# taz.de -- Streit um Freihandelsabkommen: Schrille Töne beim Abgesang auf TTIP
       
       > Sigmar Gabriel wird scharf vom Arbeitgeberpräsidenten und vom
       > US-Handelsbeauftragten kritisiert. Aktivisten reichen eine Bürgerklage
       > gegen Ceta ein.
       
 (IMG) Bild: Eine neue Zukunft für TTIP und Ceta
       
       Berlin rtr | Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hat Wirtschaftsminister
       Sigmar Gabriel und anderen europäischen Politikern wegen deren Abgesang auf
       das europäische Freihandelsabkommen TTIP mit den USA schwere Vorwürfe
       gemacht. „Was wir im Moment erleben, ist ein Desaster für die
       Wirtschaftspolitik“, sagte Kramer am Mittwoch. Es sei eine alte Erfahrung,
       dass man bei internationalen Verträgen Geduld brauche. „Internationale
       Verträge zu schließen bedeutet, Standvermögen zu haben, Augenmaß zu haben
       und diplomatisches Fingerspitzengefühl“, sagte er. „Für die deutsche
       Wirtschaft ist es von existenzieller Bedeutung, dass wir internationale
       Freihandelsabkommen mit möglichst vielen Regionen der Welt schließen.“ Das
       gelte auch für Europa insgesamt.
       
       Kramer warf Gabriel vor, sich bei TTIP vor seiner Verantwortung als
       Wirtschaftsminister zu drücken. „Bloß, weil etwas schwierig ist, sich in
       die Büsche zu schlagen und zu sagen, wir haben keine Lust mehr: also wir
       sind hier nicht beim Minigolf“, kritisierte er. Wenn es schwierig werde,
       müsse man sich eben umso mehr anstrengen. Wenn Gabriel davon gesprochen
       habe, dass TTIP faktisch gescheitert sei, so habe er das wohl als SPD-Chef
       gesagt. „Als Wirtschaftsminister dürfte er so etwas nicht sagen“, erklärte
       er.
       
       „Wir haben zwischen dem nordamerikanischen Kontinent und Europa die
       höchsten Sicherheitsstandards, die es auf den verschiedensten Gebieten
       gibt“, warb Kramer für TTIP und das Ceta-Abkommen der EU mit Kanada. Es
       jetzt so darzustellen, als lohne es sich nicht, für TTIP einzutreten, sei
       aus Sicht der Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland und Europa nicht
       zu verantworten.
       
       Auch der US-Handelsbeauftragte Michael Froman hat im Streit über das
       TTIP-Abkommen Vizekanzler Sigmar Gabriel kritisiert und die EU zu mehr
       Engagement aufgerufen. Er teile die Einschätzung Gabriels nicht, sagte
       Froman dem Spiegel laut Mitteilung vom Mittwoch. „Man bemisst Fortschritt
       nicht danach, wie viele Verhandlungskapitel geschlossen wurden, sondern ob
       beide Seiten Lösungen in allen Fragen finden können.“ Gabriel hatte das
       geplante Abkommen als faktisch gescheitert bezeichnet.
       
       Die USA glaubten immer noch an einen Durchbruch in diesem Jahr, sagte
       Froman nun. Dieser sei aber nur mit mehr Anstrengungen machbar. An Europa
       richtete er den Appell, gerade in Krisenzeiten für ein Signal der
       Geschlossenheit zu arbeiten: „Der Brexit unterstreicht noch einmal, wie
       wichtig es ist, in diesem für die weitere Entwicklung Europas wichtigen
       Moment eine Übereinkunft zu erzielen.“
       
       Gabriel hat TTIP für de facto gescheitert erklärt. Ähnlich sieht es auch
       Frankreichs Präsident Francois Hollande.
       
       ## Verfassungsklage gegen Ceta
       
       Derweil hat ein Bündnis stellvertretend für mehr als 125 000 Mitkläger
       gegen das Freihandelsabkommen Ceta die größte Bürgerklage in der Geschichte
       des Bundesverfassungsgerichts eingereicht. Die Vollmachten, die gut 70
       Kartons füllen, waren per Laster nach Karlsruhe gebracht worden. Etwa 200
       Unterstützer reichten die Kartons bei der Aktion am Mittwoch in einer
       Menschenkette bis vor das Gerichtsgebäude weiter. Dort wurden sie unter
       Jubel und Applaus zu dem großen Schriftzug „125 000 gegen Ceta“ gestapelt.
       
       „Wir kämpfen für unsere Demokratie“, rief Foodwatch-Volkswirtin Lena
       Blanken. Das kurz vor der Unterzeichnung stehende Abkommen der EU mit
       Kanada müsse dringend verfassungsrechtlich überprüft werden.
       
       Die Klage wendet sich unter anderem gegen die Einrichtung sogenannter
       Investitionsgerichte für Schadenersatzklagen und einen Ausschuss, der zu
       eigenmächtigen Vertragsänderungen befugt sein soll. Per Eilantrag wollen
       die Initiatoren verhindern, dass Ceta mit der für Ende Oktober geplanten
       Unterzeichnung für vorläufig anwendbar erklärt wird.
       
       Dahinter stehen auch die Vereine Campact und Mehr Demokratie. Die Klage
       ausgearbeitet hat der Kölner Völkerrechts-Professor Bernhard Kempen. Es ist
       bereits die fünfte Verfassungsbeschwerde gegen Ceta. Erst am Samstag hatte
       eine 70 Jahre alte Musiklehrerin aus NRW eine Bürgerklage mit mehr als 68
       000 Vollmachten eingereicht. Für den Erfolg der Beschwerde spielt die Zahl
       der Kläger keine Rolle.
       
       31 Aug 2016
       
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