# taz.de -- Nach Angriffen auf Sorben in Bautzen: Zwei Jahre Angst
       
       > Im Herbst 2014 lauerten Rechtsextreme sorbischen Jugendlichen auf. Auch
       > heute haben die Betroffenen keine Ruhe.
       
 (IMG) Bild: Auch damals reagierte die Polizei mit verstärkter Präsenz
       
       Nucknitz/Bautzen dpa | Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Rechten
       und jungen Flüchtlingen, angespannte Atmosphäre, verstärkte
       Polizeikontrollen – sie bestimmten in den vergangenen Tagen das Bild von
       Bautzen. Zugleich erinnern sie an eine Zeit vor zwei Jahren: Die Übergriffe
       Rechtsextremer auf sorbische Jugendliche im Herbst 2014, vermummt und im
       Schutz der Dunkelheit.
       
       Auch damals reagierte die Polizei mit verstärkter Präsenz im Städtedreieck
       Bautzen – Kamenz – Hoyerswerda. „Sogar bei unserer Halloween-Party standen
       letztlich sechs Streifenwagen vor der Tür“, erinnert sich ein Augenzeuge.
       
       Auch zwei Jahre später ist die Angst noch da. Das ist bei einem Forum mit
       Zeugen, Jugendlichen, Vertretern von Staatsanwaltschaft und dem Operativem
       Abwehrzentrum (OAZ) am Montagabend im Jugendclub in Nucknitz (Kreis
       Bautzen) deutlich geworden. Die Zahl der Anzeigen wegen politisch
       motivierter Kriminalität aus diesen Prügelnächten ist überschaubar. „Nur
       wenn Straftaten bekannt sind, haben wir auch die Chance, die Täter zu
       finden“, sagt Kriminaldirektor Dirk Münster vom OAZ und appelliert an die
       Jugendlichen, politisch motivierte Straftaten auch anzuzeigen.
       
       Bei der Frage nach der Dunkelziffer zucken diese mit den Schultern. „Das
       Erschreckende an dieser Straftatenserie war die Systematik. Viele haben auf
       eine Anzeige verzichtet, weil sie Repressalien durch die Schläger
       befürchteten“, schildert ein Betroffener. Viele Täter und Opfer sollen
       einst zusammen in den Kindergarten gegangen sein oder standen sich beim
       Fußballspielen gegenüber. Einst eben.
       
       ## Verfahren eingestellt
       
       Staatsanwalt Jürgen Ebert spricht von „beherrschbarer Angst“ in solchen
       Fällen. Er kenne wenige Beispiele, in denen Zeugen eingeschüchtert wurden.
       „Stattdessen mussten wir den Ereignissen hinterherlaufen“, sagt er. Erst
       durch einen Leserbrief in der sorbischen Tageszeitung waren seinerzeit die
       Ermittlungen in Gang gekommen. Auch der Linke-Landtagsabgeordnete Heiko
       Kosel – er hatte zur Veranstaltung im Jugendclub eingeladen – macht den
       Jugendlichen Mut, antisorbische Straftaten anzuzeigen. „Wir müssen ihnen
       die Hemmung nehmen“, sagt er.
       
       Die Übergriffe auf sorbische Jugendliche bei Tanzveranstaltungen und
       anderen Feiern hatten eine Vorgeschichte. Vorausgegangen waren ihnen
       zerstörte Kruzifixe mit sorbischen Inschriften und überschmierte, sorbische
       Wegweiser. Die Täter konnten nie ermittelt werden. Wegen Straftaten im
       September und Oktober 2014 landeten indes in den Aktenordnern der
       Staatsanwaltschaft nur vier Verfahren.
       
       Eine Bedrohungshandlung gegen Unbekannt wurde eingestellt. Auch im Fall
       einer Körperverletzung mit einem Faustschlag ging die Justiz diesen Weg.
       „Der Jugendliche räumte die Tat ein. Außerdem schauen wir uns an, wie sich
       der Täter entwickelt hat“, erklärt Ebert. Gegen drei weitere Beschuldigte
       einer Körperverletzung wurde das Verfahren ebenfalls eingestellt. Es war
       nicht herauszubekommen, wer bei der Prügelei zwischen Deutschen und Sorben
       zuerst zuschlug. Lediglich ein Täter muss sich noch vor dem Kamenzer
       Strafgericht verantworten. Er soll mit einem Hitlergruß aufgefallen sein.
       Die Anklage lautet: Zeigen verfassungswidriger Kennzeichen.
       
       ## Neue Opfer Flüchtlinge
       
       Allerdings machten Staatsanwaltschaft und OAZ bei ihren Ermittlungen einen
       interessanten „Nebenfang“ bei einer Gruppe Rechtsextremer, als deren
       Wohnungen im Dezember 2014 und Januar 2015 durchsucht wurden: „Wir konnten
       Straftaten in anderen Zusammenhängen aufdecken. Gegen einen Täter wurde aus
       diesem Grund Haftbefehl gestellt“, sagt Ebert. Seitdem sei es in seinen
       Augen ruhiger im sorbischen Siedlungsgebiet geworden. Vielleicht auch – so
       mutmaßen einige Anwesende – weil sie in den Flüchtlingen neue Opfer
       gefunden hätten.
       
       Doch die Ruhe täuscht, sagen die Jugendlichen. Der jüngste Zwischenfall ist
       gerade einmal zwei Wochen her. Bei einem Reitturnier in Holschdubrau soll
       nach Augenzeugenberichten ein Ableger der „Arischen Bruderschaft“
       aufgelaufen sein – und die Jugendlichen mit „Scheiß-Sorben“ und anderen
       Beschimpfungen beleidigt haben.
       
       Auf Facebook gibt es zudem eine öffentliche Gruppe mit dem Namen „Ja, ich
       komme aus der Lausitz, nein ich bin kein Sorbe“ für „Hasser der slawischen
       Ureinwohner der Lausitz“. 200 Mitglieder hat diese. Kriminaldirektor
       Münster nahm den Hinweis entgegen. „Wir prüfen das. Sollte der leiseste
       Anfangsverdacht von Hasskriminalität vorliegen, wird der Fall beim
       Staatsanwalt landen.“
       
       Damit in Zukunft Straftaten jedoch schneller verfolgt werden können, will
       Kosel nun regelmäßig OAZ, Staatsanwaltschaft und sorbische Jugendliche an
       einen Tisch holen. Denn Streifenwagen sollen nicht wieder für die
       Sicherheit einer Halloween-Party im Sorbenland sorgen müssen.
       
       20 Sep 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Miriam Schönbach
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sorben
 (DIR) Hassverbrechen
 (DIR) Bautzen
 (DIR) Schwerpunkt taz Leipzig
 (DIR) Bautzen
 (DIR) antimuslimischer Rassismus
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Bautzen
 (DIR) Schwerpunkt Flucht
 (DIR) Bautzen
 (DIR) Bautzen
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Bautzen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sorbisch an der Uni Leipzig: Sorbischlehrer gesucht
       
       Das Leipziger Institut für Sorabistik ist bundesweit die einzige
       Ausbildungsstelle für Sorbischlehrer. Jetzt soll das Studium attraktiver
       gemacht werden.
       
 (DIR) Rechte Gewalt in Bautzen: „Ein bisschen wie Heilige“
       
       In Bautzen hat sich nach den Krawallen gegen Flüchtlinge ein Runder Tisch
       gegründet. Erstes Ergebnis: Der Kontrollbereich bleibt eine weitere Woche
       bestehen.
       
 (DIR) Demonstrationen in Bautzen: Wallfahrtsort für rechts und links
       
       Nach den Übergriffen auf dem Kornmarkt ziehen Neonazis und Antifas durch
       die sächsische Stadt. Einige Bautzener äußern sich verhalten.
       
 (DIR) Nach Gewalt in Bautzen: Rechte wollen auf die Straße gehen
       
       Nach den Krawallen der vergangenen Tage kündigen Rechtsextreme in Bautzen
       eine Demo an. Auch die Gegenseite mobilisiert – zumindest teilweise.
       
 (DIR) Zivilgesellschaftsakteur über Bautzen: „Da könnte man jeden verhaften“
       
       „Welche Gewalt geht schon von 20 Kindern aus?“, fragt Sven Scheidemantel
       vom Verein „Willkommen in Bautzen“. Er wünscht sich mehr Deeskalation.
       
 (DIR) Kommentar Neonazis in Bautzen: National befreite Zone
       
       Nach den Ausschreitungen von Bautzen wird durchgegriffen – gegen
       jugendliche Asylbewerber. Rechte Gewalt lohnt sich also.
       
 (DIR) Rechte versammeln sich in Bautzen: Breitbeiniger Stand
       
       Neonazis gehen in Bautzen Gegendemonstranten und einen Kameramann an. Mit
       ihren Handys versuchen sie, ihren vorübergehenden Ruhm festzuhalten.
       
 (DIR) Nach Ausschreitungen am Mittwoch: Rechte machen Bautzen unsicher
       
       In Bautzen haben sich am Abend erneut rund 350 Rechte versammelt, nur 25
       waren bei der Gegendemo. Ein Journalist wurde von den Neonazis geschlagen.
       
 (DIR) Gewalt gegen Flüchtlinge in Sachsen: „Das wirkte organisiert“
       
       Neonazis jagten Flüchtlinge durch Bautzen. Laut Polizei griffen die
       Geflüchteten zuerst an – doch der rechte Auflauf schien verabredet.
       
 (DIR) Neonazis und Flüchtlinge in Bautzen: Bis zur Unterkunft verfolgt
       
       Im sächsischen Bautzen standen sich Rechtsextreme und Asylsuchende
       gegenüber. Als ein Krankenwagen gerufen wurde, bewarfen ihn die Neonazis
       mit Steinen.