# taz.de -- Lage in der Ukraine: Kriegsmüdigkeit auf beiden Seiten
       
       > Im Donbass wird noch gekämpft. Aber selbst die radikale Politikerin
       > Sawtschenko spricht jetzt mit den „Volksrepubliken“.
       
 (IMG) Bild: Im Austausch gegen zwei russische Gefangene wurde Nadija Sawtschenko im Mai 2016 aus der Haft entlassen
       
       Berlin taz | Um die Ostukraine ist es still geworden. Sowohl die Nato als
       auch die OSZE bestätigen aber, dass sich die Lage an der „Kontaktlinie“
       zwischen Regierungsarmee und Rebellen im Osten in den letzten Wochen massiv
       zugespitzt hat. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verkündete am
       Donnerstag immerhin, dass sich die trilaterale Kontaktgruppe auf eine
       Waffenruhe über Weihnachten geeinigt habe. Sie soll ab Mitternacht am 24.
       Dezember gelten.
       
       Erwartungsgemäß stand die Lage im Donbass im Zentrum der Pressekonferenz,
       die die ukrainische Abgeordnete Nadija Sawtschenko am Donnerstag im
       Berliner Mauermuseum gab. Die als unversöhnliche Gegnerin Russlands
       bekanntgewordene ehemalige Kampfpilotin stimmte versöhnliche Töne an: Die
       Menschen im Donbass seien „würdige Gegner“; es seien auch Menschen, genauso
       erschöpft und kriegsmüde wie die auf der anderen Seite.
       
       Seit dem spektakulären Tausch Sawtschenkos gegen zwei russische Gefangene
       und ihrer Rückkehr aus Russland in die Ukraine im Mai dieses Jahres hat die
       35-jahrige Expilotin in ihrer Heimat immer wieder für Schlagzeilen gesorgt.
       So wie sie während ihrer zweijährigen Haft in Russland in Bezug auf den
       Kreml sich kein Blatt vor den Mund nahm, macht sie auch in Kiew immer
       wieder durch radikale Statements von sich reden – nun allerdings über die
       ukrainischen Politiker. Aber sie entspricht dabei nicht dem Klischee der
       radikalen Nationalistin: Vor einer Woche wurde die einstige Nummer eins der
       Liste der Partei Vaterland von Expremierministerin Julia Timoschenko aus
       ihrer Fraktion ausgeschlossen – der Grund: ein heimliches Treffen mit
       Führern der separatistischen sogenannten Volksrepubliken Donezk und
       Luhansk, Alexander Sahartschenko und Igor Plotnizki, im weißrussischen
       Minsk.
       
       ## Vorwürfe gegen Sawtschenko
       
       „Die Vaterlandspartei ist kategorisch gegen jegliche Verhandlungen mit
       Terroristen, gegen eine Amnestie der Mörder von Ukrainern, gegen die
       Legalisierung der Banden im Donbass“, hieß es zur Begründung aus dem Munde
       Timoschenkos. Sawtschenko lehnte nun die Anschuldigung, die
       „Volksrepubliken“ im Donbass durch ihre Gespräche legitimieren zu wollen,
       vehement ab. Das sei ohnehin bereits beim Minsker Friedensabkommen von 2014
       passiert, sagte sie in Berlin. Dieses Abkommen wurde auch von den
       Vertretern von Donezk und Luhansk unterschrieben. Zu behaupten, diese
       Republiken existierten nicht, sei pure Heuchelei, so Sawtschenko.
       
       Ihre ungewöhnliche Zusammenkunft in Minsk hatte eine völlig neue Qualität.
       Es war das erste Treffen einer ukrainischen Parlamentsabgeordneten mit den
       Vertretern der international nicht anerkannten „Volksrepubliken“ im
       Donbass.
       
       Seit ihrer Freilassung bemüht sich Sawtschenko um die Freilassung anderer
       Gefangener, die in Russland beziehungsweise im Donbass inhaftiert sind.
       Auch dazu nahm Sawtschenko in Berlin Stellung: Das Leben jedes einzelnen
       Gefangenen habe für sie absolute Priorität. Um ein einziges Leben zu
       retten, sei sie bereit, mit dem Teufel zu sprechen, sagte sie, und sie
       wolle nichts ungenutzt lassen, um die Aufmerksamkeit der Welt auf das
       Problem in ihrem Land lenken zu wollen: den andauernden Krieg.
       
       Jemand müsse diesen ersten Schritt tun, wenn die ukrainischen Politiker
       offensichtlich nicht willens oder dazu nicht imstande seien, fuhr sie fort.
       Hätte die Ukraine sofort das Kriegsrecht ausgerufen und die
       wirtschaftlichen Beziehungen und den visafreien Verkehr mit Russland
       gestoppt, dann gäbe es heute keine „Separatisten“ und „Terroristen“.
       
       Eine junge Frau aus der Krim fragte, ob Sawtschenko eine Lösung auch für
       ihre Heimat habe. „Sicherlich. Ich habe darauf meine Sicht, die in unserem
       Parlament leider keine Mehrheit hat. Auf die Details kann ich nicht
       eingehen, wir wollen ja vor dem Feind keine Karten offen legen. Aber seien
       Sie sicher, dass noch nichts verloren ist.“
       
       22 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Irina Serdyuk
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Donbass
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Tataren
 (DIR) Ostukraine
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR)  taz на русском языке
 (DIR) EU-Sanktionen
 (DIR) Kyjiw
 (DIR) Moskau
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ukrainische Politikerin über Krieg: „Man macht uns ständig Angst“
       
       Putin und Poroschenko profitieren vom Krieg in der Ostukraine. Das sagt die
       ukrainische Abgeordnete Nadia Sawtschenko.
       
 (DIR) Urteil des Internationalen Gerichtshofes: Russland muss sich auf Krim zügeln
       
       Seit drei Jahren wütet der blutige Konflikt im Osten der Ukraine. Kiew
       verklagt den Nachbarn Russland vor dem höchsten UN-Gericht – erringt aber
       nur einen Teilerfolg.
       
 (DIR) Krieg in der Ostukraine: Nichts wie weg aus Awdiiwka
       
       Die Kleinstadt unweit von Donezk ist heftig umkämpft. Die meisten Bewohner
       sind ohne Wasser und Strom. Die Evakuierung wird vorbereitet.
       
 (DIR) Kämpfe in der Ost-Ukraine: Gewalt trotz Waffenruhe
       
       Drei ukrainische Soldaten und ein prorussischer Rebellenkämpfer wurden in
       Awdiiwka getötet. Das Gefecht war eines der tödlichsten seit Wochen.
       
 (DIR) Orthodoxes Weihnachten in Deutschland: Wohlgefühl, Lust und ewiges Leben
       
       Am 6. Januar kommt das Christkind. Die orthodoxen Christen feiern
       Weihnachten bis tief in den Januar hinein. Unsere Autorin ist mittendrin.
       
 (DIR) Stadtleben an der ukrainischen Frontlinie: Donezk – so nah und doch so fern
       
       Awdijiwka liegt an der Front zum Gebiet der Separatisten. Donezk ist fünf
       Kilometer entfernt, doch dorthin braucht man jetzt 24 Stunden.
       
 (DIR) Frontberichterstattung in der Ukraine: Ich bin eine Landesverräterin
       
       Ukrainische Journalisten stecken in der Klemme. Wie berichten Medienmacher
       von einer Front, die das eigene Land entzweit?
       
 (DIR) EU-Streit über Russland-Sanktionen: Kein Gipfel der Harmonie
       
       Nach einem Streit verlängern die EU-Mitgliedstaaten die Sanktionen gegen
       Russland doch. Beim Abkommen mit der Ukraine bremsen die Niederlande.
       
 (DIR) Juristischer Streit um das Krim-Gold: Die Eigentumsfrage ist weiter offen
       
       Kulturschätze, die zur Zeit der Annexion der Krim in Amsterdam ausgestellt
       waren, müssen einem Urteil zufolge in die Ukraine zurück.
       
 (DIR) Merkel und Hollande zum Ukraine-Krieg: Weiter EU-Sanktionen gegen Russland
       
       Die dauernden Blockaden nerven sie: Merkel nennt die Umsetzung der
       Ukraine-Abkommen „sehr schwerfällig“. Nachsicht mit Moskau gibt es deshalb
       nicht.