# taz.de -- Flüchtlinge in Weißrussland: Wortgefechte zwischen Nachbarn
       
       > Russland kritisiert Pläne Weißrusslands, mit EU-Mitteln
       > Flüchtlingsunterkünfte zu bauen. Das lässt Minsk nicht auf sich sitzen.
       
 (IMG) Bild: Flirt mit dem Westen: Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko
       
       Kiew/Berlin taz | Russlands Außenminister Sergei Lawrow hat Pläne des
       Nachbarlandes Weißrussland kritisiert, mit EU-Geldern
       Flüchtlingsunterkünfte zu bauen. Russland bilde mit Weißrussland einen
       Unionsstaat. Deswegen müsse man sich in der Migrationspolitik abstimmen, so
       Lawrow. Da die Grenze zwischen Russland und Weißrussland offen sei, werfe
       die Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und Weißrussland „Fragen
       auf“, schaffe Spielraum „für Missbrauch.
       
       Am Dienstag hatte das Innenministerium in Minsk bestätigt, dass die EU dem
       Land 7 Millionen Euro für Unterbringungseinrichtungen für Migranten gibt.
       Am 12. Januar hatte die taz über die bis dahin geheimen Pläne berichtet.
       Mehrfach hatten russische und weißrussische Medien unter Bezug auf dietaz
       daraufhin das Thema aufgegriffen.
       
       Alle „Migrants Accomodation Center“ sollen „offene“ und „geschlossene“
       Trakte haben, so die Projektbeschreibung – eine Umschreibung dafür, dass
       die Insassen dort interniert werden, bevor Weißrussland sie abschiebt oder
       sie freiwillig ausreisen. Das Geld stammt aus dem Europäischen
       Nachbarschaftsprogramm und soll ab 2017 fließen. Verantwortlich soll die
       International Organization for Migration (IOM) sein.
       
       In den EU-Plänen sind drei Migrantengruppen genannt, die dort untergebracht
       werden sollen: Flüchtlinge aus der Ukraine, Syrien und solche, die vor der
       „wirtschaftlichen Krise in Russland fliehen und Arbeit in der EU suchen“.
       Vor allem Letzteres dürfte Russland, dem jede Annäherung Weißrusslands an
       die EU suspekt ist, aufgebracht haben.
       
       ## Kein Grund zur Sorge
       
       Weißrussland wies Lawrows Kritik zurück. Er könne keinen Grund für die
       russische Besorgnis erkennen, sagte der Sprecher des Außenministeriums,
       Dmitri Mirontschik. „Was wir heute machen, haben unsere russischen Partner
       schon vor 10 Jahren gemacht.“ Damals habe Russland Geld von der EU für die
       Unterbringung von Bürgern dritter Staaten, die nach Russland im Rahmen von
       Rückführungsvereinbarungen mit EU-Staaten kamen, genommen.
       
       Unterdessen sagte Alexei Begun vom weißrussischen Innenministerium, man
       werde keine syrischen Flüchtlinge in den Einrichtungen unterbringen,
       sondern nur Personen, die illegal nach Weißrussland eingereist seien oder
       versuchten, illegal über Weißrussland in die EU einzureisen.
       
       Die zahlreichen tschetschenischen Flüchtlinge hingegen, die derzeit in der
       weißrussischen Grenzstadt Brest auf eine Möglichkeit warten, in den Westen
       zu gelangen, würden nicht in diesen Zentren untergebracht. Als russische
       Staatsbürger könnten sie legal 90 Tage im Land bleiben.
       
       Hintergrund des Projekts sind vor dem Abschluss stehende Verhandlungen
       zwischen der EU und Weißrussland über ein Rücknahmeabkommen. Dieses
       verpflichtet Minsk, Flüchtlinge zurückzunehmen, die über das Land in die EU
       kommen. Weißrussland bekommt dafür Visaerleichterungen.
       
       ## Letzte europäische Diktatur
       
       „Nicht umsonst wird Weißrussland als ‚letzte europäische Diktatur‘
       bezeichnet“, sagte die grüne EU-Abgeordnete Barbara Lochbihler.
       „Offensichtlich haben weder die Mitgliedstaaten noch die EU-Kommission aus
       den Fehlern des EU-Türkei-Abkommens gelernt“, so Lochbihler. „Einmal mehr
       planen sie, Flüchtlinge in ein Land zurückzuschicken, das sich um seine
       völkerrechtlichen Pflichten ebenso wenig schert wie um die Menschenrechte.“
       
       Insbesondere eine pauschale und vorbeugende Inhaftierung von
       Schutzsuchenden – die gegebenenfalls ein Anrecht auf Asyl haben – wäre
       menschenrechtlich bedenklich“, sagte Verena Haan, Fachreferentin bei
       Amnesty International in Deutschland. „Die EU muss auch sicherstellen,
       dass Flüchtlingen – durch ein Festhalten in den Zentren – nicht der ihnen
       zustehende Zugang zu einem Asylverfahren willkürlich verwehrt wird.“ Die
       EU-Kommission beantwortete eine Anfrage am Donnerstag nicht.
       
       20 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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