# taz.de -- Kolumne „Behelfsetikett“: Analog nach einem Ausweg suchen
       
       > Kein Entrinnen möglich: Die ganze Stadt ist im Weihnachtstaumel. Da hilft
       > nur abtauchen. Zum Beispiel mit einem coolen Live-Escape-Room-Spiel.
       
 (IMG) Bild: Kein Ausweg? Ach, von ganz hoch oben lösen sich auch alle Weihnachtsmärkte im Nichts auf
       
       Kann man in Berlin übrigens richtig gut. Leider nicht die vollen vier
       Adventswochen. Aber für eine Stunde geht schon. Es ist wie den Stöpsel
       ziehen und eine Auszeit von da draußen mit allem Weihnachtsrummel nehmen.
       Und auch nur ein Spiel. Mit Freunden hab ich das gerade probiert.
       
       Es handelt sich um ein sogenanntes Live-Escape-Room-Spiel. Und könnte ein
       Albtraum sein. Denn du bist in einem Raum eingeschlossen. Einem echten – es
       ist also kein virtuelles Spiel. Und es gibt kein Entrinnen. Es sei denn,
       ihr löst zusammen ein paar verdammt knifflige Aufgaben, um auf ein Ergebnis
       (sagen wir einen Namen oder einen Code) zu kommen, das den Weg in die
       Freiheit bahnt.
       
       Der Vielfalt der Spielideen sind keine Grenzen gesetzt. Man kann Raumfahrer
       sein, Revolution spielen und irgendwas mit Hollywood-Diva. Wir sind zu
       dritt und haben uns fürs Spiel „Secret Service“ entschieden.
       
       Nach kurzer Einweisung geht’s los. Puh, der Raum ist echt dunkel. Vor
       lauter Aufregung – und auch weil wir eine Taschenlampe mit auf den Weg
       bekamen – haben wir vergessen, einfach das Licht anzuschalten. Oh nein, so
       viele Bilder und Einrichtungsgegenstände im Raum! Hier eine hölzerne Box
       mit Zahlenschloss, da ein Regal voller Bücher, hier Kissen mit
       Tieraufdrucken, da ein Blaumann an einem Haken. Und ein Computer, der auf
       eine Code-Eingabe wartet …
       
       ## Anschlag auf BND-Zentrale
       
       Wo anfangen? Was ist wichtig? Was eine falsche Spur? Jeder versucht es in
       einer anderen Ecke. Das wirkt erst mal hektisch und unüberlegt. Na ja, die
       Zeit läuft ja auch, ein Countdown nach unten gezählt.
       
       Die Geschichte des Spiels klingt plausibel – oder verrückt; je nach
       Standpunkt: Eine Agentin hat einen Tipp bekommen, dass es einen Anschlag
       auf die neu gebaute Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in der
       Chausseestraße geben soll (an der Stelle musste ich lachen und an den
       „Anschlag“ auf die Wasserhähne im BND-Bau denken). Nur glaubt das der
       jungen Frau niemand. Deshalb ist sie untergetaucht, hat uns aber in ihrem
       Büro alle Beweise hinterlassen. Alle Beweise? Bloß wo?
       
       Wir müssen eigentlich nur herausfinden, wer das Attentat plante. Und schon
       entdecken wir erste Spuren und Details, die gleich mal zwei Verdächtige
       ausschließen. Bleiben noch vier. Zwischendurch stehen wir auf dem Schlauch
       und wissen nicht weiter. Da ertönt aus dem Off die Stimme eines
       Mitarbeiters, wo wir noch mal genauer hinschauen sollten.
       
       Der Hinweis hilft tatsächlich weiter. Es ist ein bisschen wie bei einem
       Puzzle, nur echt viel schwieriger, denn man muss logisch denken und
       kombinieren und braucht ganz old school auch analoge Fähigkeiten: Einmal
       müssen wir in einen Schacht leuchten und mit einem Magnet, der an einem
       langen Seil hängt, einen – doch sorry, man darf hier wirklich nicht zu viel
       verraten. Nur so viel: Es steht etwas auf dem Spiel. Schaffen wir es nicht,
       den Attentäter zu enttarnen, fliegt der BND-Bau in die Luft. Krude
       Vorstellung.
       
       ## Des Rätsels Lösung
       
       Natürlich schaffen wir es am Ende, auch dank von Tipps aus dem Off. Doch
       das tut dem Spaß keinen Abbruch. Die Stunde vergeht mit der Spurensuche und
       Diskussionen, ob die Spur eine heiße oder falsche ist, mit Ausprobieren,
       mit dem Erkennen von Sackgassen, mit kleinen Erfolgen, mit Aha-Erlebnissen,
       mit Staunen und Lachen, mit Kopfschütteln und „Ach du Scheiße“-Rufen wie im
       Fluge.
       
       Am Ende des Spiels locken Endorphine – wir sind happy und wieder draußen.
       Und uns einig: Das machen wir noch mal. Und beim Nachhausefahren denke ich,
       dass so ein Spiel des Rätsels Lösung für Beziehungs- oder
       Kommunikationsprobleme von Paaren, Kollektiven und natürlich auch von
       frisch gebackenen Koalitionspartnern sein kann.
       
       Andererseits: Eine härtere Bewährungsprobe für ein Team als einen
       Weihnachtsmarktbesuch gibt es sicher nicht.
       
       18 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hergeth
       
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