# taz.de -- Kommentar Erdbeben in Italien: Prävention? Nur auf dem Papier
       
       > Vorausschauendes Handeln rangiert in Italiens Politik weit hinten.
       > Erwartbare Ereignisse wie ein Erdbeben sind jedes Mal ein „Notstand“.
       
 (IMG) Bild: Notunterkunft wegen Notstand: In der Sporthalle hausen Menschen, deren Zuhause in Trümmern liegt
       
       Erdbeben gehören zu jenen Naturkatastrophen, denen man nicht vorbeugen
       kann. Man kann sie – anders als Hurricane, anders als Überschwemmungen –
       nicht vorhersagen, um dann zum Beispiel mit Evakuierungsmaßnahmen zu
       reagieren. Nur eines kann man tun: sich auf sie einstellen. Und so dafür
       sorgen, dass die Opferzahl möglichst niedrig bleibt.
       
       Amatrice, Accumoli und die anderen jetzt getroffenen Ortschaften waren
       erkennbar nicht auf ein Erdbeben eingestellt. Nicht nur die historischen
       Ortskerne wurden ausradiert, auch zahlreiche neuere Bauten stürzten ein,
       unter ihnen die Schule, die erst vor kurzem restauriert wurde und angeblich
       erdbebensicher war. Dabei hat sich auf dem Papier viel bewegt in Italien.
       
       Nach dem Beben von L'Aquila im Jahr 2009 wurden die Baunormen weiter
       verschärft, wurden hohe Summen für die Sanierung historischer Gebäude in
       Risikogebieten bereitgestellt. Ausgegeben wurden sie jedoch meist nicht –
       und offenbar hakte es auch bei effizienter Kontrolle, ob die strengen
       Normen wirklich eingehalten wurden. Stattdessen wird der Staat jetzt wieder
       Millionen locker machen, um der „emergenza“ Herr zu werden, dem „Notstand“,
       um nachher jene Schäden zu kompensieren, die sich vorher mit gezielten
       Interventionen wenigstens hätten reduzieren lassen.
       
       Seit Jahren schon beklagt zum Beispiel der Verband der italienischen
       Geologen jene Notstandslogik des Nachher. Dass es bei der Prävention an
       allen Ecken hapert, ja, dass Italien es nicht einmal für nötig befindet,
       den Kindern in den Schulen zu vermitteln, wie man sich bei einem Beben
       verhält, um seine Überlebenschancen zu erhöhen. Um 20 bis 50 Prozent lasse
       sich allein durch solche Programme die Zahl der Opfer reduzieren, schätzen
       die Geologen.
       
       Doch vorausschauendes, systemisches Handeln rangiert in Italiens Politik
       weit hinten. Wenn tausende Flüchtlinge kommen, ist das jedes Mal ein
       Notstand – obwohl deren Ankunft mehr als erwartbar ist. Und ganz genauso
       reagiert die Politik auf die Naturgewalt der Erdbeben, in einem Land, das
       zu den am gefährdetsten in Europa zählt.
       
       Dass es anders geht, ist in Italien selbst zu besichtigen: Die Stadt
       Norcia, nach den schweren Schäden eines Bebens von 1997 generalsaniert,
       trug diesmal nur geringe Schäden davon, obwohl sie nur ein paar Kilometer
       vom Epizentrum des Erdbebens vom letzten Mittwoch liegt.
       
       25 Aug 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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