# taz.de -- Regisseurin Sherry Horman über Quoten: „Ich bin einfach kein Klub-Typ“
       
       > Es fehlt dem Fernsehen an starken Frauen, sagt die Regisseurin Sherry
       > Hormann. Und zeigt, wie es besser ginge.
       
 (IMG) Bild: Ja, ja, so war das früher in der DDR: Tanzen durften sie, sprechen dafür kaum, die Frauen. Hier: Anna-Maria Mühe (r.) und Birgit Wachowiak
       
       taz: Frau Hormann, warum haben Sie eigentlich nicht den [1][Aufruf von
       ProQuote Regie], der mehr Regisseurinnen in öffentlich-rechtlichen und
       öffentlich geförderten Filmen fordert, unterzeichnet? 
       
       Sherry Hormann: Ich war in ProQuote Regie – und bin wieder ausgetreten.
       
       Warum? Es hat sich doch an den Fakten in den vergangenen zwei Jahren wenig
       geändert. 
       
       Das Denken ändert sich nicht über Nacht. Wir müssen jede Chance nutzen,
       starke Frauen zu erzählen. Der Blick auf Frauen in guten Geschichten ändert
       vielleicht mehr als eine Quote.
       
       Warum sind Sie ausgetreten? 
       
       Ich fand den Ansatz ursprünglich gut: Wir reden so viel über Quoten in der
       Gesellschaft, schauen wir uns doch mal an, wie die Frauen in der
       Filmbranche verteilt sind. Ich finde den Ansatz auch weiterhin wichtig,
       aber wenn es zu Zwängen und Nebenschauplätzen kommt, geht es an der Sache
       vorbei.
       
       Welche Nebenschauplätze haben sie gestört? 
       
       Das waren Verallgemeinerungen, die ich schade finde. Wenn wir uns in
       Statistiken und Normen zu sehr aufhalten und die Sprache zu laut wird, das
       ist nicht zielführend. Dann wird man nicht mehr ernst genommen, im
       Gegenteil, man schadet der Sache. Jede macht es halt dem eigenen Wesen
       gemäß. Ich bin einfach kein Klub-Typ. Interessengemeinschaften sind
       wichtig, Erfahrungsaustausch ist wichtig, nur glaube ich nicht an die Kraft
       der Quote.
       
       Welche Verallgemeinerungen meinen Sie? 
       
       Ich möchte nicht nur ob meines Geschlechts wahrgenommen werden. Ich möchte
       als Kreativmensch wahrgenommen werden. Ich möchte, dass lediglich darüber
       gesprochen und entschieden wird, ob der oder die richtig für den Job ist.
       Wie häufig werde ich gefragt, ob ich nicht dies oder jenes machen könnte.
       Dann frage ich: Warum gerade ich? Und dann geht es nur darum, dass auf dem
       Panel oder in der Jury neben all den Männern noch eine Frau gebraucht wird.
       Damit werden Frauen degradiert. Und ich möchte mich nicht in Zwänge
       hineinbegeben, in denen ich mich aufs Frausein reduziere.
       
       Mit einem Film wie „Lotte Jäger“ einen Stoff für die Primetime im
       öffentlich-rechtlichen Fernsehen inszenieren zu dürfen, sind Sie die krasse
       Ausnahme: Acht von neun Filmen werden von Männern gemacht. Woran liegt das? 
       
       Wir haben sehr viel weniger Regisseurinnen als Regisseure. Warum? Das kann
       ich nicht beantworten, ich glaube aber auch nicht, dass eine Statistik die
       Antwort ist. Soweit ich weiß, bewerben sich nach Abschluss eines
       Filmstudiums wesentlich weniger Frauen auf dem sogenannten Arbeitsmarkt als
       Männer. Aber es gibt ja mittlerweile eine ganze Menge Frauen, die Krimis
       drehen. Als ich an der Filmhochschule war, war das noch eine reine
       Männerdomäne, weil: „Du kannst doch gar nicht sowas Schweres tragen.“
       „Lotte Jäger“ ist ja ein großer Männercast, da war sehr viel Testosteron
       vertreten.
       
       Da steht man als Frau und fragt schlicht die Männer, wie sie sich denn so
       ein Saufgelage vorstellten. Es geht um einen Austausch: Was bieten die
       einem an? Ich muss doch nicht auf jedem Gebiet genauso potent sein wie alle
       anderen. Das gilt aber nicht nur für die Mann-Frau-Thematik, sondern für
       alles: Der Film spielt zu großen Teilen in der DDR, ich bin aber kein
       Mensch, der im Osten sozialisiert wurde. Im Gegenteil: Ich wurde immer an
       der Grenze festgehalten, weil ich einen amerikanischen Pass habe. Aber
       manchmal ist ja genau das interessant, dass jemand einen distanzierteren
       Blick hat.
       
       Und wer hatte die Idee, dass die Männer nach der volkseigenen Jagd auf dem
       Jagdhaus Hubertusstock Gläser essen? 
       
       Rolf Basedow [der Drehbuchautor; d. Red.]. Das ist eine klassische
       Rolf-Basedow-Idee.
       
       Trotz all dieser saufenden, Gläser fressenden Alphamänner ist Ihr Film auch
       ein Emanzipationsfilm: eine Chefin im Jetzt, die in einem Mordfall
       ermittelt, der in einer Zeit und einem Umfeld – höchste Politkaste in der
       DDR, Ende der 80er – stattfand, in der Frauen nur schmückendes Beiwerk
       waren. 
       
       Mich hat die Hauptfigur gereizt: Sie ist eine sehr starke Frau, die die
       Kohle ranschafft, während ihr Mann „nur“ musiziert, und die sich bei den
       Ermittlungen auf eine ganz unaufgeregte Art in diese Männerwelt fräst. Es
       gefiel mir, wie Rolf Basedow und Ralf Zöllner diese Figur geschrieben hat.
       Das ist eine sehr interessante, moderne Frauenfigur, eben weil sie nicht so
       auftritt: „Hey, ich bin eine patente Frau, ich kann alles.“ Sie stolpert
       manchmal über ihre Unreflektiertheit, macht den Leuten, die sie befragt,
       keine Angst, sie verweilt auch einfach mal und interessiert sich mehr fürs
       Opfer als für die möglichen Täter, sie zeigt, dass es sich lohnt, etwas
       aufzudecken – das gibt es tatsächlich selten in dem Genre Krimi, das so
       stark im Fernsehen vertreten ist.
       
       Lotte Jäger kommt an ihr Ziel, manchmal direkt, manchmal forsch, aber nie
       breitbeinig. Entspricht das auch Ihnen? 
       
       Wer weiß denn, wer man ist? Und damit sind wir auch wieder bei Ihren
       Anfangsfragen: Das ist es, worum es doch eigentlich geht: Wir haben hier
       eine moderne Frauenfigur, von einem Mann geschrieben, von einer Frau in
       Szene gesetzt.
       
       12 Sep 2016
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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