# taz.de -- Verdrängung aus der Innenstadt: Sperrgebiet für Musiker
       
       > In Hannover dürfen Straßenmusiker nur noch wenige Stunden am Tag spielen.
       > Die Stadt Hamburg erlässt gleich ein Spielverbot.
       
 (IMG) Bild: Darf in Hamburgs Innenstadt nur noch mit Genehmigung spielen: Straßenmusiker
       
       Hamburg taz | Wenn die Geschäfte in der Hamburger Innenstadt öffnen und
       sich die Einkaufspassagen langsam füllen, haben sie schon Stellung bezogen:
       Die Gitarre in der Hand, den Instrumentenkoffer offen vor die Füße gelegt,
       warten Straßenmusiker auf ihr Publikum – das der Musik allerdings nicht
       immer ganz freiwillig lauscht. Weil sich die Beschwerden wegen
       Lärmbelästigung in der Spitalerstraße und in der Straße Lange Mühren
       häuften, wird Straßenmusik dort nun generell verboten: Das hat die
       rot-grüne Mehrheit im Bezirk Hamburg-Mitte am Dienstag entschieden.
       
       In Zukunft brauchen Musiker eine Sondernutzungsgenehmigung, die vorerst nur
       ein Jahr gelten soll, erklärt Norman Cordes, Sprecher des Bezirksamts. „Der
       Beschluss ist eine Übergangslösung, die den nicht unerheblichen Beschwerden
       der Anrainer Rechnung“ tragen solle, sagt er. In der Beschlussvorlage ist
       von einer „steten Zunahme von Straßenmusik“ die Rede. Immer öfter brächten
       die Musiker Verstärker und laute Instrumente, etwa Trommeln oder Trompeten
       mit.
       
       Diese lauten Instrumente aber waren in den betreffenden Straßen nicht
       erlaubt und auch „leise“ Instrumente – laut Bezirksamt etwa Gitarren oder
       Geigen – wurden bisher lediglich geduldet. Nun bedürfen sie einer
       Sondererlaubnis.
       
       Auch in anderen Städten haben sich die Regeln für Straßenmusik verschärft.
       In Hannover gilt Musik im öffentlichen Raum seit Dezember 2016 generell als
       „Sondernutzung“. Eine Straßenband darf nur vier Musiker umfassen, die alle
       halbe Stunde den Spielort wechseln müssen. Verstärker oder CD-Player sind
       nicht erlaubt. An einigen zentral gelegenen Plätzen in der Stadt darf
       ohnehin nur zwischen 10 und 12 oder zwischen 16 und 18 Uhr gespielt werden.
       
       In Hannover reagierte die Stadt so auf Beschwerden von Geschäftsleuten, die
       sich im März für strengere Regeln ausgesprochen hatten. Und auch in Bremen
       müssen Straßenmusiker alle 30 Minuten weiterziehen, Verstärker sind auch
       hier untersagt.
       
       „Die Lautstärke zu begrenzen macht Sinn“, sagt Silvia Kohl-Stolze, die seit
       Jahrzehnten mit ihrer Band „Rock die Straße“ in der Hamburger Innenstadt
       auftritt. Zumal sie zuletzt selbst Regelverstöße durch Musiker beobachtet
       habe. Grund dafür sei aber nicht deren Ignoranz, sondern schlicht
       Unwissenheit. „Früher waren Mitarbeiter des Ordnungsamts in den Straßen
       unterwegs, die haben den ‚Neuen‘ die Regeln erklärt“, sagt sie. „Heute ist
       das anders, da wird offenbar an Personal gespart.“
       
       Mit dem Verbot sende die Stadt Hamburg nun ein „sehr schlechtes Zeichen“
       aus, weil strenge Auflagen dem Prinzip der Straßenmusik widersprechen,
       findet Kohl-Stolze. „Straßenmusik gehört zum Flair einer Großstadt dazu.
       Sie ist nun einmal offen und spontan, für jeden zugänglich.“ Oft werde sie
       von Geschäftsleuten sogar darum gebeten, vor ihrer Tür zu spielen, sagt
       sie.
       
       Von den Beschwerden von Anwaltskanzleien und Arztpraxen, die sich laut
       Bezirk gestört fühlten, wisse sie nichts. Die Debatte sei „aufgebauscht“ –
       und bestätige einen Trend: „Der Umgang mit Kultur wird immer paradoxer:
       Hamburg gibt Millionen für die Elbphilharmonie aus, verdrängt aber freie,
       unkommerzielle Musik von der Straße“, sagt Kohl-Stolze.
       
       Wie lange die Musiker in Hamburgs Innenstadt eine Genehmigung brauchen, ist
       unklar. Binnen eines Jahres soll das Bezirksamt einen Vorschlag zur
       „Neuorganisation der Straßenmusik“ vorlegen, sagt Bezirkssprecher Cordes.
       Um einen Kompromiss zwischen Geschäftsleuten und Musikern zu finden, setzt
       der Bezirk auf Gespräche mit allen Beteiligten.
       
       Die Musikerin Silvia Kohl-Stolze will sich mit dem Verbot nicht abfinden
       und eine Unterschriften-Petition starten. Auch, weil sie eine weitere
       Verdrängung fürchtet. „Die Innenstadt wird immer mehr zur Sperrzone für
       Straßenmusiker“, sagt sie. Vor dem Hintergrund des neuen Verbots erscheine
       es kurios, dass Straßenmusik in Hamburg an verkaufsoffenen Sonntagen
       neuerdings gern gesehen sei.
       
       Weil diese nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur noch mit
       einem „Rahmenprogramm“ erlaubt sind, tituliert die Stadt die
       verkaufsoffenen Sonntage künftig als „Event-Shopping“. Die Musik spielt
       dort, wo das Geld fließt.
       
       2 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annika Lasarzik
       
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