# taz.de -- Filmfest in Hamburg: Tante Emma geht ins Kino
       
       > Beim Filmfest Hamburg setzt der Leiter Albert Wiederspiel auf ein breit
       > gefächertes Programm. Das unterscheidet es von kleineren Festivals.
       
 (IMG) Bild: Ein cineastischer Gemischtwarenladen: Das Hamburger Filmfest
       
       Hamburg taz | Albert Wiederspiel selbst beschreibt [1][das Filmfest
       Hamburg] als „Gemischtwarenladen“. Als Leiter des Filmfestes sei ihm ein
       möglichst breites Angebot wichtiger als ein markantes Profil: Ein „Panorama
       des aktuellen Standes des Weltkinos“. Damit unterscheidet sich dieses
       Filmfest, das Wiederspiel inzwischen seit 2003 leitet, grundlegend von
       kleineren Festivals, die sich auf nur ein Thema konzentrieren: auf den
       schwul-lesbischen Film etwa oder eine bestimmte Region [2][wie die
       Nordischen Filmtage in Lübeck.]
       
       Wiederspiel organisiert dagegen ein Publikumsfestival, mit dem er den
       Hamburgern „eine Alternative zum gängigen Kinoprogramm“ bieten will.
       Flächendeckend wird es dann vom nächsten Donnerstag an auch in den Kinos
       der Stadt stattfinden: 165 Filme präsentieren Cinemaxx Dammtor, Abaton,
       Metropolis, Passagekino Studio und B-Movie.
       
       Entsprechend gering sind die Überschneidungen zu den anderen regionalen
       Festivals. Wenn der Eröffnungsfilm des gerade ausgelaufenen [3][Oldenburger
       Filmfests] „Strawberry Bubblegums“ von Benjamin Teske auch in Hamburg
       läuft, bleibt das eine Ausnahme. Denn grundsätzlich will Wiederspiel in
       Hamburg „nur deutsche Premieren“ zeigen. Und dann sind da noch die
       Programmschienen mit Hamburger Produktionen wie der „Hamburger Filmschau“
       und „16:9“, in der Fernsehfilme zu sehen sind – so auch die Dokumentation
       „Die Höhle von Eppendorf“.
       
       Die zwölf verschiedenen Sektionen des Programm sind so umfassend, dass sich
       die Frage stellt, welche Art von Filmen hier überhaupt fehlt. Nur das
       kommerzielle Hollywoodkino braucht in den Augen Wiederspiels nicht noch
       eine weitere Plattform in der Stadt. Aber dem Glamour kann er auch nicht
       ganz widerstehen – und so eröffnet mit „Amerikanisches Idyll“ eine große
       US-amerikanische Produktion das Filmfest. Bei der Adaption eines Romans von
       Philip Roth spielt Ewan McGregor nicht nur die Hauptrolle – sie ist auch
       sein Debüt als Regisseur. Neben ihm wird auch die Hauptdarstellerin
       Jennifer Connelly in Hamburg erwartet.
       
       Für Eröffnungsfilme gelten bei allen Festivals besondere Regeln. Jedenfalls
       kann man Wiederspiel nicht vorwerfen, dass er den Hamburgern ein
       leichtgewichtiges Programm bietet. Die einzelnen Sektionen sind gut
       kuratiert – und dass nur 24 Filme bisher einen deutschen Verleiher haben,
       spricht dafür, dass er und sein Auswahlteam genau hingesehen haben. Für
       Wiederspiel ist es eine „Kernkompetenz“ des Festivals, dass das Publikum
       „die Filme nur hier sehen kann.“
       
       Mit „Asia Express“ gibt es eine Sektion für das asiatische Kino, die
       Programmschiene „Vitrina“ deckt das spanisch-portugiesisch-sprachige Kino
       ab, „Transatlantik“ zeigt unabhängige Produktionen aus den USA und Kanada.
       Alle Produktionen, die sich schlecht einordnen lassen, sind in der Reihe
       „Kaleidoskop“ mit Filmen „aus aller Welt“ gelandet. In den vergangenen
       Jahren hatte der bekennend francophile Wiederspiel immer ein wenig das
       französische Kino bevorzugt. Doch in diesem Jahr gibt es in der Sektion
       „Voilá“ neben sechs französischen Produktionen fünf aus Quebec und eine aus
       Mali.
       
       Der Filmfest-Leiter hatte auch immer den Anspruch, dem politischen Film
       eine Plattform zu bieten. In den Jahren, als Umweltschutz und
       Nachhaltigkeit zentrale Themen der politischen Debatte waren, gab es im
       Programm mit „Drei Farben Grün“ eine entsprechende Sektion und seit dem
       letzten Jahr gibt es die Reihe mit dem ähnlich programmatischen Titel
       „Veto!“. Dort läuft auch einer von Wiederspiels Favoriten: In „The
       Sociologist and the Bear Club“ stellt der Regisseur Etienne Chailou die
       Sitzung eines Expertengremium zum in Frankreich kontrovers diskutierten
       Thema Homoehe mit Kuscheltieren nach. Auf diese Weise gelingt ihm ein
       komischer Verfremdungseffekt.
       
       Wie bei den meisten Festivals, die nicht zur A-Kategorie gehören, werden
       auch in Hamburg die Erfolge von den großen internationalen Festivals
       gespielt. In diesem Jahr sind das 24 Filme von Cannes, sechs von Venedig
       und fünf von Locarno. Das Festival liegt zeitlich günstig, um jeweils eine
       gute Auswahl von diesen Festivals zu bekommen.
       
       Als erstes Herbstfestival läuft es nur wenige Wochen nach Venedig und
       Locarno. Cannes liegt dagegen im Frühjahr so nah am Filmfest München im
       Frühsommer, dass den Organisatoren dort nur zehn Tage bleiben, um sich mit
       Filmmaterial zu versorgen. Da wird viel übersehen. Die Hamburger haben
       dagegen genug Zeit, um sorgfältig ihre Wahl zu treffen. Das Münchner
       Filmfest ist die große Konkurrenz für Hamburg. Mit 750.000 Euro hat das
       Filmfest ein vergleichsweise kleines Budget. Die Münchner können über mehr
       als das Dreifache verfügen und wenn sie anfangen, um Filme zu bieten, hat
       Wiederspiel keine Chance.
       
       In den Medien und für die Öffentlichkeit ist ein Filmfest oft nur so gut
       wie seine Gäste und in diesem Sinne ist dem Filmfest Oldenburg mit dem
       Ehrengast Nicolas Cage in diesem Jahr ein großer Coup gelungen.
       
       Umso überraschender ist es, dass in Hamburg der Douglas-Sirk-Preis in
       diesem Jahr nicht vergeben wird. Der nach dem Hamburger Hollywood-Regisseur
       benannte Preis wird seit 1995 verliehen. Unter den Preisträgern waren Clint
       Eastwood, Jodie Foster, Isabelle Huppert und David Cronenberg. Im letzten
       Jahr wurde Catherine Deneuve ausgezeichnet. Wiederspiel meint, dadurch habe
       er sich selbst die Latte sehr hoch gelegt.
       
       Es soll dieses Mal wohl kein Schauspieler und auch kein Franzose den Preis
       bekommen. Grundsätzlich sei er als eine Ehrung für einen aktiven Künstler
       gedacht, der auch seinen jeweils neuen Film in Hamburg vorstellt. Da hat
       sich für Wiederspiel in diesem Jahr niemand gefunden, aber der Laden ist
       auch so schon voll genug.
       
       22 Sep 2016
       
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