# taz.de -- Repressionen gegen Kurden in der Türkei: Bürgermeister festgenommen
       
       > Die türkische Polizei geht im kurdisch verwalteten Diyarbakır gewaltsam
       > gegen Demonstranten vor. Das Internet ist abgestellt.
       
 (IMG) Bild: Bürgermeister inhaftiert: Gültan Kisanak und ihr Stellvertreter Firat Anli wurden festgenommen
       
       Istanbul taz | Am Dienstagabend gegen 21 Uhr wurden die Bürgermeisterin von
       Diyarbakır, Gültan Kisanak, und ihr Stellvertreter Firat Anli von der
       türkischen Anti-Terror-Polizei festgenommen. Gleichzeitig riegelte die
       Polizei das Rathaus von Diyarbakır ab und durchsuchte die ganze Nacht
       sämtliche Räume.
       
       Erst am Mittwochnachmittag durften die Rathausangestellten ihre Büros
       wieder betreten. Den beiden wichtigsten Politikern der überwiegend von
       Kurden bewohnten Millionenmetropole Diyarbakır werden unterschiedliche
       Vorwürfe gemacht. Während Gültan Kisanak verdächtigt wird, eine „kurdische
       Selbstverwaltung“ in Diyarbakır verfolgt zu haben, soll Firat Anli vor zwei
       Jahren städtische Baufahrzeuge zur Verfügung gestellt haben, um einen
       Friedhof für erschossene PKK-Mitglieder anlegen zu lassen.
       
       Die Festnahme der Bürgermeister löste heftige Proteste aus. Noch in der
       Nacht waren mehrere Hundert Bewohner von Diyarbakır vor dem Rathaus
       zusammengekommen. Am Vormittag wollten dann Tausende Menschen gegen die
       Festnahmen protestieren, wurden aber durch massive Polizeipräsenz unter
       Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas daran gehindert. Um Verabredungen
       zu Demonstrationen zu erschweren, wurde in ganz Diyarbakır das Internet
       abgestellt.
       
       Beide Bürgermeister sind Mitglieder der BDP, der kommunalen Organisation
       der kurdisch-linken HDP. Die HDP-Spitze verurteilte am Mittwoch die
       Festnahmen von Kisanak und Anli scharf als undemokratischen Akt, der den
       politischen Willen der Bevölkerung von Diyarbakır missachte. Kisanak ist
       eine der wichtigsten Politikerinnen der HDP. Sie war früher Kovorsitzende
       der Partei und kandidierte bei der Kommunalwahl 2014 erfolgreich für das
       Amt der Bürgermeisterin von Diyarbakır.
       
       Die Millionenstadt im Zentrum des kurdisch besiedelten Südostens der Türkei
       ist seit Jahrzehnten das Zentrum der kurdischen Bewegung. Bereits Mitte der
       90er Jahre, als erstmals kurdische Parteien bei Kommunalwahlen antreten
       durften, gewann ihr Vertreter das Amt des Bürgermeisters. Seitdem ist
       Diyarbakır mit meist über 60 Prozent der Wählerstimmen fest in der Hand der
       kurdischen Bewegung. Bevor die HDP vergangenes Jahr den Einzug ins
       Parlament in Ankara schaffte, war das Amt des Bürgermeisters von Diyarbakır
       das wichtigste Amt, das die kurdische Partei zu vergeben hatte.
       
       Entsprechend wird die Festnahme von Kisanak und Anli jetzt als „Angriff“
       auf die politischen Errungenschaften der Kurden in der Türkei verstanden.
       Ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung, der namentlich nicht genannt werden
       will, sagte: „Das ist eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung
       mit der kurdischen Bewegung in der Türkei. Zivile Lösungen werden dadurch
       weiter erschwert.“ Seit Anfang September sind im Rahmen des
       Ausnahmezustands bereits 22 kurdische Bürgermeister im Südosten der Türkei
       festgenommen worden, insgesamt 33 wurden zwangsweise aus ihrem Amt entfernt
       und durch staatliche Verwalter ersetzt.
       
       Die Regierung wirft den von der HDP regierten Kommunen vor, Guerillakämpfer
       der PKK finanziell oder logistisch zu unterstützen. Schon vor Wochen waren
       Vertreter des Innenministeriums in Diyarbakır dabei, in den Büchern der
       Kommune Belege dafür zu finden. Da sie keinen Erfolg hatten, wurden die
       beiden Bürgermeister nun aus anderen Gründen festgenommen. Bislang ist
       jedoch noch kein staatlicher Zwangsverwalter für Diyarbakır eingesetzt
       worden.
       
       26 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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