# taz.de -- Streit um den Eurovision Song Contest: Schillernde Befindlichkeiten
       
       > Russland und die Ukraine streiten, ob der Wettbewerb in Kiew stattfinden
       > kann. Die Ukraine könnte russischen Teilnehmern die Einreise verweigern.
       
 (IMG) Bild: Jamala, die Siegerin des letztmaligen ESC, kommt auf dem Flughafen in Kiew an
       
       Für die Bild war am Wochenende schon klar: Kiew als Austragungsort des
       nächsten Eurovision Song Contest ist bedroht. „Nervenkrieg um ESC“, titelte
       das Blatt am Samstag und berichtete von den „in den ESC-Kreisen bereits
       geführten Gesprächen“ über Moskau als Austragungsort für den ESC 2017.
       Zuvor hatte das populistische deutsche Contra Magazin schon von den
       „wachsenden Differenzen“ zwischen der European Broadcasting Union (EBU) und
       der nationalen TV-Gesellschaft der Ukraine (NTU) berichtet. Der ESC könne
       nun nach Russland als „logischen Nachfolger“ gehen. Russische
       Propagandasender wie RT oder Sputnik sahen sich schon siegessicher.
       Tatsächlich will die EBU auf ihrer Generalversammlung am kommenden
       Donnerstag in Lausanne entschieden, ob der Wettbewerb 2017 in der Ukraine
       stattfinden kann. Was ist da los?
       
       Vor wenigen Wochen ist der Generaldirektor der Nationalen ukrainischen
       Fernsehgesellschaft, Surab Alassania, überraschend zurückgetreten. Die
       Begründung: Der ESC soll aus dem vom ukrainischen Parlament frisch
       bewilligten Senderbudget für das kommende Jahr finanziert werden. Die
       nötigen Kosten für das Event, 16 Millionen Euro, wären zwar sicher, würden
       das Jahresbudget des Senders aber um ein Drittel minimieren. „Regierung,
       meinst du das ernst?“, schrieb Alassania in seiner Rücktrittserklärung.
       Trotz verbitterter Appelle des Bürgermeisters von Kiew, Vitali Klitschko,
       den wichtigen Posten unverzüglich neu zu besetzen, ist der TV-Chefsessel
       immer noch frei. Für den ESC sei das kein Hindernis, sagt auf Anfrage der
       taz der ukrainische Kulturminister und Mitglied des
       ESC-Organisationskomitees, Jewhen Nyschtschuk. Die Schwierigkeit der
       Neubenennung sei rein juristischer Natur, da die nationale TV-Anstalt
       gerade reformiert würde. Dies beeinträchtige aber nicht den ESC.
       
       Der Konflikt um den Rücktritt Alassanias kommt mehr als ungelegen. Die
       Euphorie über den fulminanten Sieg der krimtatarischen Sängerin Jamala beim
       ESC 2016 in Stockholm ist längst verflogen. Die Reformen im Land gehen nur
       schleppend voran, das Ende des Krieges im Osten ist nicht in Sicht. Der
       Frust der Bevölkerung ist groß, die Staatskasse knapp. Dazu kam vergangene
       Woche ein weiterer Medienskandal: Mehrere Journalisten des 5. Kanals, des
       TV-Senders von Präsident Petro Poroschenko, erzählten der Frankfurter
       Allgemeinen und der Deutschen Welle, dass sie seit Jahren außer offiziellen
       Mindestlöhnen schwarze, sprich unversteuerte Gehälter ausgezahlt bekommen.
       Kulturminister Jewhen Nyschtschuk ist dennoch zuversichtlich, dass der ESC
       in Kiew stattfinden wird. „Er ist für die Ukraine ein Image-Ereignis“, sagt
       er. „Er soll demonstrieren, dass wir trotz widriger Umstände, allen voran
       der Aggression des nördlichen Nachbarn, imstande sind, den hohen Standards
       eines solchen Kulturprojektes zu genügen.“
       
       Die russisch-ukrainischen Befindlichkeiten bleiben den ESC-Besuchern kaum
       erspart. Für Diskussionen sorgten bereits im Vorfeld sogenannte schwarze
       Listen mit russischen Teilnehmern, denen die Einreise in die Ukraine
       verwehrt werden soll. Kulturminister Nyschtschuk besänftigt: „Die Ukraine
       ist ein offenes und gastfreundliches Land“, sagt er. Aber man habe, wie
       jedes andere Land auch, Dienste, die Personen beobachteten, die „die Würde
       der Ukraine und der Ukrainer mehrfach erniedrigt, zum Separatismus
       angestiftet und die territoriale Unversehrtheit des Landes bedroht haben“.
       
       Was nach einem trockenen Statement klingt, tut ein Dilemma auf: Sollen die
       einstigen sowjetischen Popstars, die auch in der Ukraine geliebt werden,
       sich aber abfällig über die Krim-Annexion oder den Krieg in Donbass
       geäußert haben, am ESC teilnehmen dürfen? Sollen sie sich entschuldigen
       müssen? Russland hat seine Teilnahme immerhin vor wenigen Tagen offiziell
       bestätigt.
       
       6 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Irina Serdyuk
       
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