat
       freundlich die Passdaten, flankiert von der Bemerkung, stimme der Hausherr
       für ihre Partei, werde sich diese erkenntlich zeigen.
       
       Aber auch die Gegenseite zeigt sich freigiebig. Eine Frau, die in einer
       Provinzstadt im Auftrag der Oppositionspartei „Blühendes Armenien“
       unterwegs ist, berichtet freimütig, wie sie von Haus zu Haus auf die
       WählerInnen zugeht. Diese würden dann in eine Liste aufgenommen und müssten
       zusichern, für die entsprechende Partei zu stimmen. Sie selbst müsse das
       Wohlverhalten am Wahltag überprüfen und mit einer bestimmten Summe
       honorieren. Diese belaufe sich auf 10.000 Dram, umgerechnet 20 Euro.
       
       Das liegt im guten Mittelfeld. Der Hauptstädter kostet mehr und kann auf 30
       Euro hoffen. Auf dem Land tun es bisweilen auch ein Sack Mehl oder andere
       Lebensmittel.
       
       ## Kurzfristige Ummeldung
       
       Artak Sargsyan, ebenfalls Kandidat für die Republikaner und Besitzer der
       Nobelsupermarktkette SAS mit einigen tausend Mitarbeitern, hat seine
       eigenen Methoden, um sich Wählerstimmen zu besorgen. Er fordert seine
       Untergebenen auf, sich kurzfristig in seinem Wahlkreis anzumelden, um dann
       für ihn zu stimmen. Wer sich widersetze, so die Ansage, müsse sich ein
       neues berufliches Betätigungsfeld suchen.
       
       Mihran Hakobyan vom öffentlichen Fernsehsender Ararat, der für die
       Republikanische Partei kandidiert, kann an der Praxis des Stimmenkaufs
       nichts Verwerfliches finden. Es gebe da wohl eine gewisse Nachfrage. Recht
       hat der Mann! Bei einer vierköpfigen Familie in Jerewan macht das 120 Euro
       – fast ein monatliches Durchschnittsgehalt.
       
       Viele fragen sich allerdings, wie das Abstimmungsverhalten der WählerInnen
       überprüft werden soll. Müssen sie, wie früher, mit ihrem Handy ein Foto des
       Stimmzettels machen und dann auf der Straße vorzeigen? Jede(r) bekommt am
       Wahltag neun Stimmzettel. Auf einem wird das Kreuz notiert, die restlichen
       acht wandern in der Kabine in einen Mülleimer. Und wenn nicht?
       
       „Die Wahlen sind scheiße“, sagt Shahane Khachatryan. Sie überlegt, die
       Abstimmung zu ignorieren. Auch eine Möglichkeit.
       
       26 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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