# taz.de -- Nord-Süd-Ausbau des Stromnetzes: Teurer Trassenfrieden
       
       > Die unterirdische Verlegung besänftigt Kritiker, bringt aber neue
       > Probleme. Die Notwendigkeit der Leitungen bleibt umstritten.
       
 (IMG) Bild: Tschüss, Abendhimmel. Die neuen Stromleitungen Südlink und Südostlink sollen unter die Erde
       
       Freiburg/Berlin taz | Wenn die Stromnetzbetreiber in der Vergangenheit über
       ihre neuen Leitungen gesprochen haben, war Protest garantiert: Im ganzen
       Land wehrten sich Bürgerinitiativen gegen die neuen „Monstertrassen“, mit
       denen Strom an bis zu 75 Meter hohen Masten vom Norden in den Süden
       transportiert werden soll. Doch in dieser Woche war alles anders.
       
       Denn die Unternehmen Tennet, 50Hertz und TransnetBW planen nun, die neuen
       Leitungen Südlink und Südostlink auf der gesamten Länge von 1.400
       Kilometern unter die Erde zu legen. Damit gehen sie noch über die Vorgaben
       der Politik hinaus, die Vorrang für Erdkabel gefordert hatte, aber auch
       Ausnahmen zugelassen hätte. Zudem haben die Netzbetreiber Vorschläge
       unterbreitet, wo die neuen Trassen verlaufen sollen.
       
       Von offizieller Seite kam überwiegend Lob für die vollständige Erdvariante.
       Zwanzig Landkreise („Landkreisbündnis Südlink“), die sich vor zwei Jahren
       mit ihrer „Hamelner Erklärung“ zugunsten einer Erdverkabelung positioniert
       hatten, sprachen von einem „großen Erfolg“. Auch Baden-Württembergs grüner
       Umweltminister Franz Untersteller, durch dessen Land rund 100 Kilometer der
       Trasse führen sollen, begrüßte die Erdvariante. Er hoffe nun, dass es damit
       vielen leichter falle, das Ausbauvorhaben zu akzeptieren. Eine zweimonatige
       Beteiligungsphase, die Bürgern die Möglichkeit gibt, Hinweise zur
       Optimierung der Erdkabel-Korridore einzureichen, hat am Donnerstag
       begonnen.
       
       Auch jene Bürgerinitiativen, die sich primär aus optischen Gründen gegen
       die zunächst geplanten Freileitungen gewehrt hatten, sind mit den neuen
       Vorschlägen zufrieden. Andere sehen hingegen auch die Erdkabel kritisch.
       
       ## Eingriff in die Natur
       
       Denn auch sie stellen einen gigantischen Eingriff in die Natur dar – der
       sogar noch größer sein dürfte als durch die bisher geplanten Strommasten.
       Die Bautrasse ist bis zu 60 Meter breit – „mehr als zwei sechsspurige
       Autobahnen nebeneinander“, sagt Jan-Eric Bothe von der Bürgerinitiative
       Calenberger Land gegen Südlink in Niedersachsen. Das Verlegen der Kabel in
       etwa 1,80 Meter Tiefe bedeutet einen erheblichen Eingriff in Natur und
       Wasserhaushalt.
       
       Aber weil zumeist das Prinzip „aus den Augen, aus dem Sinn“ gelte, habe die
       Beeinträchtigung der Natur in der politischen Debatte keine so hohe
       Priorität wie die sichtbare Beeinträchtigung der Landschaft durch hohe
       Masten, meint Bothe. Der Widerstand gegen die Erdvariante werde dadurch nun
       schwieriger.
       
       Neuen Protest gibt es hingegen aus der Land- und Forstwirtschaft. Viele
       Bauern seien durch die Erdkabel „direkt in Eigentum und Nutzungsrecht
       betroffen“, sagt der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl. Neben den
       Einschränkungen während der Bauzeit fürchten die Landwirte, dass die von
       den Kabeln ausgehende Wärme die Erträge auf den darüber liegenden Feldern
       verringert. Bäume und Gebäude dürfen auf einem 20 bis 25 Meter breiten
       Streifen oberhalb der Leitungen gar nicht stehen.
       
       Anders als Anwohner, die aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die
       Hochspannungsmasten waren, würden sich die neuen Kritiker aus Land- und
       Forstwirtschaft aber wohl entschädigen lassen, meint Guntram Ziepel,
       Sprecher des Bundesverbandes der Bürgerinitiativen gegen Südlink: „Diese
       Widerstände sind mit Geld aufzulösen.“ Die Kosten werden dann über die
       Netzentgelte auf den Strompreis umgelegt.
       
       ## Das Erdkabel wird teurer
       
       Klar ist ohnehin längst: Das Erdkabel wird teurer. Mit rund 10 Milliarden
       Euro für Südlink kalkuliert Tennet-Chef Lex Hartmann, für die Freileitungen
       waren einst 3 Milliarden angesetzt worden; Südostlink soll weitere 5
       Milliarden Euro kosten. Die Auswirkungen auf den Strompreis werden mit 0,1
       bis 0,2 Cent pro Kilowattstunde dennoch überschaubar bleiben.
       
       Denn die Investitionen sollen über eine Nutzungsdauer von 40 Jahren
       abgeschrieben werden. Zudem argumentiert die Stromwirtschaft, dass durch
       mehr Leitungen das Netzmanagement einfacher und kostengünstiger werde, weil
       der teure Redispatch – das sind Eingriffe des Übertragungsnetzbetreibers in
       den Markt aufgrund von Leitungsengpässen – damit zurückgehen könnte.
       
       So ist es auch gar nicht so sehr der Preis, mit dem einige
       Bürgerinitiativen weiterhin gegen Südlink und Südostlink argumentieren.
       Vielmehr sind sie davon überzeugt, dass die Neubautrassen mehr dem
       Fortbestand der Kohlekraftwerke und dem internationalen Stromhandel dienen,
       als dass sie für die erneuerbaren Energien gebraucht würden. „Dass wir
       Südlink für den Windstrom brauchen, ist eine fadenscheinige Argumentation“,
       sagt Ingenieur Ziepel.
       
       Zudem stören sich die Bürgerinitiativen an dem grundsätzlichen Vorgehen:
       Die Übertragungsnetzbetreiber stellen selbst den Leitungsbedarf fest, um
       dann abseits jeglichen Wettbewerbs die Trassen zu bauen, die ihnen
       garantierte Renditen bringen. „Wir brauchen ein vernünftiges
       Prozessmanagement“, sagt Ziepel. Solange man noch gar nicht über Speicher
       gesprochen habe, könne man keine Leitungen planen.
       
       ## Warum keine dezentralere Stromversorgung?
       
       Mitstreiter Bothe sieht das ähnlich und propagiert eine dezentralere
       Energieversorgung. Überschüssige Energie könne außerdem in Gas umgewandelt
       und über das bestehende Gasnetz transportiert werden. Für ihn ist
       eindeutig: „Südlink ist als europäisches Projekt für den europäischen
       Stromhandel gedacht. Eine Notwendigkeit für die deutsche Energiewende
       konnte bisher nicht belegt werden.“
       
       Umweltverbände sehen das ähnlich. Für den Klimaschutz und den sofortigen
       Atomausstieg brauche man „keine neuen und zusätzlichen Stromautobahnen,
       sondern mehr Energiesparen, mehr Energieeffizienz und den
       naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien“, sagt Hubert Weiger,
       Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern. Eine zentralistische
       Netzausbauplanung sei der falsche Weg, stattdessen müssten vor Ort
       Bürgerenergiegesellschaften und die Stadtwerke gestärkt werden.
       
       Ein stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien in Süddeutschland ginge
       vermutlich auch schneller als das Verlegen der neuen Erdkabel. Weil Planung
       und Bau komplizierter sind als bei Freileitungen, wird mit einer
       Fertigstellung frühestens im Jahr 2025 gerechnet. Das Ziel, die Leitungen
       betriebsbereit zu haben, wenn im Jahr 2022 in Süddeutschland die letzten
       Atomkraftwerke abgeschaltet werden, wird damit deutlich verfehlt.
       
       2 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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